In der Jungsteinzeit erlebte die Menschheit eine neue Morgenröte. In Bonn erfährt man, warum das so war.
Es beginnt, sich einzubürgern, von einem "anthropozentrischen Zeitalter" zu sprechen. Ob zu Recht oder nicht, gemeint ist eine Epoche, in der die Erde von der Kraft des Menschen gestaltet wird und weniger von den Gewalten der Natur.
In einer großartigen Ausstellung im LVR Landesmuseum Bonn kann besichtigt werden, wann dieser Wechsel in Lebensform und Umweltgestaltung seinen Anfang nahm: vor 8500 Jahren im sogenannten "Fruchtbaren Halbmond", der im weiten Bogen von Mesopotamien über Anatolien bis ins südlichste Palästina reicht.
Es war dies eine Zeit, in der die Sonne für den Menschen noch einmal neu aufging. Wissenschaftlich heißt die Epoche "Neolithikum", Jungsteinzeit. Der Neuanfang war einschneidend. Nach einer Formulierung des australischen Archäologen V. G. Childe spricht man von der "neolithischen Revolution".
Was aber war so revolutionär? Stimmt der Begriff überhaupt?
Erstens, der Mensch entwickelte sich vom Jäger zum Bauern, vom Steppenwanderer zum Städter. Lebte er vorher als Teil eines in der Erdenweite versprengten Clans, wurde er nun zum Massenwesen. Kurzum, nach Jahrtausenden des Jagens, Sammelns und Weiterziehens fand der Mensch Anlass, sich um Ackerbau und Viehzucht zu kümmern und sich auf fester Scholle niederzulassen. Dörfer entstanden, die zu Städten wuchsen; Städte wuchsen zu Zentren für das Umland. Das erwies sich als praktisch, weniger gefährlich als die Jagd, führte zur Spezialisierung der Tätigkeiten, zu Aufgabenteilung und Reichtum.
Und es führte zu einer höheren Zahl Menschen. Die umherstreifenden Jäger hatten sich und ihre Gruppe mit höchstens einem Säugling pro Frau belastet; mehr konnte nicht getragen werden. Mit der Sesshaftigkeit endete die Geburtenbeschränkung.
Revolution der falsche Begriff
Zweitens, die Revolution. Für eine Entwicklung, die sich über Jahrtausende hinzog und zudem unabhängig voneinander in den unterschiedlichsten Weltgegenden einsetzte (neben dem Fruchtbaren Halbmond auch in den Anden, in China und Äthiopien), ist Revolution der falsche Begriff. Da ist Herrn Childe die Fantasie durchgegangen.
Vom Effekt her bleiben die Veränderungen gleichwohl beeindruckend. In einer langen Folge von Versuch und Irrtum wurden Wildpflanzen (Gerste, Hafer) kultiviert und Wildtiere domestiziert. Das Aufkommen von Keramik begünstigte die Vorratswirtschaft.
Im Rheinland bahnte sich der Wechsel vom Nahrungssammler zum Nahrungsproduzenten wohl erst lange nach dem im Orient an, um ca. 5200 v. Chr.
Himmelsscheibe von Nebra
Wer zu spät kam, wurde aber nicht bestraft. Das jungsteinzeitliche Symbol schlechthin, Stonehenge im heutigen England, wurde erst um 2600 v. Chr. in Angriff genommen. Stonehenge ist zudem ein Hinweis auf die Faszination, welche die Sterne auf den neuen Menschen ausübten. Ihre Verlässlichkeit diente als Hilfsmittel für den Ackerbau; so entstand auch die Himmelsscheibe von Nebra, um ca. 3700 v. Chr.
In Bonn wurde die Archäologische Landesaustellung NRW mit der Jungsteinzeit vereint. Sie führt in ungleich fernere Vergangenheiten, u. a. in den 390 Millionen Jahre alten Wald von Lindlar, den wohl ältesten seiner Art auf Erden.