Matthias Koeberlin darf als traumatisierter Privatdetektiv "Hartwig Seeler" in die Tiefen seiner Psyche abtauchen – und versucht parallel dazu, eine junge Frau aus den Fängen einer Sekte zu befreien.
Mit dem Krimidrama "Hartwig Seeler – Gefährliche Erinnerung" wagt sich das Erste auf ungewohntes Terrain. Felix Kepler (Michael Wittenborn) weiß weder ein noch aus: Seine geliebte Tochter Evelyn (Caroline Hellwig) ist spurlos verschwunden, parallel dazu liegt seine Frau (Michaela Caspar) auch noch im Krankenhaus. In seiner Verzweiflung wendet er sich an den Privatdetektiv Hartwig Seeler (Matthias Koeberlin), der die Vermisste ausfindig machen soll.
Bald stößt dieser auf eine wichtige Spur: Die Tochter scheint sich einer Sekte angeschlossen haben. Sofort macht sich der Ermittler auf den Weg zu einer kroatischen Privatinsel, auf welcher die obskure Glaubensgemeinschaft einen Kult um ihren Guru gebildet hat. Seelische Erlösung über das Eintauchen ins eigene Unterbewusstsein wird versprochen – mittels Hypnose soll das gelingen. Auch für Seeler klingt das verlockend, ist er doch durch den Unfalltod seiner Frau traumatisiert. Privates und Berufliches vermischen sich, und schnell stellt sich die Frage: Was ist real, was bloße Einbildung?
Ex-Polizist Seeler muss bald schon feststellen, dass die menschliche Psyche so manchen Trick auf Lager hat. Sicher, mittels Hypnose können längst verdrängte Traumata ans Licht gebracht werden. Ebenso wahrscheinlich ist aber auch das Erfinden von "Tatsachen", weil das Gehirn ob geschickter Suggestivfragen Ereignisse imaginiert, die so niemals stattgefunden haben. Manipulierte Erinnerungen nennt man so etwas. Ein Hauch von "Inception" (2010) durchweht das clevere Konzept von Regisseur und Drehbuchautor Johannes Fabrick. Und auch an die Sekten-Thriller "The Wicker Man" (1973) mit Christopher Lee oder "Regression" (2015) mit Emma Watson und Ethan Hawke fühlt man sich erinnert.
Visuell ungewöhnliche Lösungen
Seeler findet die labile Evelyn auf dem Eiland und muss feststellen, dass ein schwerer Vorwurf im Raum steht: Die junge Frau behauptet, in ihrer Kindheit und Jugend von ihrem Vater missbraucht worden zu sein. Doch resultiert die "Erinnerung" möglicherweise aus den Hypnose-Therapien, die Evelyn gemeinsam mit ihrer Betreuerin Amanda (Friederike Becht) durchgeführt hat? Ihre seelische Pein könnte aber auch auf einem gescheiterten Emanzipationsversuch basieren oder auf der Angst vor einer schlimmen medizinischen Diagnose. Auch Seeler begibt sich in Amandas Hände, um sein Trauma zu adressieren – sogar auf die Gefahr hin, sich in den Untiefen der eigenen Psyche zu verlieren ...
Johannes Fabrick verknüpft in seinem TV-Film eine spannende Krimihandlung mit nicht minder interessanten Ausflügen in die Abgründe der menschlichen Seele – der Nachname der Hauptfigur ist kein Zufall. Mittels kreativer inszenatorischer Einfälle hat Fabrick beeindruckende Bilder gefunden, die dem Zuschauer das Eintauchen in das Meer aus Erinnerung vergegenwärtigen sollen. Die inneren Konflikte der Charaktere und die schauspielerische Ausgestaltung ebenjener sind jedoch das Herzstück des Films: Koeberlin, Wittenborn, Hellwig und Becht liefern allesamt beeindruckende Leistungen ab. Am Ende verzichtet der Regisseur glücklicherweise auf unnötigen Kitsch und überkonstruierte Resolutionen. Kaum etwas wird hier final gelöst, dennoch fühlt sich die Handlung keineswegs unfertig an.
"Hartwig Seeler" hätte durchaus das Potenzial, zu einer neuen Krimi-Reihe zu avancieren – bei entsprechendem Publikumserfolg, versteht sich. Damit bekäme die ähnlich gelagerte ZDF-Krimireihe "Lotte Jäger" mit Silke Bodenbender ernstzunehmende Konkurrenz.