24.05.2016 Ausstellung

Alles oder nichts, alle oder keine

Hermann Fürst von Pückler-Muskau: Sehr groß soll er gewesen sein und bis ins Alter sehr schlank. Ein Dandy, zweifellos. Aber einer, der ein Lebenswerk hinterließ. Abbildung nach einem Gemälde von Franz Krüger, 1824.
Hermann Fürst von Pückler-Muskau: Sehr groß soll er gewesen sein und bis ins Alter sehr schlank. Ein Dandy, zweifellos. Aber einer, der ein Lebenswerk hinterließ. Abbildung nach einem Gemälde von Franz Krüger, 1824. Fotoquelle: Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz (M.)

Wozu Schule, wenn man ein Genie ist? Warum eine Frau, wenn man viele haben kann? Warum sparen, wenn man eh kein Geld hat? Das Leben des Fürst Pückler, Teil 2.

Wir haben Hermann Fürst Pückler-Muskau (1785-1871) als Doppelnatur kennengelernt. In der ersten Folge unserer kleinen Serie zur Ausstellung "Parkomanie" in der Bonner Bundeskunsthalle schilderten wir ihn als abenteuerlustigen Kauz mit einer Kindheit ohne Liebe und einer leicht sadistischen Ader.

Seine Ausbildung mit zahlreichen Hauslehrer- und Internatswechseln war nicht der Rede wert, umso erstaunlicher sein Aufstieg vom Lausitzer Grafen zum Fürsten, vom Gartenfreak zum Landschaftspark-Künstler, vom Windbeutel mit dem Schalk im Nacken zum Weltpolitiker auf dem Aachener Kongress von 1818.

Zu Hause in Muskau (3000 Einwohner) gab er zuweilen den Pfennigfuchser, der Rechnungen unnachgiebig eintrieb. Dann wiederum schmiss er die Taler mit beiden Händen aus dem Fenster. Genau das sollte ihm zur zweiten Natur werden und ihn sein Leben lang in höchste Not bringen.

Er war kein Gärtner im eigentlichen Sinn, aber den Muskauer Landschaftsgarten (heute Weltkulturerbe) hat er in 30-jähriger Arbeit buchstäblich aus dem nicht sonderlich fruchtbaren Boden gestampft.

Wenn man Muskau vergleichen will, stößt man höchstens auf die Wörlitzer Gartenwelt des Fürsten Franz und mit starken Abstrichen auf von Skells Englischen Garten in München sowie Lennés "Insel Potsdam".

Ein zweites Landschaftswerk

Und Pückler brachte es sogar fertig, auf seine alten Tage in Branitz noch ein zweites Landschaftswerk zu schaffen; als 60-Jähriger nahm er es in Angriff. Der Englische Landschaftsgarten kam Anfang des 18. Jahrhunderts einer Revolution gleich, die im Gestalterischen und Ästhetischen das vorwegnahm, was die amerikanische und die französische Revolution im Gesellschaftlichen fortsetzten.

Zuvor hatte in ganz Europa das französische Gartenvorbild Geltung. In den von André Le Nôtre (1613-1700) geschaffenen Gärten von Versailles und Fontainebleau wie auch in den Tuilerien fand es seinen Höhepunkt. Mit geometrisch geformten Bäumen, Büschen und Blumenbeeten, von Buchsbaum eingefasst und Kieswegen durchzogen, symbolisierten diese Gärten den Triumph des Menschen über die Natur. Fontänen und Standbilder wiesen den Weg zum Schloss des Königs, des absoluten Monarchen oder Tyrannen.

Es war ein Französisch sprechender Schweizer, Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), der die französische Dominanz brach und dem "natürlichen" Parkgarten zum Durchbruch verhalf.

Besonders die Engländer (deshalb "Englischer Garten") konnten sich für frei wachsende Bäume, raffinierte Durchblicke auf Herrenhäuser (Sichtachsen) und Flüsse begeistern, die sorgfältig angelegt waren, aber wie wild durch Wiese und Wäldchen zu plätschern schienen. So wurde erst die Natur, dann der Mensch befreit.

Und fernab der Welt in Muskau begeisterte sich der junge Graf Hermann für solche Ideen; denn er war, auch das ein Teil seiner vielen Doppelnaturen, nicht nur Landmann und autodidaktischer Gärtner und im Berliner Stadtschloss bei König Friedrich-Wilhelm III. gern gesehen – es steckte auch ein früher und feuriger Demokrat in ihm.

Daraus machte er keinen Hehl, wie er überhaupt in politischen und amourösen Dingen die Offenheit in Person war. Zum Entsetzen Berlins hielt er, wenn sich die Gelegenheit bot, flammende Reden auf die armen,ausgebeuteten Landarbeiter und das besiegte Sachsen.

Sündhaft teure Bepflanzungen

Dass er im Salon von Rahel Varnhagen verkehrte, wo sich die geistige Elite traf, stempelte ihn zum "Linken". Während Pückler in Muskau Wege durch die Landschaft bahnte und sie für den entstehenden Park Schritt um Schritt kennzeichnete, während er sündhaft teure Bepflanzungen orderte (die andere ausführten) und Baumpflanzmaschinen für hohe alte Bäume konstruierte (er wollte nicht nur junges Grün um sich haben), suchte er bei zahlreichen Abstechern nach Berlin nach Frauen für die Nacht und nach der Frau fürs Leben.

Letzteres war das schwierigere Unterfangen. Es dauerte bis ins Jahr 1816, da war er 31, ehe sich eine für Pückler typische Dreierkonstellation aus der Fülle der Kandidatinnen herausschälte.

Lucie, Reichsgräfin von Pappenheim und geborene Hardenberg, besaß den Vorzug, die Tochter des mächtigen Kanzlers Hardenberg zu sein, dessen Vorlagen, so wurde gemunkelt, vom König blind unterschrieben würden.

Lucie besaß den Nachteil, von Reichsmarschall und Regierendem Grafen Pappenheim noch nicht geschieden und überdies bereits 40 zu sein.

Das wiederum machte sie durch die Präsenz einer hübschen ehelichen Tochter (Adelheid) und einer noch hübscheren unehelichen (Helmine) wett.

Tout Berlin rätselte: Welche von den Dreien würde Pückler wählen, und zur Überraschung aller nahm er die Mutter. Er war sicher: Die Töchter bekomme ich sowieso! Alles oder nichts, lautete Pücklers Lebensdevise, und bei Frauen: alle oder keine.

So weinte er tatsächlich bittere (schriftliche) Tränen, als ihm Adelheid infolge Heirat durch die Lappen ging und er Helminens zeitweilig nicht habhaft werden konnte. Wem aber schrieb er untröstliche Schmerzensbriefe: Seiner lieben Frau Lucie, seiner "Herzensschnucke", seinem "Schnucki" und "vielgeliebtem Schnuckentier".

Denn über alle Affären hinweg und jenseits ehelicher Erotik hätte Pückler keine bessere Frau finden können als jene Lucie, die ihm bald um des Parks willen die Scheidung anbietet.

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