20.03.2018 Genuss

Die dritte Kaffee-Welle rollt ...

von André Krüger

Filterkaffee ist aus der Mode? Von wegen! Er feiert gerade ein Revival! Doch auch andere Zubereitungsarten wie Chemex oder Aeropress erfreuen sich steigender Beliebtheit. Wir verraten Ihnen, was es damit auf sich hat – und wie Sie auch zu Hause zu ganz neuen Geschmackserlebnissen finden.

Jetzt gibt es das sogar bei einer großen Kaffeekette, die sonst eher dafür bekannt ist, jede Woche eine neue Schlafanzug- oder Küchengerätewelt zu präsentieren: hell gerösteten Filterkaffee. Wer der Meinung ist, dass Kaffee kräftig sein und wach machen muss, der wird von dieser als "Blonde Roast" angebotenen Mischung vermutlich enttäuscht sein. Wer jedoch kein reiner Wirkungstrinker, sondern offen für neue geschmackliche Erlebnisse ist, der kann ein kleines Wunder erleben.

Gilt Filterkaffee hierzulande als ein verstaubtes Produkt aus Großmutters Zeiten, so ist er in den angesagten Kaffeebars auf der ganzen Welt wieder sehr auf dem Vormarsch. Und das vollkommen zu Recht.

Die drei Wellen des Kaffeegenusses

Die erste Kaffee-Welle kam zu Zeiten der Industrialisierung. Im 19. Jahrhundert ist Kaffee zur Massenware geworden. Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts machten überwiegend amerikanische Ketten – die bekannteste ist *Starbucks* – espressobasierte Kaffeegetränke wie Cappuccino populär. Wenn wir heute von Kaffee-Trends sprechen, meinen wir "Third Wave Coffee", die dritte Welle. Hier wird gleichermaßen auf Qualität bei Anbau, Aufbereitung, Röstung und Zubereitung des Kaffees geachtet.

Grundsätzlich gilt: Je höher ein Kaffee wächst, desto komplexer ist sein Aroma. Viele der besten Kaffees wachsen 2000 Meter über dem Meeresspiegel und höher. Hier erfolgt die Ernte stets von Hand und es ist entscheidend, nur die wirklich reifen Kaffeekirschen zu pflücken. Ebenso entscheidend ist, wie das Fruchtfleisch entfernt wird: Gewaschene Kaffees schmecken sehr sauber und bringen oft spritzige Säuren mit sich. Getrocknete Kaffees, sogenannte "Naturals", kommen wiederum mit sehr viel Süße daher. Den Unterschied kann auch der ungeübte Kaffeetrinker sofort schmecken. (Fragen Sie in einem Café gezielt nach einem Natural – und Sie werden vermutlich ein ganz neues Geschmackserlebnis haben.)

Kaffee ist eine Frucht

Einen ganz wesentlichen Anteil an der Qualität des Kaffees hat die Röstung. In Italien mag man es eher dunkel und kräftig. Hier mischt man für Espresso oft Arabica- und Robusta-Bohnen, um einen sehr starken Kaffee mit einem ordentlichen, dickflüssigen Körper zu erhalten. Beim Third-Wave-Kaffee hat man hingegen einen ganz anderen Ansatz. Bittere Röstaromen sind hier unerwünscht. Stattdessen weiß man um die Erkenntnis, dass Kaffee eine Frucht ist – und auch so schmecken darf. Insbesondere Filterkaffee wird bei niedrigeren Temperaturen kürzer und somit heller geröstet, so dass man gewünschte Säuren – vergleichbar mit dem Biss in einen Apfel – noch schmecken kann. Man erhält ein viel leichteres, fast teeartiges Getränk, das ohne Zugabe von Milch und Zucker zu genießen ist. Versteht sich ein Röster auf sein Handwerk, so betont er die ursprünglichen geschmacklichen Noten des Kaffees, die je nach Herkunft ganz unterschiedlich sein können. Während mittelamerikanische Kaffees aus Guatemala oder El Salvador zumeist eher schokoladig-süß daherkommen, bringen ostafrikanische Bohnen aus Äthiopien oder Kenia oft fruchtige Säuren sowie Aromen von Zitrusfrüchten oder Beeren mit. Diesen Grundcharakter gilt es herauszuarbeiten – und nicht mit Röst aromen zu überdecken.

Die guten Röstereien und Cafés finden

Falls Sie bislang dachten "Filterkaffee – den kenn ich schon seit hundert Jahren", dann haben Sie vielleicht noch nie einen richtig guten probiert. Trauen Sie sich einfach mal in eine dieser modernen Kaffeebars, in denen tätowierte Meister-Baristas Vollbärte und Karohemden tragen und in denen Fahrräder ohne Bremsen an der Wand hängen. Solche Cafés und Röstereien finden Sie mittlerweile in jeder größeren Stadt, zum Beispiel "Playground Coffee" in Hamburg, "Hoppenworth & Ploch" in Frankfurt oder "Man versus Machine" in München. Online finden Sie unter www.thirdwavewichteln.com oder www.europeancoffeetrip.com (nur auf Englisch) zahlreiche Empfehlungen für guten Kaffee auch in Ihrer Nähe.

Bestellen Sie dort doch einfach mal keinen Caffè Latte, sondern einen handgebrühten Filterkaffee und beobachten Sie, was passiert. Was Sie jetzt erleben, hätten Sie vielleicht eher in einem Chemielabor als in einem Café erwartet. Mit allergrößter Präzision wird Ihr Kaffee zubereitet. Kaffee- und Wassermenge werden aufs Gramm genau dosiert und die Bohnen werden kurz vorher frisch gemahlen. In den meisten Fällen wird eine moderne Variation des Melitta-Filters verwendet, mit dem schon unsere Großmütter ihren Kaffee gebrüht haben. In kreisförmigen Bewegungen wird nun das Wasser mit der richtigen Temperatur – zwischen 93 und 96 Grad Celsius – langsam aufgegossen. Selbstverständlich behält der Barista dabei auch die Zeit, in der das Wasser mit dem Kaffee in Berührung kommt, genau im Auge.

Zubereitung auf Spitzenniveau auch zu Hause

Das Tolle an Filterkaffee: Im Gegensatz zu Espresso, der daheim mit vertretbarem Aufwand niemals so perfekt zuzubereiten ist wie in einem guten Café, lässt sich Filterkaffee daheim mit etwas Übung, Zeit und verhältnismäßig kleiner Ausrüstung auf Spitzenniveau zubereiten.

Alles, was Sie dazu brauchen, ist guter Kaffee, gefiltertes Wasser (gut geeignet ist meistens Volvic), ein Thermometer (etwa 10 Euro), eine einfache Haushaltswaage (auf 0,1 Gramm genau, ab etwa 15 Euro), im Idealfall ein Wasserkessel mit Schwanenhals, der eine genaue Dosierung ermöglicht (zum Beispiel Hario Buono, etwa 45 Euro), sowie eine Kaffeemühle. Für den Anfang tut es eine einfache Handmühle mit verstellbarem Mahlgrad (zum Beispiel Hario Mini Mill, 25 Euro). Wer hier etwas mehr investieren möchte, mahlt mit der Comandante C40 (um 220 Euro) bereits im Profi-Segment.

Zu hervorragenden Ergebnissen kommt man mit einem Aufgussfilter Hario V60 (etwa 25 Euro, 100 Filtertüten etwa 7 Euro). Dieser ist eine Weiterentwicklung des bekannten Melitta-Filters, unterscheidet sich jedoch durch die etwas größere Öffnung und seitliche Streben, die eine bessere Zirkulation des Kaffees ermöglichen. Wenn Sie noch einen alten Melitta-Filter haben, können Sie aber auch ruhig diesen ausprobieren. Auf einen Liter Wasser kommen ca. 60–65 Gramm gemahlener Kaffee bei einer Kontaktzeit mit dem Wasser von insgesamt 2:30 bis 3 Minuten. Sie erhalten hier einen leichten und feinen Kaffee mit einer sehr klaren Tasse. Wird der Kaffee zu sauer, mahlen Sie den Kaffee einfach etwas feiner. Ist der Kaffee zu bitter, mahlen Sie ihn etwas gröber. Wenn Sie etwas an Ihrem Rezept verändern, verändern Sie nur eine Variable (Kaffeemenge, Wassermenge oder Mahlgrad), um nachvollziehen zu können, was den geschmacklichen Unterschied ausmacht.

Ebenfalls weit verbreitet, aber zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten ist die French Press. In Form einer Bodum-Kanne findet sie sich in vielen Haushalten. Gerade für größere Mengen bis zu einem Liter eignet sie sich bestens. Die Zubereitung ist kinderleicht: den Kaffee eher etwas gröber mahlen, Wasser aufgießen, vier Minuten ziehen lassen, runterdrücken, fertig. Der Kaffee wird nicht ganz so klar, hat aber mehr Körper, da durch den Metallfilter mehr Kaffeeöle extrahiert werden. Der Kaffee schmeckt etwas voller. Eng verwandt mit der French Press ist die sogenannte Aeropress. Sie eignet sich für die Zubereitung von kleineren Mengen Kaffee bis zu zwei Tassen und hat im Gegensatz zur French Press einen kleinen Papierfilter. Der Kaffee wird dadurch etwas klarer, aber die Ergebnisse sind durchaus vergleichbar. Während beim Aufgussfilter die Brühdauer durch den Mahlgrad bestimmt wird (gröbere Kaffeepartikel lassen das Wasser schneller durchfließen als feinere Partikel, die über eine größere Oberfläche verfügen), sind dem Variantenreichtum bei der Aeropress keinerlei Grenzen gesetzt. Da das Wasser die gesamte Brühdauer über mit dem Kaffeemehl in Kontakt ist, kann hier auch bei grober Mahlung länger extrahiert werden – und umgekehrt natürlich. Enthusiasten aus Norwegen haben daher sogar einen internationalen Wettbewerb – die World Aeropress Championship – ins Leben gerufen.

Die Kaffeekanne im Museum

Mittlerweile gibt es unzählige Zubereitungsmethoden für Filterkaffee. Neben den genannten erfreuen sich auch die Kalita Wave (ähnlich wie V60, aber mit flachem Boden), die sehr gutmütig ist, wenn man das Wasser ungleichmäßiger aufgießt, und die Chemex immer größerer Beliebtheit. Die Chemex wurde einst von James Bond benutzt und steht sogar im New Yorker "Museum of Modern Art". Sie ist jedoch schöner anzuschauen, als zu benutzen. Die Reinigung ist etwas mühsam, außerdem ist das besondere Filterpapier zumeist schwer erhältlich.

Brühanleitungen finden sich für alle Zubereitungsmethoden zuhauf – beispielsweise im Internet (oder Sie schauen in unseren Infokasten auf dieser Seite). Der Barista Ihres Vertrauens gibt Ihnen sicher gern eine konkrete Empfehlung, wenn Sie bei ihm Ihren Kaffee für zu Hause erwerben. Viel Spaß und lassen Sie sich den Kaffee schmecken!