23.02.2016 Tipps zur Erbschaft

Erben: Wo Vermögen, da auch Streit

Von Detlef Hartlap
Der Trauer folgt in vielen Fällen Verdruss: Ein unklares Testament verdirbt das beste Andenken.
Der Trauer folgt in vielen Fällen Verdruss: Ein unklares Testament verdirbt das beste Andenken. Fotoquelle: Patrick Brassat/shutterstock.com

Es soll Erbschaften gegeben haben, die ohne Ärger über die Bühne gingen. Aber sie sind die Ausnahme.

Das "Deutsche Institut für Altersvorsorge" hat 2015 eine Schätzung veröffentlicht, wonach bis 2024 in Deutschland wahnsinnig viel Geld vererbt wird: 3,1 Billionen Euro. Auf ein mehr oder minder großes Stück von diesem Kuchen dürfen sich all diejenigen freuen, die ein Erbe in Aussicht haben.

Darauf freuen sich aber auch die Rechtsanwälte, die es mit den Feinheiten des Erbens und Vererbens zu tun bekommen. Denn wo ein Erbe ist, ist auch Streit.

prisma-Leser hatten, als sie im vergangenen Jahr mit drei Experten am Telefon zum Thema "Erben und erben lassen" sprechen konnten, Fragen in Hülle und Fülle.

Nachlass annehmen oder ablehnen? Anton Steiner, Fachanwalt und Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht, berichtet von einem Grundstück in Spanien. Der Erbe war unschlüssig, ob er den Nachlass seines Onkels annehmen sollte. Das Problem: Der Gesetzgeber sieht nur eine Frist von sechs Wochen vor, in der man das Erbe ablehnen kann – zu wenig Zeit für eine seriöse Prüfung.

Steiner: "Grundsätzlich rate ich aber dazu, die Erbschaft erst einmal anzunehmen. Seine Haftung auf den Nachlass kann man später immer noch begrenzen."

Heißt, bei vermeintlich goldenen Eiern, die sich als faul erweisen (Schulden, Schwarzgeld etc.), gibt es hinreichend Mittel, den Schaden abzuwenden.

Viel Spielraum für Konflikte

Staatsangehörigkeit oder Wohnort? Auch ein Testament schützt nicht vor der Lust des Vererbenden, auf seine alten Tage den Lebensmittelpunkt in sonnige Gefilde zu verlegen. Indes, nach der EU-Erbrechtsverordnung vom 17. August 2015 knüpft das Erbrecht stets an das Recht jenes Landes an, in dem der Erblasser seinen hauptsächlichen Aufenthaltsort hat.

Was in Deutschland beizeiten und juristisch einwandfrei eingefädelt wurde, wird auf einmal in Zweifel gezogen. So geraten die Erben, sei es in Italien oder Spanien, in (zum Beispiel) völlig anders geartete Pflichtteilsregelungen. Erschwerend kommt hinzu, dass der "gewöhnliche Aufenthaltsort" in der EU-Verordnung nicht eindeutig definiert ist. Eine Unklarheit, die wie eine Vorlage für anwaltliche Auseinandersetzungen wirkt.

Es gibt allerdings auch Wege, solche Unwägbarkeiten zu vermeiden. In Erbvertrag oder Testament kann festgelegt werden, dass im Falle des Todes deutsches Recht herangezogen werden soll. Regelt man indes nichts, so gilt tatsächlich das Recht des Aufenthaltsortes. Für alle Finca-Residenten und Toskana- und Teneriffa-Senioren heißt das: Lieber noch mal schnell das Testament überprüfen!

Viele Bundesbürger erklären sich mithilfe des sogenannten "Berliner Testaments" (ein gemeinschaftliches Testament von Eheleuten und Lebenspartnern) gegenseitig zu Alleinerben und legen fest, dass das Erbe bei Tod des zuletzt Verstorbenen an einen bestimmten Dritten fallen soll. Eine verbindliche Vereinbarung. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass nach dem Ableben des zuerst Verstorbenen ein neuer Ehepartner oder Geliebter in den Genuss des Erbes kommt (etwa anstelle der Kinder).

Solche Bindungswirkungen gemeinschaftlicher Ehegatten- und Lebenspartnertestamente kennt das Erbrecht in Italien oder Spanien nicht. Es kann sich also durchaus um einen Akt von großen Verantwortungsbewusstsein handeln, bei Abfassung der Nachlassangelegenheiten schriftlich auf deutschem Recht zu bestehen.

Schenkungen zu Lebzeiten? Dafür existieren viele Gründe. Wer gibt, dem wird gedankt – von Kindern, von Verwandten, von Leuten, mit denen man es gut meint. Hinzu kommt, dass man sich um sein Vermögen (oder einen Teil) fortan nicht mehr selbst kümmern muss, was durchaus eine große Erleichterung sein kann.

Allerdings hebt mancher Experte warnend die Hand. Was einmal verschenkt ist, kann in unerbittlicher Endgültigkeit nicht mehr zur Versorgung (etwa bei plötzlicher Pflegebedürftigkeit) herangezogen werden.

So wird dazu geraten, eine Immobilie unter Vorbehalt eines Nießbrauchs (Nutzung einer fremden Sache) oder ständigen Wohnrechts zu übertragen. Die Kinder erhalten zwar vorzeitig das eigene Haus; der Schenkende aber behält Wohnung oder Anspruch auf Mieteinnahmen.

Sollten Schenkende den leisen Verdacht hegen, dass die Kinder mit dem Vermögen nicht recht umzugehen wissen, sollten zum Zeitpunkt der Schenkung vertraglich Rückforderungsrechte vereinbart werden. So könnte im Extremfall einer Vergeudung des Vermögens bis zur Zahlungsunfähigkeit das verschenkte Vermögen wieder aus der Insolvenzmasse herausgelöst werden.

Statistisch befindet sich jeder siebte Nachkomme in Auseinandersetzungen um das Erbe. In Erbengemeinschaften ist das Konfliktpotenzial besonders hoch. Dafür gibt es einige Gründe, zum Beispiel: Der Erblasser hat keine Regelung getroffen. Oder: Im Testament sind mehrere Erben eingesetzt. Oder: Erben werden gemäß gesetzlicher Erbfolge berufen.

Wenn mehrere Kinder gemeinsam das Elternhaus erben, müssen sie sich über die Nutzung oder einen Verlauf einig werden. Eine häufig gewählte, weil vergleichsweise einfache Lösung besteht darin, dass ein Erbe das Haus übernimmt und den Miterben ihre Anteile auszahlt.

"Diese Lösung bewahrt nicht nur den Familienfrieden, sie schon auch das Vermögen", glaubt Rüdiger Grimmert von der BHW Bausparkasse. "Denn die Gerichtskosten eines Erbstreits orientieren sich am Nachlasswert."

Darüber hinaus müssen Instandhaltungskosten von den Erben so lange gemeinsam getragen werden, bis eine Lösung gefunden wird.

Angehörige einer Erbengemeinschaft sind berechtigt, ihren Anteil zu verkaufen. Den Miterben steht dabei ein zweimonatiges Vorkaufsrecht zu. Eskaliert ein Konflikt zum offenen Streit, kommt es im schlechtesten Fall zu einer Auseinandersetzungsklage.

Das läuft nicht selten auf eine Teilversteigerung der Immobilie hinaus, was keine optimale Lösung ist. Denn der Erlös einer Zwangsversteigerung liegt meist deutlich unter dem Verkehrswert.

Ein gewisses Interesse an einer gütlichen Einigung sollte also erwartet werden. Sollte … Die menschliche Natur steht dem im Wege. Ein neutraler Mediator könnte vielleicht helfen, sofern er denn von den Erbstreithähnen in Anspruch genommen wird.

Testament, Ehevertrag, Erbvertrag und all die Änderungen, die dabei möglich sind, bilden eine quasi natürliche Grundlage für unendlichen Streit ums Erbe. Möchte man aber nicht nur den Ehepartner absichern, sondern ein ganzes Unternehmen an die nächste Generation weitergeben, oder lebt man in einer Patchworkfamilie, dann lohnt der Gang zum Fachmann, ob Anwalt für Erbrecht oder Notar.

Liegt ein notariell beglaubigtes Testament vor, erübrigt sich später der Erbschein beim Nachlassgericht. Und, je klarer der "letzte Wille" formuliert ist, desto weniger Spielraum gibt es für Konflikte.

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