24.03.2023 TV-Krimi des ZDF

Ein Duo ermittelt intern

Von Felix Förster
Clarissa Jakobs (Samia Chancrin) und Joseph Kanjaa (Michael Klammer) sind korrupten Kollegen auf der Spur.
Clarissa Jakobs (Samia Chancrin) und Joseph Kanjaa (Michael Klammer) sind korrupten Kollegen auf der Spur. Fotoquelle: ZDF / Frank Dicks

„Unbestechlich“ ist Samia Chancrin als toughe Polizistin im gleichnamigen TV-Krimi, den das ZDF am Montag, 27. März, um 20.15 Uhr zeigt. Im Interview mit prisma spricht sie über ihre Rolle der Clarissa Jakobs und vom Dreh mit John Malkovich.

Frau Chancrin, „Unbestechlich“ ist ein harter Cop-Thriller, der sich mit Bestechlichkeit und Korruption innerhalb der Polizei befasst. Wie kamen Sie mit dem Projekt in Berührung?

Samia Chancrin: Auf dem ganz normalen Weg über ein Casting, das habe ich gemacht, und dann die Rolle bekommen.

Michael Klammer und Sie bilden ein sehr unterschiedliches, aber starkes Team, Sie spielen ein Team Duo von Internen Ermittlern. Die Chemie zwischen Ihnen stimmt wie auch die Interaktion untereinander. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm? Kannten Sie sich schon vorher?

Samia Chancrin: Wir kannten uns schon, denn wir sind aus der Theaterwelt und haben beide unseren Weg in Salzburg begonnen. Dann war er lange Jahre am Maxim-Gorki-Theater in Berlin, wo ich wohne, und ist jetzt in Basel engagiert, wo ich auch ganz viele Leute kenne und liebe (lacht).

Die Rolle, die Sie verkörpern, wirkt tough, findet sich jedoch in einer für sie unbefriedigenden Situation wieder und muss sich quasi bewähren. Wie ist die Figur angelegt? Wieviel war vorgegeben, wieviel stammt von Ihnen selbst?

Samia Chancrin: Die grobe Vorgeschichte von Clarissa Jakobs ist vorgegeben. Was diese Erfahrungen mit ihr emotional machen, kommt natürlich von mir. In ihrer Vorgeschichte wird erzählt, dass sie beim BKA auf einem sehr hohen Posten war und Kriegsverbrecher auf dem Balkan verfolgt hat. Innerhalb dieses internationalen Teams ist sie jedoch in Misskredit gefallen, wobei nicht vollständig geklärt wird, was da genau vorgefallen ist.

Joseph Kanjaa, der von Michael Klammer verkörpert wird, und Clarissa Jakobs, die Sie spielen, müssen sich zusammenraufen und sind von Anfang an mit Misstrauen und fehlender Akzeptanz konfrontiert. Wie haben Sie sich auf die Rolle als Interne Ermittlerin vorbereitet?

Samia Chancrin: Michael und ich haben uns mit zwei Polizisten getroffen und hatten eine allgemeine Schulung, zum Thema Polizeiarbeit. Wir haben die Ermittler natürlich viel gefragt, wie da die Stimmung ist, wie fühlt es sich an, in dieser Abteilung zu arbeiten, wird man als interner Ermittler abgelehnt? Die Polizisten haben uns ganz viel darüber erzählt, wovon wir einiges übernehmen konnten. Auf die Rolle habe ich mich selbst dann vorbereitet, indem ich mir Fragen zu Clarissa gestellt habe: Woher kommt sie? Wie geht es ihr in ihrer aktuellen Lebenssituation? Wie sind ihre freundschaftlichen Beziehungen? Also alles, was man nicht sieht. Ihr ganzes Leben ist ja der Hintergrund der Figur.

Haben die Polizisten erzählt, ob es denn wirklich so ist, dass interne Ermittler so einen schweren Stand innerhalb der Polizei haben?

Samia Chancrin: Die Polizisten, die uns geschult haben, sagten, dass es natürlich extrem auf die Situation ankommt. Aber wir wissen aus unseren Jobs ja auch: Es ist immer unangenehm, wenn man weiß, da ist jetzt jemand da, der mir auf die Finger guckt. Selbst wenn man denkt, ich mach alles richtig, ist das ein komisches Gefühl. Die Polizei ist natürlich extrem auf Loyalität angewiesen, das bestimmt ja faktisch auf der Straße das Überleben der Polizisten. Dieses Gefühl, dass diese Loyalität dann eventuell wegfällt, kann schon zu Grenzsituationen führen. Obwohl eine interne Ermittlung ja nicht unbedingt etwas Negatives sein muss, denn letztlich versucht man ja einfach nur, die Polizei integer zu halten. Trotzdem ist das Gefühl für die Beteiligten sehr gemischt.

Was macht den Beruf eines Polizisten für Sie aus?

Samia Chancrin: Das kommt darauf an, auf welchem Posten der Polizist unterwegs ist. Ich kenne in meinem Umfeld einige Streifenpolizist, die haben mir gesagt, es wäre am Anfang sehr ernüchternd, weil man immer erst dann dazu kommt, wenn schon etwas passiert ist. Eine Partei ist immer gegen einen. Irgendwer möchte immer, dass man nicht da ist. Und dieses Gefühl von „Freund und Helfer“, das junge Polizist während der Ausbildung natürlich noch haben, ist vor allem in Berlin nicht immer das, was man im Alltag erlebt. Ich glaube, je differenzierter man als Polizist arbeitet, wenn man Fälle aufklärt, desto differenzierter ist das Erleben. Es kommt darauf an, in welcher Abteilung man arbeitet. Ich hege eine große Bewunderung für die Polizei, auch wenn ich weiß, dass es eben auch strukturelle Probleme gibt.

Die kriminellen Polizisten werden in „Unbestechlich“ zumindest teilweise menschlich dargestellt, mit eigenen Problemen, die sie in die Kriminalität treiben. Dadurch wird eine reine Schwarz-Weiß-Malerei vermieden. Wie sehen Sie diesen Ansatz?

Samia Chancrin: Ich glaube sowieso nicht, dass es per se gute oder böse Menschen gibt. Interessant ist, dass unserem Fall ein wirklicher Fall zugrunde liegt, der sogar etwas massiver war. Der war vielleicht sogar zu massiv, um ihn eins zu eins darzustellen, weil man die Polizei natürlich auch nicht schwächen möchte. Deswegen geht man vielleicht in so einem Film nicht direkt in die krassesten Fälle hinein, wo man denkt „Oh Gott, was passiert denn hier?“ Die Polizei hat eh schon genug Vertrauensprobleme.

Es ist aber schon interessant, dass die Realität manchmal weitaus heftiger ist, als das, was in Filmen dargestellt wird. Das glaubt man als Zuschauer erst einmal gar nicht.

Samia Chancrin: Es ist ja auch ein großer Unterschied, ob man etwas in den Nachrichten liest, oder verfilmt sieht. Deutschland ist nicht frei von Korruption, und die Polizei hat – wie schon angesprochen – durchaus strukturelle Probleme, aber natürlich sind davon nicht alle betroffen. Ganz viele machen einen tollen Job. Und wenn wir jetzt ein Brennglas auf ein Problem legen, müssen wir sehr vorsichtig sein, um nicht denen, die da auf der Straße einen tollen Job machen, das Leben noch schwerer zu machen. Dementsprechend finde ich es auch gut, dass da die menschliche Komponente gezeigt wird. Ganz abgesehen davon bin ich ein absoluter Fan von Maja Schöne, die eine korrupte Polizistin spielt.

Sind weitere Folgen geplant?

Samia Chancrin: Ich persönlich hätte große Lust, sowohl Clarissa als auch Joseph noch genauer kennenzulernen. Und ich finde, dass die Abteilung für Interne Ermittlungen eine Menge Potential birgt.

Sie sind neben der Schauspielerei auch Regisseurin, wie ist das für Sie, dann unter anderen Regisseuren zu arbeiten?

Samia Chancrin: Dass ich selbst Regie führe, ändert insofern etwas, als dass ich manchmal ein größeres Verständnis für Regisseur habe. Weil ich weiß, wie absurd einsam dieser Posten ist. Natürlich hat man sein Team, doch man selbst setzt den Ton fest, schafft den Raum, in dem etwas entsteht oder zerbricht, und das ist eine große Herausforderung, ein großer Druck. Man ist allein auf dem Posten, das ist ein erstaunliches Gefühl. Mein erstes Mal liegt jetzt auch schon zwölf Jahre zurück. Ich führe bisher nur im Theater Regie.

Was heißt „nur“? Das ist garantiert nicht weniger Verantwortung.

Samia Chancrin: Dann sage ich besser „ausschließlich“. Bis jetzt. Das möchte ich bald ändern. Nein, da haben Sie Recht, und ich war wirklich erstaunt wie groß, weil allein Schauspiel schon so eine Riesenherausforderung ist.

Neben „Unbestechlich“ standen Sie auch für den Film „Seneca – Über die Geburt von Erdbeben“ von Robert Schwentke vor der Kamera, der einen außergewöhnliche Besetzung hat, unter anderem mit John Malkovich. Wie war diese Erfahrung für Sie? Haben Sie mit ihm selbst auch gedreht?

Samia Chancrin: Ja, drei Wochen, jeden Tag (lacht und seufzt). Das war eines der größten Geschenke, die ich in meinem Leben bekommen habe. Es ist unvorstellbar, ich meine, ich liebe John Malkovich, seit ich Jugendliche war, seit „Gefährliche Liebschaften“ ist er einer meiner Lieblingsschauspieler. Ihm dann zu begegnen, ihm beim Arbeiten zugucken zu dürfen, war wie eine dreiwöchige „Master Class“. Und mit einer meiner liebsten Freundinnen Annika Meier spielen zu dürfen, und mit der umwerfenden Lilith Stangenberg. Und Geraldine Chaplin zu treffen, Julian Sands hat meinen Ehemann gespielt. Das ist natürlich gerade sehr schockierend (Sands wird seit Ende Januar vermisst, er war auf einer Wanderung nördlich von Los Angeles unterwegs als er spurlos verschwand, Anm. der Redaktion). Der Film hat bei der Berlinale Premiere und wird am 23. März in die Kinos kommen.

Was steht in Zukunft noch für Sie an?

Samia Chancrin: Bei Paramount + läuft die Serie „Der Scheich“ von Dani Levy, da spielen ganz tolle Kolleg mit: Björn Meyer, Petra Schmidt-Schaller und Carol Schuler spielen die Hauptrollen. Das ist eine tolle Serie, sehr mutig, mal lustig, mal dramatisch. Die Serie bedient sich eines Tricks, den ich sehr mag: Die Zuschauer wissen immer alles. Das führt zu sehr witzigen Seh-Erlebnissen, wenn man denkt „Nein, mach das jetzt nicht“ oder „Los, jetzt“.

Also irgendwie interaktiv?

Samia Chancrin: Na ja, emotional-interaktiv (lacht). Die Serie steht unter dem Motto „Basierend auf wahren Lügen“.

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