Knifflig: die Frage nach Bewusstsein & Seele bei Affen, Hunden und Katzen.
Für einen Tierfreund wie dich und mich, also für normale Hunde- oder Katzenbesitzer, stellt sich die Frage nicht. Haben Tiere ein Bewusstsein? Klar, haben sie. Sieht man doch, spürt man doch.
Wenn ich meinem Ollie, das ist ein circa vier Jahre alter Terriermischling, sage, wir gehen gleich unsere Runde, aber erst will ich noch "Soko Leipzig" zu Ende gucken, dann weiß er, dass er sich noch gedulden muss.
Und wenn unsere Sigrid, das ist die Katze meiner Frau, ein erbeutetes Mäuschen vor die Terrassentür legt, dann tut sie das aus Dankbarkeit.
Menschen und ihr Verhältnis zum Tier, mal überschäumend vor Liebe, mal kalt bis zur Grausamkeit. Vom Mops im Bett bis zum Schweinebraten aus der Massentierhaltung. Der Mops hat eine Seele, keine Frage. Das Schwein nicht?
Im Mittelalter gab es eine Zeit, da standen Tiere mit dem Menschen auf einer Stufe, zumindest juristisch. Der kläffende Köter, der den Träger einer Sänfte angesprungen und mitsamt Kundschaft umgeworfen hatte, wurde vor Gericht gestellt und ganz gewiss bestraft. Selbst Flöhe wurden abgeurteilt.
Im 17. Jahrhundert schuf der Philosoph Descartes das Konstrukt des gefühllosen Tieres. Anders als der Mensch könnten die zum Denken unfähigen Tiere bestenfalls „halbe Seelen“ haben, und eine halbe Seele sei so gut wie keine. Meinte Descartes.
Diese Einstellung aus den Urgründen des Aufklärungszeit alters hatte weitreichende Folgen bis hin zum heutigen Exzess der Geflügelfabriken.
Tierisch oder tierlich?
Es waren Verhaltensforscher wie Volker Sommer (Universität London) oder der Amerikaner Mark Bekoff, die mit diesen irrigen, aber praktischen Vorstellungen aufräumten. Schwer genug. Denn Wissenschaft verlangt andere Beweise als die von einer vermeintlich dankbaren Katze nach Hause gebrachten toten Maus. Eisern stand das von Tierforschern wie Nikolaus Tinbergen und Konrad Lorenz postulierte Dogma, wonach tierisches (oder tierliches?) Verhalten ausschließlich durch angeborene Programme bestimmt sei.
In seinem Buch "Das emotionale Leben der Tiere" führt Bekoff vor allem Beobachtungen an Hunden und Eichhörnchen ins Feld, die einen anderen Schluss als den auf intensive Gefühle von Tieren nicht zulassen.
Auch der niederländische Primatologe Frans de Waal schildert in seinem neuen Buch, wie sehr etwa Schimpansen und Bonobos leiden, wenn sie merken, dass ihnen nahestehende Artgenossen schlecht behandelt werden. Tiere, sagt Frans de Waal, sind empathiefähig.
Für die meisten Wissenschaftler galt indes die "morgansche Regel". Der Psychologe C. L. Morgan vertrat die Ansicht: "Führe Verhalten nicht auf höhere seelische Fähigkeiten zurück, wenn es als Resultat niederer Fähigkeiten gedeutet werden kann."
Heißt, vor Vermenschlichungen (wie wir Hunde- und Katzenhalter sie gern anstellen) sei gewarnt. Ebenso vor Anekdoten (von denen jeder eine Menge zu erzählen weiß) und vorschnellen Vergleichen. Tiere bleiben tierisch und sind nicht tierlich.
Ein vernichtender Satz
Genau das ist auch die Einstellung von Helen Macdonald, Autorin des erfolgreichsten Tierbuches der Saison "H wie Habicht". Sie lebte allein mit Mabel, einem wilden, später halbzahmen Habicht und kommt zu dem Schluss: "Wir sollten ihre (der Tiere) Unmenschlichkeit zu schätzen wissen, weil das, was sie tun, nichts mit uns zu tun hat."
Ein vernichtender Satz für uns gewöhnliche Tierfreunde. Schlimmer noch: Viele Tierlaute gelten Wissenschaftlern als reine Trickserei. Besonders Katzen und Hunde lernen, Menschenbabys grob zu imitieren, weil sie sich davon Belohnung versprechen.
Andererseits hat Jane Goodall, die Affenforscherin, nachgewiesen: Schimpansen stellen Werkzeug her. Das war bis dahin der Rubicon: hier Mensch, dort Tier.
Frans de Waal weist nach, dass Schimpansen und Bonobos nicht nur empathisch, sondern auch moralisch handeln. Er folgert, moralische Prinzipien seien nicht erst mit den Zehn Geboten vom Himmel gefallen.
Noch besser ist das Argument von Volker Sommer: Jahrmillionen lagen Affen und Menschen auf einer Entwicklungslinie. Unwahrscheinlich, dass sich das Bewusstsein erst am vorläufigen Ende dieser Linie, im Menschenzeitalter, entwickelt haben soll. Tiere haben eine Seele! Und wir normale Tierfreunde haben recht. Oder?