Was für Großmutter noch selbst verständlich war, lernen jetzt Hipster in den Städten: wie man Kaffee filtert.
Vier Tassen Kaffee täglich, das ist der Deutschen Maß. Die Leistungsgesellschaft muss bei wachen Sinnen bleiben. 160 Liter pro Kopf kommen auf diese Weise im Jahr zusammen.
Kaffeevarianten gibt es in rauen Massen, nicht nur in Metropolen wie Wien mit seiner Kaffeehaustradition, wo Begriffe wie "Fiaker", "kleiner Brauner" oder "Melange" noch heute selbstverständlich sind.
Anderswo wird zwischen Doppio-Trinkern (männlich) und Latte-macchiato-Löfflern (meist weiblich) unterschieden und hat mit "Lungo", "Ristretto" etc. die Kaffeekultur Italiens in all ihrer Vielfalt Einzug gehalten.
Espressomaschinen im Anschaffungspreis von etlichen Tausend Euro sind kein Privileg von Ristoranti und Eisdielen, sondern längst Bestandteil deutscher Wohnlichkeit und Lebensweise.
Das 21. Jahrhundert brachte indes eine neue Spielart der Kaffeezubereitung, die vielleicht leichteste von allen, reich an Geschmacksvarianten, gleichzeitig aber auch die abfallintensivste: Pads und Tabs.
Pads- oder Tabs-Debatte
Keine Kaffeesorte, die nicht in einem Plastiktübchen Platz fände und binnen Sekunden mithilfe einer nicht ganz leisen Maschine eine schmackhafte Portion ergäbe; und zwar immer genau eine. Wer sich die Mühe macht, das Internet auf zeitgemäßen Kaffeegenuss zu durchforsten, wird auf manche Pads- oder Tabs-Debatte stoßen, nicht aber auf das, was längst wieder Sache ist: Filterkaffee.
Es begann in New York oder Tokio, so genau lässt sich das nicht zurückverfolgen, jedenfalls machten sich junge Baristas (so heißen die Experten hinter der Kaffeebar) daran, die Bohnen selbst zu mahlen und den Kaffee nach Großmutterart im Filter zu brühen.
Doch was heißt Großmutterart? Die experimentierfreudigen Großstadt-Hipster brühten nicht nur, sie probierten aus: Wie muss Keramik oder Glas beschaffen sein? Wie die Mahlgrade und wie das Filterpapier, um dem Kaffee aus Indien, Guatemala oder Indonesien (natürlich säurearm bis säurefrei) allerhöchste Geschmacksnoten abzugewinnen?
Durch vorgeformte Rillen in die Kanne
So akribisch ging es bei Großmutter denn doch nicht zur Sache. Nun ja, Papier beeinflusst den Geschmack wohl eher nicht. Aber Kaffee, der nur mit Porzellan in Berührung gekommen ist und durch vorgeformte Rillen in die Kanne abläuft, trägt durchaus zur Genusssteigerung bei.
Kreisbewegungen beim Einfüllen des Wassers (das kannte Großmutter auch schon) sorgen für einen kontinuierlichen Pegel im Filter, halten das Kaffeemehl gleichmäßig feucht und die Aromen in bester Balance. Filtern als Schlüssel zum besseren Kaffee.
Das blieb nicht auf New York und Tokio beschränkt, es hat inzwischen auf Deutschland und viele moderne Cafés übergegriffen. Und beweist: Großmutter war den Pads und Tabs um Jahrzehnte voraus.