08.12.2015 Ausstellung

Eduard von der Heydt: Triumph des Schlitzohrs

Von Detlef Hartlap
Die derzeit schönste Ausstellung in NRW: Auch Paul Cézannes "Liegender weiblicher Akt" aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts ist Bestandteil von Eduard von der Heydts "Weltkunst".
Die derzeit schönste Ausstellung in NRW: Auch Paul Cézannes "Liegender weiblicher Akt" aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts ist Bestandteil von Eduard von der Heydts "Weltkunst". Fotoquelle: Paul Cézanne/Vermächtnis Eduard von der Heydt, Von der Heydt-Museum Wuppertal

Die unfassbaren Schätze eines unfassbaren Lebens: Wie kommt man Eduard von der Heydt auf die Schliche?

Der große Paul Cézanne (1839–1906) hatte gewiss recht mit seiner Warnung: "Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet." Die Touristen in aller Welt halten sich dran. Sie hasten zu Kirchen, Kunst und Küsten, als ob morgen nichts mehr da wäre.

In Wuppertal ist gerade das Gegenteil von Cézannes Diktum zu besichtigen. Das Leben und Sammeln des Bankiers und Lebenskünstlers Eduard von der Heydt ersteht neu.

Eine Ausstellung als Rekonstruktion früherer Ausstellungen, das gibt es oft. Hier aber, im Von der Heydt-Museum, werden ein Leben und eine Lebensform nachempfunden, die zu Lebzeiten nicht zu fassen waren.

Eduard von der Heydt mag nach Friedrich Engels und vor Pina Bausch der weltweit bekannteste Wuppertaler sein, doch wurde sein Wirken eine Zeitlang auf die Frage reduziert, wieviel Nazi in ihm steckte.

Nun aber breitet Wuppertals Museumsdirektor Gerhard Finckh das Panorama der Sammlungen von der Heydts aus, und das Pendel wippt in die Gegenrichtung. Der Kunsttycoon wird zum "Lebensreformer" und Propheten der Gleichheit aller Menschen, zu einem, der das "Hochamt der Humanitas" gefeiert habe.

Ja, was denn nun?

Eduard von der Heydt (1882– 1964), den man sich als humorvollen Gesellschafter vorstellen darf, würde höflich lächeln und leise antworten: "Was blieb mir auch anderes übrig ...?"

Die Ausstellung zeigt Picassos, Mackes, Kandinskys neben Schätzen des legendären "Yi Yuan"-Museums in Amsterdam. Sie zeigt kambodschanische Buddhas neben spätmittelalterlichen Heiligenfiguren, sensationelle Masken aus Laos neben sensationellen Masken von der Elfenbeinküste. "Ars una", lautete von der Heydts Sammlerdevise. Eine Welt, eine Kunst.

Wer aber war er? Ein stinkreicher Dandy mit Kunstverstand?

Sein Leben erstreckte sich über Kaiserzeit, Krieg, Weimarer Republik, Nazizeit, Krieg, Bundesrepublik. Da liegt es nahe, dass er, ob Dandy oder nicht, unter dem ständigen Eindruck von Vergänglichkeit gelebt hat.

Kunst ist wie Geld. Seine Sammlungen konnten sterben oder ihm genommen werden, wie die Bank in London, die er als junger Mann gegründet hatte. Wie sagte Cézanne: Alles verschwindet.

Zu Hause wohnte von der Heydt mit Skulpturen zum Drüberstolpern, mit van Gogh überm Kaffeetisch. Kunst als Lebensform.

Er verlieh seine Werke an Museen in aller Welt. Was gut verteilt ist, mag er gedacht haben, wird nie ganz untergehen. Denn alle Kunst will Ewigkeit.

In der Lifestyle-Kommune auf dem Monte Verità in Ascona bei den Traumtänzern und Sinnsuchern (die er finanzierte) war er 1926/27 für einen Moment ganz bei sich. Bald aber kamen die Nazis an die Macht. Von der Heydt öffnete ihnen heimlich Geldkanäle in die Schweiz, ließ aber ebenso heimlich Geld in den Widerstand fließen.

"... was blieb mir anderes übrig?"

Er war ein Genie der doppelten und dreifachen Absicherung. Auch wenn ihm ein Teil seines Besitzes durch Krieg und Nachkrieg verlorenging, die Wuppertaler Ausstellung zeigt: Das Schlitzohr im Sammler hat letztlich triumphiert.

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