Wer hat eine schöne, kluge und erfolgreiche Frau ermordet, die einfach jeder zu lieben schien? Über diese knifflige Frage tauchen die Franken-Kommissare in einen fast schon poetischen Fall über die Abgründe intensiver Zuneigung ab.
Der sechste Franken-"Tatort" beginnt so ungewöhnlich leicht, wie selten ein Fall der bald 50 Jahre alten Krimi-Reihe zuvor. Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) radelt durch die sommerlich Metropolregion Frankens, um auf einem Markt Honig einzukaufen. Bald erfahren wir: Er tut dies häufiger, als es dem Blutzuckerspiegel guttun würde – weil er in die sympathische Honigverkäuferin (Maja Beckmann) verliebt ist. Nun entspinnt sich ein wunderbar verschwurbelter Dialog zwischen den beiden Liebesinteressenten, bei dem einen das Herz aufgeht. Ein Gespräch, bei dem man sich wünscht: So sollte "Herzkino" der Marke Pilcher im Drehbuch aufgeschrieben sein, dann würden auch Liebhaber anspruchsvollerer Unterhaltung da öfter mal reinschalten.
Der "Tatort" hieße jedoch nicht "Tatort", wenn der Film genauso weitergehen würde. Kaum hat Voss ein erstes Date mit der Honigfrau klargemacht, läutet das Handy, und er wird zu einem Mord gerufen. Die erfolgreiche Geschäftsfrau Babs Sprenger (Anna Tenta), Managerin bei einer großen Immobilienfirma, wurde in ihrer schicken Fürther Wohnung erstochen. Die Tatwaffe, ein Sushi-Messer, findet sich ordnungsgemäß und top gereinigt in der Spülmaschine wieder. Auch der Rest der Wohnung wurde prima aufgeräumt. Bei Nachforschungen im Umfeld des allein lebenden Opfers Anfang 40 kommt heraus: Alle haben Babs Sprenger geliebt. Ihre Kollegen und Mitarbeiter bei der Arbeit – sogar der mittlerweile in Südafrika lebende Ex-Mann ist mit den Nerven fertig, heißt es.
Die tiefere Recherche von Felix Voss und seiner Kommissars-Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) ergibt dann aber: Babs Sprenger hatte kaum tiefergehende Beziehungen. Ihren Geburtstagsabend, übrigens der Termin ihres Ablebens, verbrachte sie alleine in ihrer Wohnung mit einer Kollegin. Diese Frau, Theresa Hein (Anja Schneider), ist von diesem Moment an natürlich erste Tatverdächtige. Dass auch sie den Ermittlern glaubhaft darlegt, wie gern sie das Opfer mochte – und es weiterhin keinerlei Tatmotiv gibt, macht die Aufklärung des Mordes an der anscheinend nettesten und geliebtesten Person Frankens nicht einfacher.
Max Färberböck, hoch angesehener und vielfach ausgezeichneter Regisseur ("Aimée & Jaguar"), ist so etwas wie der Pate des Franken-"Tatorts". Der 69-Jährige, dessen Drehbücher oft gemeinsam oder wie in diesem Fall als alleiniges Werk seiner Kreativ-Partnerin Catharina Schuchmann entstehen, hat mit "Die Nacht gehört dir" bereits seinen dritten Fall für Voss und Ringelhahn in Szene gesetzt. Zuvor hatte das Duo den fränkischen Debütkrimi "Der Himmel ist ein Platz auf Erden" (2015) sowie Fall Nummer vier, "Ich töte niemand" (2018), erschaffen. Wie so oft in Filmen, die sich Färberböck und Schuchmann ausgedacht haben, ist "Die Nacht gehört dir" kein straighter Krimi, sondern ein wendungsreiches Spiel, in dem die Untiefen des Menschseins wie in einem poetischen Versuchsmodell ausgelotet werden. Diesmal geht es um die Liebe, die eben nicht nur Kommissar Voss in ihrer – zunächst einmal – reinen, ja fast kindlich naiven Form im Erwachsenenalter begegnet, sondern auch das Figuren-Ensemble des Mordfalles auf unterschiedliche Art umtreibt.
Etwas schade an "Die Nacht gehört dir" ist, dass nach der starken ersten Hälfte des Films, die eine überaus reizvolle, filmisch wunderschön inszenierte Verheißungen der Liebe aufspannt, alles ein wenig konventioneller gerät. In Krimis werden oft Figuren ermordet, die viele Feinde hatten. In diesem Fall sprechen alle Menschen, die Babs Sprenger kannten, fast wie von einer Heiligen. Als wahres Like-"Monster", würde man sie in Social Media-Zeiten vielleicht bezeichnen. Es gehört zu den Erkenntnissen dieses Krimidramas, dass gerade die beliebtesten, "besten" Menschen Gefahr laufen, so starke Gefühle in anderen auszulösen, dass ein Mord die Folge sein kann. Der sechste Franken-"Tatort" ist eine erstaunlich präzise Studie dieses Phänomens.
Tatort: Die Nacht gehört dir – So. 01.03. – ARD: 20.15 Uhr