Die dritte Staffel von „Jenseits der Spree“ aus Berlin-Köpenick ist jetzt gestartet. Im prisma-Interview verrät Hauptdarsteller Jürgen Vogel das Erfolgsgeheimnis der Serie.
Jenseits der Spree startet mit der dritten Staffel aus Berlin Köpenick. Sie haben durchschnittlich fünf Millionen Zuschauer am Freitagabend: Was macht Ihrer Meinung nach den Erfolg der Serie aus?
Jürgen Vogel: Wir freuen uns, dass die Leute das Format super-gut aufgenommen haben. Der Freitagabend war ja traditionell eher konservativ belegt. Wir haben, denke ich, eine gute Mischform, eine Art Eintopf, der die Serie so beliebt macht. Wir bewegen uns zwischen sehr spannendem, unterhaltsamem Krimi, der nichts auslässt, und dem wichtigen Privatleben des Ermittlers mit seinen drei Töchtern. Auch Ermittlerin Mavi Neumann an der Seite von meiner Figur Robert Heffler wird mit noch einem größeren privaten Background erzählt werden in der 3. Staffel. Die Zuschauer interessieren sich dafür, wer diese beiden sind und wie sie mit den Fällen, aber eben auch ihrem Alltag umgehen, den sie zu bewältigen haben. Wenn man etwas Persönliches mitbekommt, kann man besser andocken: Durch die aktuellen Themen, die Figuren der Töchter und die wesentlich jüngere Kommissarin, gespielt von Aybi Era, können wir auch jüngere Zuschauer gewinnen – und so haben wir einen guten Durchschnitt.
Heffler versucht gar nicht erst, es vor seinen Kolleginnen so aussehen zu lassen, als würde er das Zusammenleben mit seinen drei Töchtern, die er allein erzieht, und den Job perfekt unter einen Hut bringen – Held oder Antiheld?
Jürgen Vogel: Robert Heffler weiß, dass es unmöglich ist, ein perfekter Kommissar und Vater zu sein, aber er versucht es. Es ist für jeden nachvollziehbar, dass das nicht 100-prozentig zu machen ist. Man sieht ihn nicht nur dabei, wie er Dinge schafft und gewinnt, sondern vor allem auch, wie er scheitert – und wie er dennoch versucht, aus allem das Beste zu machen. Das macht ihn wahnsinnig menschlich und genau das zu zeigen, war mir persönlich von Anfang an sehr, sehr wichtig an der Figur: Er ist nicht der klassische Kommissar, der alles hinbekommt, er versteckt nichts. Vielleicht ist er auch gebrochen? Denn das ist das Leben: Man versucht die richtigen Dinge, aber es gelingt nicht immer.
Die Situation von alleinerziehenden Frauen und Männern in Deutschland, ist das ein Thema für Sie? Gibt es da Verbesserungsbedarf?
Jürgen Vogel: Da ist ganz viel Luft nach oben, es fängt bei den Kleinsten an in den Kitas. Die Betreuung ist immer noch unbefriedigend, was eine Schande für so ein reiches Land ist. Es ist immer noch unattraktiv für Frauen, zu arbeiten, da die Kinder nicht gut untergebracht sind. Und da der Mann ja leider immer noch mehr verdient als die Frau, endet es wieder so, wie es in den 50er-Jahren auch war: Die Frauen kümmern sich um die Kinder und haben einen Spagat zu bewältigen, der eigentlich unmenschlich ist. Corona hat deutlich gezeigt, wie schlimm allein und isoliert alleinerziehende Mütter waren. Wir werden nicht drum herumkommen, uns für ein besseres, klareres Bildungssystem zu entscheiden – und zwar vor allem, damit wir konkurrenzfähig bleiben im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Wir schneiden da miserabel ab. Da sollte man auf Fachleute hören, die tagtäglich damit zu tun haben. Das ist ja auch nicht neu: Seitdem ich Kinder habe und über Bildung nachdenke, also seit 35 Jahren, gibt es dieses Thema und wir zahlen jetzt gerade die Zeche für die verschlafene Zeit.
An Ihrer Seite spielt seit der zweiten Staffel Aybi Era – sie wirken im Spiel wie in der Tonality zusammen auffallend authentisch? Ist da auch mal Improvisation dabei oder wie gehen Sie gemeinsam an die Drehbücher heran?
Jürgen Vogel: Wir lesen die Drehbücher und dann gibt es eine Leseprobe. Aber letztlich arbeiten wir uns die Texte dann so um, so dass sie für die Figur sprechbar sind. Das möchte ich auch allen anderen Schauspielern in den Gastrollen raten. Das muss man lernen als Schauspieler in Deutschland, die Drehbücher können manchmal nicht so auf den Punkt sein. Aybi und ich stimmen uns schon am Abend zuvor ganz eng per WhatsApp ab – eine sehr vertrauensvolle Arbeit. Solche Apps sind eine gute Erfindung für uns. Es macht einen Riesen-Spaß, und das merkt man dann vermutlich auch der Serie an. Die wichtigen Parameter werden natürlich mit der Redaktion abgestimmt, auch da gibt es eine enge Zusammenarbeit.
Sie haben drei unglaublich talentierte Jungdarstellerinnen an Ihrer Seite. Holen die drei sich auch mal Rat bei Ihnen persönlich – Sie kennen die Branche ja in- und auswendig?
Jürgen Vogel: Alle drei sind schon so gut im Business mit starken Agenturen, da kommt es gar nicht so oft vor, dass sie mich was fragen. Ich habe eher das Gefühl, dass ich mehr Fragen stelle, als umgekehrt. Ich bin da also nicht der alte Hase, der zu allem eine Meinung hat, sondern lasse mich stark von den Jüngeren inspirieren. Das ist gleichberechtigt. Wir verschaffen uns immer Freiraum, um Dinge entstehen zu lassen – auch welche, die vielleicht gar nicht geplant waren. Das ist sicher auch ein Geheimrezept dieser Serie.
Die persönliche Suche nach dem Glück darf in dieser Krimiserie bei den Ermittlern auch mal Thema sein. In einem Fall geht es um Einsamkeit – und dass man immer gern das hätte, was man nun mal gerade nicht hat…
Jürgen Vogel: Ist das so? Ich glaube, das ist was Jugendliches, ganz oft auch Pubertäres, dass man dem nacheifert, was man nicht kriegen kann. Mit dem Älterwerden verändert sich das, da weiß man zu schätzen, was man hat und versucht nicht mehr, immer alles zu kriegen. Die Suche nach dem individuellen Glück für einen allein ist eigentlich für mich eh eine Sackgasse. Ein guter Kompromiss – oder etwas für andere zu tun –, kann einen manchmal schneller ans Ziel bringen, als nur immer an sich zu denken. Das ist so eine kleine Krankheit, dieses „jeder muss für sich immer das Beste rausholen“. Das ist der falsche Weg.
Die Serie setzt sich mit brandaktuellen Themen auseinander, zum Beispiel was die Digitalisierung mit uns macht: Errungenschaften wie Dating-Plattformen und jetzt gerade ganz akut der Umgang mit KI. Beschäftigt einen das dann auch privat nach Drehschluss?
Jürgen Vogel: Ich mag, dass wir Producer und Autoren haben, die nach immer neuen Themen suchen und schneller dran sein wollen an dem, was gerade so akut ist. Ich finde alle Fälle, die wir haben, super spannend: KI ist ja gerade für Schauspieler in Hollywood ein großes Thema. Ich glaube aber, dass wir da in Deutschland juristisch besser geschützt sind, als wenn man so einen Studiovertrag unterschreibt, in dem man fast alles von sich weggibt für eine Festanstellung.
Und apropos Fassadenklettern: Können Sie Roofer und deren Suche nach dem ultimativen Kick nachvollziehen? Sind Sie schwindelfrei?
Jürgen Vogel: Roofen kann ich nicht nachvollziehen. Das reizt mich nicht, dafür ist mir das Leben einfach viel zu wertvoll, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich verstehe natürlich, dass Menschen an ihre Grenzen gehen wollen, aber das sollte man vielleicht woanders suchen als in der Höhe. Ich persönlich habe aber keine Höhenangst, habe oft genug in der Höhe gedreht oder dort Dinge gemacht. Für „Fat Machines“ musste ich auf den größten Kran der Welt, damals 86 Meter hoch – ein chinesischer Kran in Dubai: Es ist eine kleine Überwindung, man muss sich konzentrieren, aber das funktioniert.
Berlin Köpenick: Dieser Bezirk von Berlin soll der Grünste sein und ist sehr schön an der Spree und der Dahme gelegen. Was ist für Sie das Besondere dort?
Jürgen Vogel: Berlin Köpenick ist wahnsinnig schön, ich liebe es da – allein der Weg dorthin. Es gibt dort einen sehr guten Querschnitt an ‚Schichten‘: Vom Arbeiter bis zum jungen Yuppie, der sich dort eine Luxuswohnung leistet – es ist sehr gemischt und das mag ich. Die Nähe zum Wasser hat was, dadurch können wir thematisch ganz andere Fälle erzählen, als vielleicht zum Beispiel in München. Die Motive sind sehr schön am Wasser und es wurde noch nicht viel dort gedreht.