Sorry We Missed You
16.04.2025 • 20:15 - 21:50 Uhr
Spielfilm, Drama
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Ken Loach erzählt in seinem meisterhaften Sozialdrama "Sorry We Missed You" mit geballter filmischer Wucht von den unmenschlichen Auswüchsen des Turbokapitalismus. Ricky (Kris Hitchen) liefert mit seinem Kleinlaster Pakete aus - und das von früh bis spät ... seine Familie leidet sehr darunter.
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Abbie (Debbie Honeywood, links) arbeitet als Altenpflegerin und kümmert sich rührend um ihre Klienten.
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Ricky (Kris Hitchen) versteht sich gut mit seiner Tochter Liza Jane (Katie Proctor).
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Ricky (Kris Hitchen) ist auf seinen Liefertouren immer in Eile. Einmal begleitet Liza Jane (Katie Proctor) ihren Vater.
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Einer der seltenen gemeinsamen Momente: Ricky (Kris Hitchen), Liza Jane (Katie Proctor), Abbie (Debbie Honeywood) und Seb (Rhys Stone, von links) finden Zeit für ein Familienabendessen.
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Originaltitel
Sorry We Missed You
Produktionsland
GB, F, B
Produktionsdatum
2019
Altersfreigabe
12+
Kinostart
Do., 30. Januar 2020
Spielfilm, Drama

Die Wut wächst weiter

Von Jasmin Herzog

Der britische Filmemacher Ken Loach zeigte sich mit seinem atemberaubenden Sozialdrama "Sorry We Missed You" (2019) auf der Höhe seines Schaffens: Schonungslos entlarvt er die Folgen eines turbokapitalistischen Systems und fordert zum Umdenken auf. ARTE zeigt den Film als Wiederholung.

Ein Film sei wie ein Eisberg im Ozean, sagte Ken Loach, der filmische Anwalt der armen Leute, einmal: "Man sieht zwar nur die Spitze, aber man kann das gewaltige Gewicht dieses Blocks unter der Wasseroberfläche durchaus spüren." Das trifft auf die meisten Werke des Briten zu, besonders aber auf "Sorry We Missed You", den womöglich besten Film des heute 88-jährigen Regisseurs. Wer dieses meisterhafte Drama über einen scheinselbstständigen Paketfahrer, eine freiberufliche Altenpflegerin und deren Kinder sieht und nicht von dem Gefühl übermannt wird, dass sich Grundlegendes ändern muss an dem System, in dem wir leben und arbeiten, muss ein Herz aus Stein haben. ARTE zeigt das meisterhafte Sozialdrama als Wiederholung.

Seit über 50 Jahren zeigt Loach in seinen Spielfilmen die gesellschaftlichen Missstände auf, unter denen die kleinen Leute in Großbritannien zu leiden haben. Bereits sein frühes Doku-Drama "Cathy Come Home" von 1966 stieß in seiner Heimat eine politische Debatte an, die zur Änderung der Obdachlosen-Gesetze beitrug. Loachs mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichneter Film "Ich, Daniel Blake" (2016), der sich mit den Tücken der Sozialbürokratie beschäftigt, wurde wieder heiß im Parlament diskutiert. Unterdessen haben sich die Arbeitsbedingungen in Europa kaum verbessert, im Gegenteil, die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander, und die Mittelschicht erodiert zusehends.

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"Was ist eigentlich aus dem Achtstundentag geworden?", fragt eine nette alte Dame ihre abgehetzte Betreuerin Abbie (Debbie Honeywood) in "Sorry We Missed You". Diese Frage kann Abbie, die mit ihrer Familie in Newcastle lebt, auch nicht beantworten. Sie selbst hat einen Zero-Hour-Arbeitsvertrag, das heißt, sie bekommt den Mindestlohn bezahlt und das auch nur für die Zeit, in der sie tatsächlich Klienten betreut. Jede Minute, die die herzensgute Frau aus Mitgefühl mit den bittereinsamen Alten verbringt, bekommt Abbie nicht entlohnt.

Das Los der Ausgebeuteten

Deshalb trifft es sie hart, als sie auch noch ihr kleines Auto verkaufen und fortan alles mit dem Bus erledigen muss, damit ihr Mann Ricky (Kris Hitchen) einen Transporter finanzieren und sich so als Paketfahrer selbstständig machen kann. Doch selbstständig ist Ricky nur auf dem Papier. In Wirklichkeit zwingt ihn sein Franchise-Vertrag nicht nur dazu, erst einmal kräftig in Vorkasse zu gehen, sondern er muss auch noch für jede ausgefallene Stunde hohe Strafgebühren zahlen. Deshalb schuftet Ricky fortan von früh bis spät für das Unternehmen. Ähnlich ergeht es seiner Frau Abbie, die die gemeinsame Tochter Liza Jane (Katie Proctor) und den pubertierenden Sohn Seb (Rhys Stone) nur noch über das Handy "betreuen" kann.

In tristen Bildern, mit sehr sparsam eingesetzter Filmmusik, zeigen Loach und sein Stammautor Paul Laverty, wie die Familie zusehendes implodiert; wütend und machtlos schauen sie ihnen zu. Jeder der beteiligten Schauspieler weiß dabei durch seine Performance zu fesseln, was auch daran liegt, dass Loach stets chronologisch dreht, ohne dass seine Darsteller wissen, wie ihre Geschichte ausgeht.

Nun, sie endet – im Gegensatz zu Loachs vorangegangen Filmen – ohne auch nur einen Funken Hoffnung, dass sich an dem menschenverachtenden System jemals etwas ändern könnte. Doch auch der einzelne Mensch im Getriebe des Systems bekommt in diesem schonungslosen Film sein Fett weg – Loach prangert unsere mangelnde Solidarität untereinander an. Wer nach diesem Drama weiterhin völlig ohne Gewissensbisse Paket für Paket beim Onlinehändler bestellt, muss ein besonders dickes Fell haben.

"Sorry We Missed You" – Mi. 16.04. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Der Trailer zu "Sorry We Missed You"

Weitere Darsteller
Kris Hitchen Debbie Honeywood Rhys Mcgowan Katie Proctor Ross Brewster Charlie Richmond Julian Ions Sheila Dunkerley Maxie Peters Christopher-John Slater Heather Wood Alberto Dumba Natalia Stonebanks Jordan Collard Dave Turner Stephen Clegg Darren Jones Nikki Marshall Mike Milligan Grace Brown Steve Hogg Mary Shearer Christine Beck Micky McGregor Gavin Webster Alex Houston Jordan Sawyer Russell Jones Vicky Hall Andy Kidd Lee Hall Carol Anderton Carol Littlefair Tim McGuire John Torrance Anthony Cummings Alfie Dobson Norman Samson Anthony Hogg Paul Woodhead Randolph Paul Rob Kirtley Jack Hamilton Andrea Johnson Anita Starker Harriet Ghost Mark Birch Linda E. Greenwood

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