07.08.2023 Interview mit einem Grill-Experten

Ludwig Maurer: „Grillen ist Geselligkeit“

Von Felix Förster
Ludwig Maurer, genannt „Lucki“, ist ein Grill-Enthusiast.
Ludwig Maurer, genannt „Lucki“, ist ein Grill-Enthusiast. Fotoquelle: Thomas Pfeiffer

Ludwig „Lucki“ Maurer hat einen Spitznamen: „Fleischpapst“ wird der Bayer genannt. Der Koch und Rinderzüchter hat nun den „Grill Codex“ veröffentlicht, in dem er viele Tipps rund um das Grillen gibt. Im prisma-Interview verrät er einige davon.

Sie schreiben über das Grillen in Ihrem Buch eher unprätentiös und grenzen sich ab vom Trend-Grillen. Heißt das im Umkehrschluss, jede Art von Grillen ist für Sie ok?

Ludwig Maurer: Ja, genau das heißt es. Grillen ist die älteste Form der Nahrungszubereitung. Wenn man bei uns früher einen Grund zum Zusammenkommen gebraucht hat, hat man gesagt, ich grille. Es war schon immer ein Aufhänger für ein gesellschaftliches Miteinander. Ob man nun Würschtel grillt oder ein Texas Barbecue macht, ob es das Grillhähnchen im Festzelt ist, es hat immer etwas von Zusammenkommen, von Geselligkeit. Das ist die älteste Form von „Front Cooking“ und von „Food Sharing“, wenn man jetzt mal neue Begriffe verwenden möchte. Jeder macht und tut und bringt sich schließlich ein.

Gibt es für Sie trotzdem einen Königsweg beim Grillen?

Ludwig Maurer: Was einem am besten schmeckt, das ist doch der Königsweg. Ich grille gerne mit Holzkohle, aber ich mag auch andere Arten: Ich mag auf dem Volksfest den Steckerlfisch, genauso wie die die Steak-Semmel auf dem Feuerwehrfest oder das Texas-BBQ. Es können aber auch einfach ein paar Bratwürschtel mit Kartoffelsalat sein.

Wie bewerten Sie denn diesen Grill-Trend, dieses, um es ein wenig despektierlich zu sagen, „Poser-Grillen“?

Ludwig Maurer: Ich finde, jeder kann es machen wie er will. Poser-Grillen hat ja nur dazu geführt, dass sich mehr Menschen für die Zubereitung von Lebensmitteln interessieren. Zudem sind beim Grillen automatisch 80 Prozent Männer am Start und interessieren sich endlich für das Kochen. Das gab es ja früher nicht, klassischerweise hat ja da die Frau alles übernommen. Sobald gegrillt wurde, waren dann aber auch die Männer dabei, auch wenn sie nur die Würschtel gedreht haben (lacht). Die Beilagen, die Salate wurden zwar von den Frauen gemacht, aber er hat sich zumindest mal darum gekümmert, dass das Bier kalt ist oder, dass genug Fleisch da ist. Von daher ist das ja schon eine gute Entwicklung. Natürlich gibt es das Poser-Grillen auch. Wir haben ja auch einen Grill-Shop, und ein typischer Spruch, den wir da häufiger hören, ist: „Der Trend geht zum Dritt-Grill“. Die betreffenden Leute haben dann schon einen Smoker, einen Gas-Grill und wollen dann noch einen Keramik-Grill und einen Pellet-Grill (lacht).

Worauf kommt es denn für einen Grill-Anfänger an? Wie muss er sich aufstellen, wenn er Spaß am Grillen haben möchte?

Ludwig Maurer: Ich würde immer mit Holzkohle grillen, weil es für mich das Archaischere ist: Feuer zu machen, es auf eine bestimmte Temperatur zu bringen, diese Glut zu wahren, dann entsteht dadurch auch Geschmack. Wenn Sie den Gas-Grill anmachen, ist das wie eine Stereoanlage: ein, aus, laut, leise. Das sind zwei Regler, relativ langweilig, relativ emotionslos. Wenn man jetzt Feuer macht, ob mit einem Kugel-Grill oder einem Keramik-Grill, dann muss man eine gewisse Kontrolle schaffen und das ist das Schöne. Mein persönlicher Tipp ist der Keramik-Grill, ein Grill für alles: Man kann Brot backen, Pizza machen, einen Fisch räuchern, smoken. Und man kann im banalsten Falle auch einfach ein Würstchen grillen.

Wie sieht es denn bei einem Keramik-Grill mit der Garzeit aus. Wie kann man das steuern?

Ludwig Maurer: Er funktioniert wie ein Kamin über den Luftzug. Wenn der Zug offen ist, hat man eine höhere Hitze, wenn der Zug zu ist, ist die Hitze niedriger. Da muss man sich einpendeln. Wenn man dann „Long Jobs“ macht, sagt man 120 Grad Außentemperatur, und wenn das Fleisch dann 90 Grad im Kern hat, ist es soweit. Das Wichtigste ist, dass man nie auf Zeit geht, sondern auf die Kerntemperatur. Das essenzielle Tool, das man braucht, ist ein guter Kerntemperaturfühler, denn wenn man mit der perfekten Kerntemperatur arbeitet, ist das Ganze ein Kinderspiel. Wichtig ist wie gesagt, niemals nach Zeit zu grillen. Klassiker: zwei Minuten von der Seite, zwei Minuten von der Seite und dann fünf Minuten ruhen lassen. Es kommt immer auf die Beschaffenheit des Fleischs an. Da bricht man sich auch keinen Zacken aus der Krone, wenn man zwei- bis dreimal die Temperatur kontrolliert. Man hat ja auch eine gewisse Verantwortung, wenn man mit Fleisch oder Fisch arbeitet, denn dafür ist ja auch ein Lebewesen gestorben, und dann sollte man dann im besten Sinne nicht verderben (lacht).

In Ihrem Buch fällt auf, dass Sie ganz unterschiedliche Grillgüter auf den Grill schmeißen. Heißt das, dass alles, was gegart werden kann, auch gegrillt werden kann?

Ludwig Maurer: Ja klar, logisch. Grillen ist ja die älteste Form der Essenzubereitung. Ein Neandertaler wird sich mal ein Feuer gemacht haben und seine Mammutkeule darüber gehalten und sich gedacht haben: „Oh, jetzt schmeckt es aber viel besser, wenn es angekokelt ist.“ Dann wurden irgendwann Töpfe erfunden mit heißem Wasser, dann Pfannen zum Braten. Aber auf direkter Hitze entsteht ja die Maillard-Reaktion, dieses Entstehen von Röststoffen, diese ursprünglichste Form des Garens. Und dabei geht es ja nicht nur um Fleisch, nehmen Sie mal eine Zwiebel, ein wenig Butter und geben es in die Pfanne. In dem Moment, wenn Röstaromen entstehen, schmeckt es einfach besser. Von daher kann man sagen, alles, was man kochen kann, kann man auch grillen.

Wie stehen Sie zu dem Trend, Gemüse zu grillen? Da ist es ja sehr schwer, den richtigen Gar-Grad zu bekommen, ohne dass es verkohlt. Welchen Tipp haben Sie da?

Ludwig Maurer: Eine Plancha, also eine Grillplatte. 95 Prozent des Grillens ist ja Fleisch, aber es gibt ja immer jemanden, der lieber Gemüse isst. Da können Sie so einen Alibi-Spieß machen mit etwas, was eh nach nichts schmeckt, wie Auberginen, Zucchini oder Champignons oder diesen Halloumi-Quietschekäse (lacht). Nein, Spaß beiseite, Gemüse kann man gut grillen, da gibt es die Plancha, die Feuerplatte, wodurch man auch Raucharomen bekommt und mit Öl arbeiten kann. Man macht ein paar Scampi, ein paar Schwammerl, das Gemüse und brät es bei hoher Temperatur auf dieser Grillplatte mit Grillmuster, das geht. Aber Gemüse-Spieße auf einen Gas-Grill zu legen, auf den Rost, das ist hingegen eher unspektakulär.

Sie plädieren in Ihrem Buch dafür, seine Wurst selbst herzustellen. Ist das nicht kompliziert?

Ludwig Maurer: Ich sag es immer so: Ein Koch ist immer vorsichtig, wenn er sich in einem Restaurant etwas mit Hackfleisch bestellt. Man weiß ja nie, wie gut das zubereitet ist und was da drin ist. Köche machen das lieber selbst, die kaufen sich auch keine Lasagne oder eine Frikadelle. So ticken wir Köche auch bei der Wurst, je feiner das Brät, desto größer muss das Vertrauen in den Metzger sein, dass da was Gutes drin ist. Eine Wurst selbst herzustellen, ist auch nicht komplizierter als einen Cevapcici oder ein Fleischpflanzerl zu machen. Man braucht einfach nur das richtige Gerät und braucht noch nicht einmal einen Fleischwolf, denn man kann das Hackfleisch nehmen und dann den Wurstfüller benutzen.

Steaks grillen Sie hingegen nicht so gerne, warum?

Ludwig Maurer: Beim Grillen habe ich immer direkte Hitze und einen Rost, also alles, was an Fleischsaft und somit an Geschmack entsteht, tropft mir in die Glut. Beim Steak habe ich den tollen Fleischsaft, deshalb mache ich das Steak lieber in einer Grillpfanne mit Muster, dann bleibt alles in der Pfanne und ich kann mit ein bisschen Portwein, Butter, Rosmarin und Thymian eine wunderbare Soße machen, die ich dann nachher binden kann oder mit einem schönen Weißbrot rausditsche. Was ja auch, so simpel es ist, einfach super-lecker ist.

Sie haben ja erwähnt, dass Sie das Grillen als ein soziales Ereignis ansehen. Gibt es da für Sie eine Lieblingsjahreszeit?

Ludwig Maurer: Es ist schon Sommer. Ich bin jetzt keiner, der privat im Winter grillt. Man kann es schon machen, aber ich verbinde mit Grillen noch von früher die Festivals im Sommer. Wir sind aufs Heavy-Metal-Festival gefahren, haben das Zelt aufgebaut, geschaut, dass das Bier kalt ist, und dann haben wir als quasi erste Belohnungsaktion, nachdem das Zelt stand, uns erst einmal das Bier aufgemacht und dann den Grill angeschmissen. Das war schon immer etwas ganz Besonderes. Auch wenn das Grillgut damals nicht so besonders war. Da konnte sich noch keiner von uns Wagyu-Steaks leisten. Wir wussten ja auch gar nicht, was das ist (lacht). Es gab irgendwelche Grillfackeln, Grillbauch, Wammerl, vormarinierte Nackensteaks oder Hähnchenbrust. Dazu gab es dann immer diese typischen drei Soßen, eine rote, eine weiße und eine gelbe (lacht). Und dazu ein wenig Brot, so war es auf den Festivals. Auch das hat schon was, es muss nicht immer das Große sein wie ein Barbecue mit zehn Gängen. Da reichte auch der Einweg-Holzkohlegrill mit ein paar Würstchen drauf.

Wie stehen Sie denn zu Soßen? Mögen Sie das oder sind Sie eher ein Purist?

Ludwig Maurer: Das gehört natürlich dazu, aber ich bin nicht der Freund davon, sich ein tolles Dry Age Steak zu holen, und dann hast du auf jeder Grillparty die vier, fünf Soßen in der Mitte, von denen man sich dann jeweils einen Esslöffel auf den Teller macht und das Steak einmal durchzieht (lacht). Dann hat man 30 verschiedene Geschmacksnuancen auf einmal. Das schmeckt zwar auch, aber man hat vom Stück Fleisch nicht mehr viel. Andererseits finde ich eine Soße schon sehr wichtig, aber das kann etwas sehr Einfaches sein. Wenn ich mir eine Dorade grille, dann mach ich mir eine Soße aus ein wenig Weißwein, ein wenig Butter, Olivenöl und frischen Kräuter und fertig. Auch bei Spare-Rips möchte ich eine Barbecue-Soße mit Cola, Bier und rauchigen, süßen Aromen. Ich liebe auch eine eiskalte Joghurtsoße, eine Art Tsatsiki. Das kennt man ja aus mediterranen Ländern, ob das jetzt ein Creme Fraiche ist, ein Tsatsiki, ein Ayran: etwas Kaltes mit Joghurt passt perfekt zum Angebratenen. Das funktioniert einfach immer. Auch beim ungarischen Gulasch, da macht man dann einen Löffel Sauerrahm oder Schmand rein. Oder noch ein Beispiel: Bei gebratenem Fisch oder angebratenem Sashimi passt eine schöne Teriyaki-Soße, oder beim Lachs eine Sojasoße. Das kann schon sehr unterstützend sein.

Stichwort Beilagen – was kommt da bei Ihnen auf den Tisch?

Ludwig Maurer: Da bin ich sehr puristisch, denn beim Grillen sind Lebensmittel und Zubereitung die Hauptakteure. Wenn ich privat grille, brauche ich nicht noch sechs Beilagen, dann reicht mir ein Salat oder eine Stange Weißbrot. Aber auf der anderen Seite würde kein Bratwürschtel der Welt ohne Kartoffelsalat auskommen. Das hat ja alles seinen Reiz.

Sie sind ja auch bekannt für Ihre Zucht der japanischen Wagyu-Rinder. Wie kann man den Geschmack dieses Fleischs beschreiben?

Ludwig Maurer: Die Zartheit und der Eigengeschmack sind ganz besonders. Die sind sehr fett, viel fetter als normale Rinder, und Fett ist ja der Geschmacksträger, der pusht alles nach vorne. Darum machen die Franzosen ja an alles noch einmal extra viel Butter. Und bei diesen Rindern ist die Butter quasi schon mit drin. Deswegen spricht der Profi immer von „marbeling and tenderness“, von Marmorierung und Zartheit: Je marmorierter alles ist, desto zarter wird es dann auch und dadurch aromatischer. Es ist schon ein Premium-Lebensmittel.

Sie plädieren für eine gute Qualität bei den Lebensmitteln, besonders beim Grillen.

Ludwig Maurer: Das Wichtigste ist nicht das Gerät und der Typ, der davorsteht, sondern das Lebensmittel, das man drauflegt. Das ist der Hauptakteur neben der Zubereitung. Ich bin, obwohl ich sehr für Fleisch stehe, dafür, dass man, wenn man mit Fleisch arbeitet, auch ethisch korrekt verarbeitete Stücke nimmt. Dann sagt man eben lieber: Okay, dann nehme ich nur einmal in der Woche etwas Gescheites auf den Grill und nicht jeden Tag, wenn man nicht wirklich dahinterstehen kann wegen der Haltungsform. Für mich ist es eines der wichtigsten Dinge überhaupt, Lebensmittel zuzubereiten, und deshalb bin ich ja auch Koch geworden. Daraus entsteht ja eine Speise, und das ist der Treibstoff, der uns antreibt. So wie ein Auto Benzin oder Elektrizität braucht, so schöpfen wir die Energie aus unserer Nahrung, deshalb ist das schon ein sehr wichtiger Punkt.

Haben Sie ein Lieblingsrezept?

Ludwig Maurer: die 3-2-1-Schweinerippchen.

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