05.04.2016 Deutsches Bier

Reinheit: viel Gebot um nichts

Deutsches Bier gehört zum besten der Welt.
Deutsches Bier gehört zum besten der Welt. Fotoquelle: gpointstudio / Shutterstock.com

Deutsches Bier gehört zum besten der Welt. Warum bedarf es eines verblichenen Papiers, um dafür zu werben?

Worum geht es überhaupt beim Bier? Ist doch klar: Es geht um die Gesundheit. Deshalb ist ja auch das deutsche Reinheitsgebot von 1516 so wichtig. Rein heißt gesund.

Und jeder kennt einen, der sich bei aufkeimender Erkältung mit angewärmtem Bier zuschüttet. Weil, tja, wie soll man sagen: Vor so viel Reinheit nimmt jede Grippe Reißaus.

Das Reinheitsgebot gehört zu den Mythen im Lande. Deutsches Blut, deutsche Sprache, deutscher Boden, deutsches Bier. Alles rein. Und so gesund.

"Ärztlich empfohlen" stand 1910 auf einer Werbetafel für das "Tauchlitzer Schwarzbier". Der legendäre Doktor Johann Andreas Eisenbarth (1663–1727) verordnete allzu dünnen jungen Damen warmes Braunbier mit Honig und dichtete: "Mein Gott, wie nahm das Fräulein zu, es konnt schon springen in der Fruh!"

Auch die alten Griechen und Römer nahmen Bier therapeutisch zu sich, als Schlafmittel. Für den großen Rausch bevorzugten sie Wein.

100 Jahre sind genug

Es dauerte bis Februar dieses Jahres, ehe ein Ravensburger Handelsgericht entschied: Das Adverb "bekömmlich" ist in Zusammenhang mit Bier (in diesem Fall dem Bier der Härle Brauerei in Leutkirch) fehl am Platze.

Und das Reinheitsgebot? Viel wurde in Deutschland rund um das Bier erfunden, das Bier selbst gehört nicht dazu. In der Ausstellung "500 Jahre deutsches Reinheitsgebot" erzählt das Mannheimer Museum "Technoseum" vom Bügelverschluss an den Flaschen, der eine deutsche Erfindung sei (um 1875), ebenso wie die "Einheitsflasche" die nach 1920 just in Mannheim auf den Markt kam. Das sich selbst kühlende Fass gilt ebenfalls als deutsches Konstrukt, obwohl es inzwischen meist als Coolkeg angeboten wird.

Ausgerechnet den 23. April 1516 zum Geburtstag eines der "ältesten deutschen Lebensmittelgesetze" zu küren, entbehrt, wie die FAZ beklagt, "nicht einer gewissen Willkür".

Denn nimmt man das Wort beim Worte, wird das Reinheitsgebot in zwei Jahren gerade mal 100 Jahre alt, nachzulesen im Münchner Landtagsprotokoll vom 4. März 1918.

Neu war das nicht

Dem ungleich berühmteren Erlass der Bayerischen Landesverordnung von 1516 (ein bräunliches Stück Papier, das im "Technoseum" ausgestellt ist) ging es darum, dass "zu kainem Pier mehrer stückh dann allain Gerste, Hopfen unn wasser genommen unn gepraucht sölle werdn". Also Gerste, Hopfen, Wasser, sonst nix.

Neu war das damals nicht. Bier war immer eine regionale Angelegenheit, und es sind an zahlreichen Orten von Yorkshire bis Flandern ähnliche Bestimmungen erlassen worden.

Mal ging es, in Zeiten von Hungersnot, darum, dass nur Gerste verwendet wird, weil sonst der fürs Brotbacken wichtige Weizen verbraut würde. Mal ging es darum, den heimischen Hopfen zu fördern und gegen traditionelle Bier-Zugaben wie Schafgarbe, Salbei und Thymian zu bevorzugen. So ging Wirtschaftsförderung im 16. Jahrhundert.

So geht sie, nimmt man das Buhei um das Reinheitsgebot zum Maßstab, noch heute.