12.01.2016 Selbstfahrende Autos

Mobilität in der Zukunft gewinnt an Konturen

Das Aussehen täuscht: Auch dieser Roboter ist nur ein Automat, auch wenn der Blick von Intelligenz kündet.
Das Aussehen täuscht: Auch dieser Roboter ist nur ein Automat, auch wenn der Blick von Intelligenz kündet. Fotoquelle: Blutgruppe/Corbis

Das AutoAuto, das alles weiß und selbstständig fährt, kommt schneller als geglaubt. Und nicht nur das...

Vielleicht ist das einfach nur menschlich: Die guten Nachrichten vom Arbeitsmarkt hören wir mit Wohlgefallen, auch wenn wir wissen, dass sie nach allen Regeln statistischer Kunst geschönt wurden. Was soll's, die Steuern sprudeln, die Exporte sind rekordverdächtig, alles wie gewohnt. Das leuchtet jedem ein. Jedenfalls so einigermaßen.

Wenn dagegen vom Bevorstehen der nächsten technischen Revolution die Rede ist, von Industrie 4.0, dann verstehen die meisten nur Bahnhof oder beruhigen sich mit dem Gedanken: Wird schon nur ein Bummelzug sein, der da auf uns zurollt ... Aus dem Gleis wirft uns das nicht!

Tut es möglicherweise aber doch. 2016 wird das Jahr, in dem die Mobilität der Zukunft auch auf unseren Straßen Konturen gewinnt. Grob gesagt: Der Fahrer mutiert zum Beifahrer, erst in Teilbereichen, später ganz. Auch wird der Arbeitstakt noch einmal angezogen; wir müssen konkurrenzfähig bleiben. Von wegen Bummelzug!

2016 wird das Jahr, in dem der Kollege Roboter sichtbarer als je zuvor Einzug in unsere Arbeitswelt hält.

Dass sich das Bewusstsein für Chancen und Gefahren neuer und sich gerade erst entwickelnder IT-Technik in Grenzen hält, liegt einerseits an dem Mütterlein-magst-ruhig-sein-Gefühl, das insbesondere das Fernsehen mit seinem habituellen Ablesen von Wirtschaftserfolgszahlen erzeugt, andererseits an der oft niedlichen Präsentation von Robotern im Kulturbetrieb.

Mal wird, wie letztes Jahr in Berlin, ein Roboter in ein Theaterstück eingebaut, und er wirkt rechtschaffen hilflos. Bei anderer Gelegenheit dürfen Automaten so tun, als spielten sie Fußball, und hinken dem realen Spiel Welten hinterher. In Filmmärchen wie "Star Wars" sind sie vor allem eins: putzig.

"Totale Vernetzung"

Rund 18 Millionen Beschäftigte in Deutschland drohen in naher Zukunft durch Maschinen und Software ersetzt zu werden – so ein Report der ING-DiBa in Frankfurt. Am stärksten betroffen wären Bürokräfte und Sekretärinnen mit 1,9 Millionen Arbeitskräften. Durch automatisierte Abläufe in Lagerhallen und im Transportwesen würden weitere 1,5 Millionen Arbeitsplätze überflüssig.

Andererseits werden Industrieverbände und Unternehmensberater wie Roland Berger nicht müde, den (weltweiten) Sprint in Richtung Industrie 4.0 als eine Herausforderung mit gewaltigen Chancen in ein milderes Licht zu tauchen, oder sagen wir: ein Licht am Ende des Tunnels aufleuchten zu lassen.

Denn am Ende (welchem Ende?) könnten nicht nur viele neue und hochqualifizierte Arbeitsplätze entstanden sein, sondern auch Milliarden und Abermilliarden an industrieller Wertschöpfung. Schöne neue Welt.

Der Verdacht besteht, dass sie schnell veraltet und ihrerseits durch grundstürzende Technologien ersetzt wird. Es existiert keine Haltestelle der Entwicklung. Boxenstopps sind nicht vorgesehen. Warum lohnt es sich nicht, von industrieller Revolution zu sprechen? Weil sie permanent stattfindet.

Am sinnfälligsten wird das im Autoverkehr. Die E-Mobilität, oder sagen wir poetisch: der Weg zu einer Straße der Stille, ist dabei nur ein Aspekt. Bosse wie BMW-Chef Harald Krüger und Mercedes-Chef Dieter Zetsche schwärmen vom Zauberwort connectivity. Wir kennen das längst. Es bedeutet Vernetzung. Ganz ungeniert wird es auch wieder mit dem lange verrufenen Adjektiv "totale" kombiniert. Totale Vernetzung also. Das ist es, worauf wir alle hinarbeiten.

Was in Zukunft zähle, lässt sich Harald Krüger gern zitieren, sei die Fähigkeit des Autos, "Hotelbuchungen vorzunehmen, die letzten zwei Karten für die Oper zu reservieren, weil es weiß, dass Sie gern in die Oper gehen. Und dort geht es dann fahrerlos in die Tiefgarage, weil der BMW sich selbst einen freien Parkplatz sucht."

Vermutlich werden uns die neuen Autos der Jahrgänge 16, 17, 18 in besinnungslose Opernfreaks verwandeln.

Dieter Zetsche schwärmt, der Mercedes der Zukunft kenne "Ihren Arbeitsweg, Ihren Fahrstil, die Termine". Schön für ihn. Was ist, wenn ich mir eine kleine Extratour erlauben möchte? Muss ich um Erlaubnis fragen? Und dreht der Wagen dann durch?

Allein der Fahrersitz, so Zetsche, könne selbstständig etliche Vitaldaten seines Besitzers feststellen, um auf Abweichungen bei Blutdruck und Pulsschlag helfend zu reagieren – mit Licht, Temperatur und Düften. Danke, Dr. Auto!

Ein erster Daimler- Laster, der seinen Fahrer nur noch pro forma mitführt, sorgte 2015 für Aufsehen auf der Autobahn.

In Wuppertal will der US-Autozulieferer Delphi eine Teststrecke (auf der L 418) für "automated driving" belegen. Da "auto" schon dem griechischen Wort für "selbst" entlehnt ist, müsste das selbstfahrende Auto dann wohl AutoAuto genannt werden.

Volvo will haften

Wo jetzt noch ein gelernter Fahrer die Aufsicht führt, dürfte bald ein Roboter zum Zuge kommen. Der kann manche Dinge einfach besser (sprich billiger) als sein Schöpfer.

BMW-Chef Harald Krüger hat, was das selbstständige Fahren von Autos im Alltagsverkehr angeht, noch Bedenken.

"Dafür müssen", erklärt er, "die rechtlichen Rahmenbedingungen eindeutig geklärt sein. Das wird sich noch hinziehen."

Konkurrent Volvo hat in den USA unterdessen verlauten lassen, man würde für jeden Schaden haften, den das AutoAuto infolge eines technischen Fehlers anrichte. Nach ferner Zukunft klingt das nicht.

Und auch die Jagd deutscher Hersteller nach ultragenauen HAD-Karten (HAD = Highly Automated Driving) lässt keinen Zweifel, dass das selbstfahrende Auto vom Zukunftsprojekt zu hoher Dringlichkeit aufgestiegen ist.

Kein Wunder, Google und Apple, die ihrerseits Autos bauen wollen, sind auf diesem Gebiet weiter als die Deutschen.

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