Telefonaktion

Zuschüsse fürs Atemholen

Expertenrat: Hilfe für die Pflege.
Expertenrat: Hilfe für die Pflege. Fotoquelle: shutterstock.com

Drei Experten am Telefon, unendlich viele Fragen: prisma-Leser suchen Rat für den Umgang mit dem Geflecht der Pflegestufen.

Es ist da und doch noch nicht so ganz: das Pflegestärkungsgesetz, Teil 1. Seit dem 1. Januar dieses Jahres stehen für Pflegebedürftige und Behinderte insgesamt 2,4 Milliarden Euro an Leistungsverbesserungen zur Verfügung. Darunter zum Beispiel 4000 Euro Zuschüsse für barrierefreien Wohnungsumbau oder den Einbau eines Treppenlifts, damit das altgewohnte Haus auch weiterhin zur Gänze bewohnt werden kann.

Aber auch außerhalb von Haus und Wohnung, etwa in Pflegeheimen, soll das Pflegestärkungsgesetz für Erleichterung sorgen. Es sieht den Einsatz von 20.000 zusätzlichen Betreuungskräften vor.

Klingt gut. Doch wird es im Einzelfall schwer zu erleben, ob die neue Kraft nun gerade der eigenen Mutter zugutekommt. Die Betreuung in vielen Pflegeheimen fällt unter der Woche recht unterschiedlich aus. Kommt Besuch, ist alles bestens. An gewöhnlichen Tagen aber fühlen sich viele Patienten im Stich gelassen.

Woher wir das wissen? prisma veranstaltete eine Telefonaktion zum Thema. Und insbesondere bei Catharina Hansen von der Verbraucherzentrale NRW manifestierte sich der Eindruck: "Viele Patienten haben das Gefühl, dass mit ihrer Pflege alles bestens ist, sobald die Verwandten zu Besuch kommen. Gehen sie wieder, schaltet das Pflegeheim eine Stufe runter."

Neben Catharina Hansen saßen Corinna Vattersen vom Treppenliftanbieter Lifta und Ulrich Pannen von der Gesundheitskasse AOK Rheinland/Hamburg am Telefon.

Allgemeines Fazit: Es gibt ein Antragsproblem. Dieses Problem hat seine Ursache in äußerst schleppenden Antragsbewilligungen. Das wiederum könnte seine Ursache in der oft nicht hinreichenden Besetzung vieler Krankenkassen haben. Das Gesetz wurde eingeführt, aber die Personaldecke nicht erweitert.

Beispiele: Frau L. aus O. ruft an, weil sie unter den Spätfolgen einer Blutvergiftung leidet. Wie kommt sie in eine Pflegestufe?

Antwort: Bei Pflegekasse anrufen, Pflegeberatung beantragen, eventuell Hilfestellung beim Antrag auf Pflegestufe erbitten (Rechtsanspruch: Paragraph 7a SGB XI).

Frau H. aus N. ruft an, weil ihre Mutter, 90 Jahre alt, eine Oberschenkelfraktur erlitten hat. Bisher benötigte sie keine Hilfe, jetzt aber klappt es nicht mehr mit dem Putzen, Einkaufen usw. Die Tochter gelangt an ihre Grenzen, was tun?

Antwort: Pflegeberatung ins Haus bitten (Antrag dazu beispielsweise bei der AOK); gemeinsam Pflegeantrag stellen und die künftige Versorgung gemeinsam planen.

Frau V. aus D. hat eine demenzkranke Mutter, die am Rollator geht. Eine Rampe von der Küche zum Bad wäre dringend notwendig. Was tun?

Antwort: Bei Pflegekasse Zuschuss zu wohnumfeldverbessernder Maßnahme stellen. Pflegekasse zahlt bis zu 4000 Euro dazu.

Herr L. aus L. fragt, was er tun muss, um Leistungen aus der neuen Pflegestufe 0 zu bekommen.

Antwort: Um Leistungen der Pflegestufe 0 zu bekommen, muss man in seiner Alltagskompetenz eingeschränkt sein und einen erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung haben. Das gilt insbesondere für folgende Bereiche: Beeinträchtigung des Gedächtnisses und/oder herabgesetztes Urteilsvermögen; unkontrolliertes emotionales Verhalten und/oder ständige starke Niedergeschlagenheit; unkontrolliertes Verlassen der Wohnung; stark nachlassendes Einschätzungsvermögen für gefährliches Situationen.

Daran schließt die Frage von Frau H. aus K. an. Sie lautet: Ich bin 83 Jahre alt. Mein Lebenspartner hilft mir viel. Allerdings benötige ich keine Hilfe bei der Grundpflege, sondern nur bei hauswirtschaftlicher Versorgung. Kann ich eine Pflegestufe bekommen?

Antwort: Nein, eine Pflegestufe kann man nur bekommen, wenn man wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 45 Minuten Hilfsbedarf im Bereich der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) und 45 Minuten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Einkaufen, Kochen, Putzen, Waschen, Heizen) vorweisen kann. Das heißt, mehr als 90 Minuten Hilfebedarf am Tag oder, siehe Antwort auf Herrn L., bei Diagnose einer starken Einschränkung der Alltagskompetenz.

Herr B. aus S. hat seine demenzkranke Frau fünf Jahre lang zuhause gepflegt. Jetzt kann er nicht mehr. Seit die Frau im Pflegeheim wohnt, fressen ihn die Kosten auf, so sehr, dass er nachts nicht mehr schlafen kann. Ihm bleiben nur noch 120 Euro monatlich zum Leben.

Antwort: Zum Sozialamt des Wohnortes gehen und Pflegewohngeld und Sozialhilfe beantragen.

Frau D. aus B. kann als ehemalige Landfrau auf dem früheren Hof mietfrei wohnen. Sie hat Pflegestufe 1 und braucht nun Hilfe bei der Hauswirtschaft.

Antwort: Dank des neuen Pflegestärkungsgesetzes gibt es für alle Pflegebedürftigen ein Budget von monatlich 104 Euro für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen.

Der Rat von Ulrich Pannen: "Sprechen Sie mit einem Pflegedienst Ihrer Wahl über ihren Bedarf und mögliche Hilfsleistungen. Pflegedienste in Ihrer Umgebung finden Sie unter www.aok-pflegedienstnavigator.de."

Corinna Vattersen von Lifta konnte einerseits immer wieder auf die verbesserten finanziellen Möglichkeiten beim Einbau eines Treppenlifts hinweisen (bis zu 4000 Euro), musste andererseits manche allzu große Hoffnung dämpfen: "Die Anrufer gingen davon aus, dass, wenn Pflegestufe 1 abgelehnt worden ist, Pflegestufe 0 quasi automatisch in Kraft trete."
Das ist nicht der Fall.

"Die Pflegestufen 1, 2 und 3 sind alle rein körperlich", sagt Catharina Hansen von der Verbraucherzentrale. Die neue Pflegestufe 0 soll dagegen bei Demenz und psychischen Erkrankungen finanziell helfen und so den pflegenden Angehörigen zumindest ein kleines Luftholen beim häuslichen Dauereinsatz ermöglichen.

Weitergehende Informationen aus dem Bundesministerium für Gesundheit: www.pflegestaerkungsgesetz.de