25.03.2024 Terra X

„Natur macht mich glücklich“

Von Sarah Hegemann
Hannah Emde reist für das ZDF-Format „Terra X: Faszination Erde" um die Welt.
Hannah Emde reist für das ZDF-Format „Terra X: Faszination Erde" um die Welt. Fotoquelle: ZDF / TerraX / OLIVER ROETZ

Wildtierärztin und Artenschützerin Hannah Emde geht ab April für das ZDF-Format „Terra X: Faszination Erde" auf Entdeckungsreise.

Wollten Sie schon immer Tierärztin werden?

Hannah Emde: Tatsächlich ja. Ich habe das schon als Kind in jedes Freunde-Buch geschrieben, auch wenn das in dem Alter natürlich viele Mädchen wollen. Ich war oft mit meinem Dackel beim Tierarzt, habe aber gemerkt, dass mich wilde Tiere noch mehr interessieren als unsere Haustiere. Mir war schon immer wichtig, dass wir nicht nur Tiere schützen, sondern zugleich auch die Natur, die sie umgibt.

Was ist das Besondere, wenn man sich um Wildtiere kümmert?

Der größte Unterschied ist wohl der, dass man sich in einer normalen Tierarztpraxis um ein krankes Tier kümmert, das wieder gesund werden soll. Als Wildtierärztin habe ich aber keinen kranken Orang-Utan, um den ich mich kümmere. Stattdessen steht die Gesundheit der gesamten Population im Mittelpunkt, man betrachtet ihren Lebensraum und schaut, wie dieser zusammen mit uns Menschen funktionieren kann. Erst dann können wir von einem intakten Ökosystem sprechen.

Haben Sie in Ihrem Tiermedizin-Studium viel über den Umgang mit Wildtieren gelernt oder mussten Sie sich das Wissen selbst aneignen?

Im Studium habe ich ganz klassisch mit Haus- und Nutztieren zu tun gehabt. Deshalb habe ich mich intensiv nach Praktika für die Semesterferien umgesehen, zum Beispiel bei den Aushängen am Schwarzen Brett. Im zweiten Semester ging es für mich nach Madagaskar, wo ich helfen durfte, wilde Lemuren zu untersuchen und zu besendern. Ein anderer Auslandsaufenthalt war auf Borneo, wo ich Nasenaffen und Nebelpardern begegnet bin. Viele Fähigkeiten im Umgang mit Wildtieren habe ich während dieser Einsätze gelernt.

2017 haben Sie eine NGO gegründet, die sich dem Artenschutz widmet. Gab es dafür einen Auslöser?

Ich habe während meiner Arbeit mit Wildtieren im Ausland gemerkt, wie wichtig dieser „One-Health-Gedanke“ ist: Menschen, Tiere, Umwelt – das hängt alles ganz eng zusammen. Wenn es den Tieren und ihrem Lebensraum gut geht, geht es auch uns gut. Den Verein Nepada Wildlife habe ich zusammen mit einem Team aus Fachleuten gegründet, um auch anderen die Möglichkeit zu geben, sich zu engagieren. Wir wollen unseren Erfahrungsschatz weitergeben und sowohl Schülern als auch Erwachsenen unsere Arbeit näherbringen. Dafür gehen wir zum einen in Schulen, nutzen zum anderen aber auch die Möglichkeiten von Social Media.

Wie erreicht man denn Erwachsene gut?

Das schafft man beispielsweise über so tolle Formate wie Terra X.

Sie sind ab April das neue Gesicht von „Terra X: Faszination Erde“. Wie kam es dazu?

Ich muss sagen, dass ich mit der Anfrage gar nicht gerechnet habe. Es war nicht mein Ziel, ins Fernsehen zu kommen. Aber ich freue mich natürlich sehr darüber, denn das Format zeigt beeindruckend die Schönheit der Natur und der Tiere. Man schützt bekanntlich nur das, was man liebt. Daher ist es ein tolles Medium, um entlegene Orte der Welt zu präsentieren und zu erklären, was das alles eigentlich mit uns zu tun hat.

Wer entscheidet, an welchen Orten gedreht wird?

Das entscheiden wir, also die Redaktion von „Terra X: Faszination Erde” und ich, gemeinsam. Wir schauen uns an, welche Destinationen spannend sind und wo wir vielleicht schon vor Ort ein Netzwerk haben. Dann werden die genauen Drehorte besprochen. Es ist ein großes Privileg, dass ich da mitreden kann.

Die ersten drei neuen Folgen entführen auf die Galapagos Inseln, nach Thailand und Gabun. Waren das Ihre Favoriten?

Von den Galapagos Inseln träume ich, seit ich klein bin. Ich glaube, sie sind jedem durch Darwins Evolutionstheorie ein Begriff. Ich war acht Tage auf einem Forschungsschiff und habe Blaufußtölpel, Orcas und Riesenschildkröten gesehen – einfach der Wahnsinn. Der Aufenthalt in Gabun war genauso großartig. Zusammen mit Schimpansen-Forschern mitten im Regenwald, während der Regen aufs Blätterdach tropft … da fühle ich mich einfach zu Hause!

Die Einsätze sind ja doch recht kurz. Haben Sie da manchmal den Wunsch, länger zu bleiben?

Das ist tatsächlich neu für mich. Früher war ich immer ein bis drei Monate vor Ort. Zum Teil hat es ewig lange gedauert, bis ich die Tiere zu Gesicht bekommen habe. Die vielen Erlebnisse in so kurzer Zeit sind für mich etwas ganz Neues, und ich habe auch bei meiner Rückkehr gemerkt, dass ich das erst einmal alles verarbeiten muss.

Gibt es Orte oder auch Tiere, die Sie für Terra X gerne sehen würden?

Ich war zwar schon in Guatemala – darüber schreibe ich auch in meinem neuen Buch „Nachtschicht mit Aras“ –, aber ich fände es toll, die Forschenden vor Ort noch einmal filmisch begleiten und ihnen eine Bühne geben zu können. Was Tiere angeht: Der Sunda-Nebelparder, nach dem auch mein Artenschutz-Verein benannt ist, ist mein absolutes Lieblingstier. Seine Fellzeichnung erinnert an Wolken. Ich habe ihn zum Glück schon in freier Wildbahn gesehen, auch wenn es nur noch sehr wenige Exemplare dieser Art gibt. Davon eins vor die Kamera zu kriegen, wäre natürlich ein Highlight.

Wie kann man sich Ihre Arbeit als Wildtierärztin eigentlich vorstellen?

Das ist ganz spannend. Die meisten denken, dass nur Zoologinnen oder Biologen die Forschungsarbeit leisten. Aber wenn beispielsweise untersucht werden soll, welche Krankheitserreger eine Wildkatze in sich trägt, deren Lebensraum durch die Abholzung des Regenwaldes immer näher an den der Menschen rückt, kommen Tierärzte ins Spiel. Wir legen die Tiere in Narkose und nehmen Proben. In Madagaskar haben wir die Betäubung der Lemuren geübt, in dem wir mit dem Blasrohr auf Kuscheltiere in den Bäumen gezielt haben.

Sie arbeiten mit Riesenschildkröten und Elefanten. Ein etwas anderes Kaliber als das, was einem im klassischen Tiermedizin-Studium begegnet. Wie geht man damit um?

Ich begegne jedem Tier mit Respekt. Es wird nicht angefasst, denn Tiere können Krankheiten übertragen oder beißen. Zumal das auch nicht gut fürs Tier ist. In Thailand bin ich ehemaligen Arbeitselefanten begegnet, und es war ein richtig krasses Gefühl, zu merken, wie ich mit der Leiterin der Einrichtung von den Elefanten in die Herde aufgenommen wurde. Ich saß unter ihren Beinen – der sicherste Ort in so einer Herde. Das ist schon verrückt, wenn man bedenkt, dass diese Tiere einen problemlos zermalmen könnten. Man lernt recht schnell, dass man sich an Regeln halten und den Tieren Vertrauen entgegenbringen muss. Welche Tiere ich nicht so ganz mag, sind Spinnen. Aber das ist eher mein Problem (lacht). Im Dschungel sind mir eine Reihe Handtellergroße Exemplare begegnet, morgens war auf meinem Moskitonetz gerne mal eine Vogelspinne. Damit muss ich klarkommen.

Ist es manchmal frustrierend, sich für den Artenschutz einzusetzen, wenn man die Schlagzeilen zum Klimawandel verfolgt?

Das Thema Klima ist zum Glück in aller Munde, Biodiversität hingegen nicht. Das ist schon allein so ein sperriges Wort, aber wir sind extrem abhängig davon. Artensterben und Verlust von intakten Lebensräumen betrifft uns alle. Es frustriert einen selbstverständlich, wenn man einen Vortrag hält und die Zuhörer davon noch nichts gehört haben. Genauso frustrierend ist es, wenn man bei einem Einsatz im Regenwald hört, dass schon wieder eine Waldfläche verkauft und abgeholzt wird. Was mir wiederum sehr viel Hoffnung gibt, sind die vielen Leute, die sich engagieren. Gerade Kinder und Jugendliche geben mir oft das Gefühl, dass sie etwas bewegen und sich für ihre Umwelt und ihre Zukunft einsetzen wollen. Das wiegt für mich stärker als negative Schlagzeilen in den Medien.

Hätten Sie sich durch die Corona-Jahre ein größeres Umdenken erhofft?

Corona war ja wirklich ein Weckruf, was die Gefahr durch Zoonosen angeht. Wir Veterinärmediziner haben schon lange vorher davor gewarnt. Leider war dieses Bewusstsein für die Gefahr, die von tierischen Krankheitserregern für uns ausgeht, wohl nur von kurzer Dauer. Zumindest bekomme ich den Eindruck, wenn ich mir Bilder in den sozialen Medien ansehe. Da posieren Leute wieder munter mit Affen und machen Selfies ohne Abstand. Zu Beginn der Corona-Krise wurde zudem viel über Wilderei gesprochen, als die Grenzen plötzlich dicht und Schutzprojekte und Reservate sich selbst überlassen waren. Auch da ist der Fokus wieder verschwunden. Wie kann einem so etwas egal sein?

Um auf das Thema Artenschutz aufmerksam zu machen, muss man eigentlich nicht in Ferne schweifen. Könnten Sie sich auch eine Terra X-Folge in Deutschland vorstellen?

Deutschland hat tolle Landschaften wie Moore, Feuchtgebiete oder das artenreiche Wattenmeer mit zahlreichen Vögeln. Und es gibt auch schon Folgen “Terra X: Faszination Deutschland” mit meiner Kollegin Jasmina Neudecker. „Terra X: Faszination Erde“ jedoch widmet sich fremden Welten und nimmt auch andere Kulturen in den Fokus. Doch ich muss nicht unbedingt reisen. Natur ist das, was mich glücklich macht, der Ort ist dabei egal.

  • Terra X: Faszination Erde
  • ab 7. April sonntags um 19.30 Uhr im ZDF
  • alle drei Folgen ab Mittwoch, 3. April, in der ZDF-Mediathek

Mehr zu Hannah Emde, ihrem neuen Buch und ihrer Artenschutz-Arbeit unter www.hannahemde.com und www.nepadawild.life

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