08.03.2016 Buchtipp

"Im Schatten des Todes": Herr Pfarrer überführt jeden Mörder

Unser Buchtipp der Woche: "James Runcie - Im Schatten des Todes".
Unser Buchtipp der Woche: "James Runcie - Im Schatten des Todes". Fotoquelle: www.BillionPhotos.com/shutterstock.com

Canon Sidney Chambers ("Canon" ist ein geistlicher Titel) hat mit seiner anglikanischen Kirchengemeinde in Grantchester bei Cambridge alle Hände voll zu tun. Eigentlich.

Aber als eines Tages eine schöne Frau bei ihm sitzt und verrät, ihr verstorbener Mann (den Sidney eben erst mit schönen Worten ins Grab geleitet hat) sei mit Sicherheit keines natürlichen Todes gestorben, wird der Pfarrer zum Detektiv.

Wider Willen natürlich. Eigentlich schickt sich so was nicht für einen Geistlichen. Und auch sein bester Freund, der Polizeiinspektor Keating, kann über die Mutmaßung eines Mordes nur lächeln.

Zwischen zwei Frauen

So beginnt eines der interessantesten Krimi-Unterfangen der Saison, nämlich die Ermittlung von Canon Sidney Chambers in sechs unterschiedlichen Mord- und Todesfällen, in Sachen Schmuckdiebstahl und Kunstraub. "Im Schatten des Todes" heißt die brillant geschriebene Geschichtensammlung, die sich fundamental von allem unterscheidet, was der Krimimarkt im zweiten Jahrzehnt des Jahr hunderts bisher zu bieten hatte.

Dafür gibt es drei Gründe. Erstens: der Autor. James Runcie (56) ist ein erfahrener und in Großbritannien bekannter Theatermann, der seine dramatischen Effekte mit Bedacht und Liebe setzt. Auf diese Weise macht er aus jedem Kurzkrimi ein Kriminalrätsel, an dem sich der Leser beteiligen kann, ohne sich am Ende von Spitzfindigkeiten übertölpelt zu fühlen.

Zweitens ist Runcie der Sohn von Robert Runcie, dem früheren Erzbischof von Canterbury. Er kennt sich im Pfarrhausmilieu bestens aus und schildert die Ärmlichkeit des Amtes wie auch das unter der Fuchtel einer Haushälterin stehende Privatleben mit britischer Delikatesse.

Reine Kopfarbeit

Drittens verlegt er Leben und Wirken von Canon Chambers ins Jahr 1954. Wir stehen also noch am Anfang oder gar vor der Erfindung moderner Kriminaltechnik, was die Ermittlung zur reinen Kopfarbeit macht und eine eventuelle Ergreifung für den Täter zum lebensgefährlichen Risiko werden lässt; denn noch steht im Königreich auf Mord die Todesstrafe.

So tauchen wir lesend und mit wohligem Schaudern in einen bitterkalten Grantchester/Cambridge- Winter, unternehmen mit Sidney Chambers Fahrradtouren über gefrorene Gemeinde-Wiesen.

Wir gewinnen Einblick in die Londoner High Society wie auch in die Unterwelt (beides liegt eng beieinander). Und fragen uns, ob der Pfarrer besser seiner Neigung zu der klavierspielenden deutschen Witwe Hildegard nachgibt (sie hatte nach dem Krieg einen britischen Soldaten geheiratet); oder ob er den Avancen seiner Londoner Freundin, der steinreichen Schönheit Amanda, erliegt.

James Runcie ist ein lesenswertes Porträt guter alter Englishness gelungen, schöner als jede "Barnaby"- Folge, wobei in England eine erste Staffel von Sidney-Chambers- Crimes unter dem Titel "Grantchester" bereits im Fernsehen gezeigt wurde. Hoffentlich bald auch bei uns.

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