Die Callas war die Primadonna assoluta des 20. Jahrhunderts. Keine Bühnenerscheinung hat so die Gemüter erhitzt und Kontroversen entfacht. Ihre Stimme besaß eine solche Ausdruckskraft, dass keine andere Sängerin neben ihr bestehen konnte. Ihr Gesangstil war neu - er verstörte und begeisterte gleichzeitig. Die Tochter eines griechischen Apothekers in New York beginnt ihre erste Gesangsausbildung mit acht Jahren. Die Mutter ist 1937 der neuen Welt überdrüssig und zieht nach Athen, wo die Tochter weiterhin Gesangsunterricht nimmt. Ein Jahr später singt die 15-jährige in der Metropole die Santuzza in Leoncavallos "Cavalleria Rusticana". Weil es im Krieg nur sehr wenige Vorstellungen an der Oper gibt, bildet sie sich am Konservatorium in Athen weiter, nimmt Unterricht, übt bis zum Umfallen und arbeitet nebenbei bei der Post.
1946 geht sie nach New York zurück und wird von dem Agenten Bagarozy für eine United States Opera Company verpflichtet. Bald lernt sie den Mailänder Millionär Battista Meneghini kennen, der ihr Manager wird, und sie heiraten. Ihr Mentor, Tullio Serafin, holt sie nach Venedig, wo sie die Isolde in "Tristan und Isolde" und andere Wagner-Partien singt - noch als schwergewichtige Diva. 1951 ist sie fest an dem Operntempel schlechthim der Mailänder Scala verpflichtet: als Cherubinis "Medea" gibt sie dort ihren Einstand. 37 Minuten Applaus, die Zuschauer sind hingerissen, sie verehren, bewundern und bejubeln die Diva mit der einzigartigen Stimme und der ausdrucksstarken Darstellung. Jetzt steht ihr die Welt offen; sie ist der Weltstar des Musiktheaters, und die Metropolitan Opera bietet ihr 100000 Mark für einen Auftritt. Bis 1959 trat Maria Callas jährlich mehr als sechzigmal auf.
Als Star macht sie nicht nur Musikgeschichte, auch den Klatschspalten liefert sie ständig Nahrung. Ihre Launen, ihre emotionalen Ausfälle, die spektakuläre Scheidung, die Affäre mit Aristoteles Onassis nebst offenem Zwist mit Jacqueline Kennedy und schließlich ihre lautstarken Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter: All das sind die unangenehmen Nebenwirkungen des Star-Ruhms. Nun machen sich bei ihr künstlerische Ausfallerscheinungen bemerkbar. Mehr und mehr verlegt sie sich auf Gesangsunterricht, sie dreht den Film mit Pasolini, inszeniert in Turin "Die sizilianische Vesper" und unternimmt Gesangstourneen in Europa, die nicht immer entsprechend gewürdigt werden. Ihr Ehrgeiz, ihre Unrast, ihr stets explosives Leben - das alles ist mitverantwortlich, dass sie im Alter von erst 53 Jahren an einer Herzattacke stirbt. Sie war einer der Mega-Stars der Oper wie Caruso und Schaljapin, und noch heute ist ihr Grab auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris ein Wallfahrtsort.
Schon früh hat ihre Stimme etwas Besonderes: Das metallische, von engem Vibrato gekennzeichnete Timbre macht sie unverwechelbar. Sie ist nicht eben schön im klassischen Sinne. Es gibt Unregelmäßigkeiten, und sie lässt sich nicht einordnen: Sie ist absolut eigenwillig. Dennoch gelingt es ihr, ein Repertoire aufzubauen, für dessen Partien normalerweise drei Sängerinnen notwendig sind. Das Geheimnis ihres Erfolges ist sicher auch ein psychischer: Sie spiegelt Seelenzustände, hat eine ungeheure Suggestivkraft, der ihre Zuhörer und Zuschauer reihenweise verfallen. Sie ist ein stimmliches Chamäleon - bald in ätherisch entrückten Lyrismen, bald in dramatisch belebten Koloraturen. Sie verfügt nicht nur über Stimme, sondern vor allem über Technik. Und sie hat ein schauspielerisches Ausdrucksvermögen, das nur ganz wenigen Sängern und Sängerinnen zu eigen ist.
Das große Interesse der Schallplattenindustrie an diesem Star des Gesangs macht es möglich, die Gesangskunst der Callas in all ihren extremen Gestaltungsarten zu verfolgen, zu kontrollieren, nachzuvollziehen. Ihre größten Triumphe, ob als Norma von Bellini, Amelia oder Medea, Mimi oder Tosca feiert sie an der Seite von Giuseppe di Stefano.