Tiere

Reden Sie mit ihm: Er versteht jedes Wort

Von Detlef Hartlap
Die Sprache des Dschungels: Mogli, Balu und Baghira haben keine Probleme, sich zu verstehen.
Die Sprache des Dschungels: Mogli, Balu und Baghira haben keine Probleme, sich zu verstehen. Fotoquelle: Disney

Nicht nur Konrad Lorenz war der Überzeugung, dass man sich mit Tieren bestens verständigen kann. Der alte Traum vom "Tierfrieden" lebt neuerdings wieder auf.

"Mogli!", brummte Balu, "du hast mit den Bandar-log gesprochen, dem Affenvolke." Bei Mogli handelt es sich, wie jedes Kind weiß, um den Jungen aus dem Dschungel. Als Menschenkind ging er seinen Eltern verloren, als Wolfsjunges wuchs er auf. Balu, der Bär, und Baghira, der Panther, sind seine Freunde. Die drei verstehen sich. Sie palavern in der Sprache des Dschungels untereinander.

Der kleine Mogli, der den drohenden Ton in Balus Stimme wohl vernommen hatte, schielte zu Baghira hinauf, um zu sehen, ob auch der Panther ärgerlich war, und Baghiras Augen blickten grünlich und hart wie Jadestein ...

Eine Frage der Prägung

Die Verständigung zwischen Mensch und Tier wird in den Dschungelbüchern, dem Klassiker von Rudyard Kipling, als eine Frage der Prägung dargestellt. Weil Mogli unter Tieren aufwächst, versteht er sie und sie verstehen ihn.

Andere Menschen, die mit Dschungeltieren in Berührung kommen, müssen nicht nur in sprachlicher Hinsicht außen vor bleiben. Ihnen fehlt die tierische Kinderstube und damit auch der Zugang zu einer Welt, die ihnen ebenso unerbittlich wie unverständlich erscheint.

Eine Grundsehnsucht, tief in unsere Seele eingepflanzt

Dabei gehört die Vorstellung, mit Tieren zu reden wie mit seinesgleichen, zu den ältesten Menschheitsträumen überhaupt. Es handelt sich um eine Grundsehnsucht, tief in unsere Seele eingepflanzt: damals im Reich der Mythologie, als Mensch und Tier noch an einem Strang zogen ..., damals vor der Vertreibung aus dem Paradies ...

Eva und die Schlange haben sich jedenfalls verstanden. Auch auf Noahs Arche muss die Kommunikation funktioniert haben, sonst hätten Mensch und Tier die Sintflut nicht überstanden.

Der Philosoph Platon (428–347 v.™Chr.) sieht das "Goldene Zeitalter" undatiert in den Tiefen einer versunkenen Epoche, in der Kronos die Welt lenkte und das Leben vollkommen war. Man kannte weder Krieg noch Zwiespalt, und die sprachliche Verständigung zwischen Tier und Mensch klappte bestens. Die Menschen verzehrten kein Fleisch, es herrschte "Tierfrieden" auf Erden.

"Das ist die Anmaßung des Menschen"

Der französische Philosoph Michel de Montaigne (1533–1592) beschrieb das Schweigen der Tiere als Folge menschlicher Arroganz. Denn natürlich seien Tiere mit ihren reichen geistigen Kräften in der Lage zu sprechen, man möge nur mal richtig hinhören: "Das ist die Anmaßung des Menschen, der sich auf einer Stufe mit Gott wähnt: Sie hebt ihn empor und trennt ihn von der Masse anderer Geschöpfe."

Hat sich da was verändert? Ausgerechnet in dem gerade in Mode kommenden "Zeitalter des Anthropozäns", in dem alles auf Erden menschengemacht scheint, selbst das Wetter, sind viele Menschen interessiert, mit Tieren ins Gespräch zu kommen – oder wenigstens besser zu verstehen, wie sie ticken.

Was quasseln Kühe auf der Weide den Tag über? Was will uns der Guppy sagen, wenn er im Vorbeischwimmen aus dem Aquarium äugt? Was kreischen sich die Möwen hoch oben an der Felsenklippe zu?

Wer immer einen direkten Draht zum Wesen der Tiere zu haben scheint, wird wie ein Popstar verehrt.

Monty Roberts ist der Urtyp des Pferdeflüsterers

So der Halbindianer Monty Roberts, der durch Deutschland tingelte, um widerspenstige Zossen reihenweise in lammfromme Hottehüs zu verwandeln. Monty Roberts (heute 79) ist der Urtyp des Pferdeflüsterers. Seither flüstert es in allen Tierarten, besonders bei Hunden.

Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz (1903–1989) riet Hundehaltern, die sich als schwächeres Glied an der Leine empfanden: "Reden Sie mit Ihrem Hund! Er versteht jedes Wort."

Da könnte was dran sein. Wer einmal Hundeschlittenführer ("Musher") bei der Arbeit beobachtet hat, wie sie ein Gespann nur mit Worten dirigieren und welche Signale ihnen umgekehrt das Gespann sendet, ist geneigt, Lorenz zu glauben.

Ob auch Loriot zu glauben ist?

Ob auch Loriot zu glauben ist? In einem berühmten Sketch präsentiert er Dr. Sommer und seinen Hund Bello. Dr. Sommer hat den Hund vier Jahre lang acht Stunden täglich unterrichtet, ihm "durch langsames Vorsprechen, Zungenübungen und intensive Atemtechnik" das Reden beigebracht.

Ein Reporter will es nun wissen: Bello möge doch mal "irgendwas Nettes, Normales" sagen. Darauf Dr. Sommer: "Bello, sag mal: Otto holt große, rote Rosen."

Der Hund: "Hoho, ho, hoho, hoho ..."

Reporter: "Man muss schon sehr genau hinhören."

Dr. Sommer: "Botanische Themen liegen ihm nicht so ..."

Die Verständigung von Mensch und Tier bleibt heikel.

Das könnte Sie auch interessieren