Lebensart

Die Kunst, einen guten Liebesbrief zu schreiben

Von Tom Schwan
Ein brillanter Liebesbrief macht Sie unwiderstehlich.
Ein brillanter Liebesbrief macht Sie unwiderstehlich. Fotoquelle: Neirfy/shutterstock.com

Auf Stil und Form kommt es an: Ein brillanter Liebesbrief macht Sie unwiderstehlich. Ein paar Regeln sollten Sie dabei unbedingt beachten.

Der Anfang ist einfach. Wo die Leidenschaft lodert, gehen Briefe leicht von der Hand. Das Gefühl sagt: Schreib's auf! Leg alles rein! Spar nichts aus!

Wenn nur die Realität des weißen Blattes nicht wäre ... Sie tendiert dazu, jede einzelne Zeile unnötig zu erschweren und die Gedanken in Konfusion zu stürzen. Vom Gefühl her schreibt sich der Brief wie von selbst, allein das Problem mit den Worten ... Sie legen sich wie Schwellen in den Strom, unterbrechen den Fluss der zarten Gedanken, bis er endlich ganz versiegt. Der Anfang ist schwer.

Allein die Anrede. Überschäumendes schon im ersten Wort? Zu gewagt! Andererseits, man kann einen Liebesbrief schlecht mit einer Bemerkung zum Wetter einleiten. Charles Bukowski, der olle Säufer, hatte es gut. Von ihm erwartete man nichts anderes, als dass er ohne Umschweife in die Vollen ging. Seiner Freundin Linda King schrieb er: "Alles, was du tust, macht mich heißer als Hölle." Das ist mal 'n Auftakt.

"Ich will dich mit Liebe zudecken"

Aber auch ein Feingeist wie der große Gustave Flaubert ("Madame Bovary") ließ sich nicht lumpen. An Louise Colet schrieb er: "Ich will dich mit Liebe zudecken, mit Zärtlichkeiten, mit Ekstase. Ich will dich verschlingen mit Fleischeslust, auf dass du schwach wirst und stirbst." Die Beziehung währte einige Zeit, hielt aber nicht.

Zurück zum Anfang. Versuchen wir es (wir wollen ja nicht zu gebildet erscheinen) mit Ovid. Der lateinische Cheferotiker empfiehlt: "Was zu schreiben ich mich schämte, Amor befahl mir, es aufzuschreiben."

Das ist gut, doppelt gut. Schreiberin oder Schreiber handeln im Auftrag des allmächtigen Liebesgottes. Sie gehorchen der Pflicht. Wenn ein Wort danebengeht – Amor war's.

Vor dem ersten Satz steht allerdings die praktische Frage nach dem Briefpapier. Bitte keine Serviette oder Bierdeckel. Es sollte auch nicht zu glänzend oder zu glatt sein. Wir empfehlen: weiches Papier, das wollzart in der Hand liegt und schon an die Laken gemahnt, die, wenn alles gut läuft ...

Das Schreibgerät. Von Kugelschreibern in all ihren Varianten sei abgeraten. Die Liebe, die der Tinte nicht wert wäre, ist keine.

Trunkenheit, Liebeskummer, Melancholie

Natürlich kann man Liebesbriefe in jeder Farbe schreiben, solange es sich um Schwarz handelt. Blaue Tinte mag populär sein, ist aber steng genommen keine Farbe, sondern ein Zustand. Was fällt Ihnen zu blau ein? Trunkenheit, Liebeskummer, Melancholie. Oder pornographische "Blue Movies". Nein, blau geht gar nicht. Wen übrigens die Lust übermannt, den Liebesbrief mit anzüglichen Kritzeleien zu verzieren, dem sei geraten: Nehmen Sie davon Abstand. Ein Liebesbrief, soll er denn Wirkung zeigen, muss stilvoll bleiben. Eine gute Frage ist die nach der Länge des Briefes. Eine SMS ist kein Liebesbrief, sondern unziemliche Komprimierung von Dingen, die der Ausmalung mit schönen Worten bedürfen.

Indes, zu lang ist auch nicht gut. Der Denker und Mathematiker Blaise Pascal entschuldigte sich am Ende eines Liebesbriefes: "Ich hatte keine Zeit, mich kurz zu fassen." Ob die Geliebte das noch gelesen hat?

Die Anrede, das muss gesagt sein, ist ein Minenfeld. Wer gleich mit "Liebste" oder "Teuerste" loslegt, muss sich im Klaren sein, dass Superlative auch Fragen aufwerfen: Wer ist die andere, wenn ich die Teuerste bin?

Vielleicht reicht der Vorname als Anrede. Wie immer er lautet, besser als "Du göttliches Wesen" ist er allemal.

Der launige Schlusssatz, der alles zerstört

Die Sprache. Sie reicht nie ganz aus, es sei denn, Sie wären der nächste Shakespeare. "In der Leidenschaft der Liebe", schreibt Stendhal, "ist das Unaussprechliche immer vorhanden." Damit darf sich trösten, wer meint, das rechte Wort nicht getroffen zu haben.

Zwei Dinge, die es unbedingt zu vermeiden gilt: der launige Schlusssatz, der alles zerstört, was vorher aufgebaut wurde. Seien Sie tapfer und lassen Sie ihn einfach weg. Zweitens, unterzeichnen Sie nie mit vollem Namen. Enden Sie mit einem Kürzel, einem einzelnen Buchstaben. Man weiß nie, wer den Brief künftig noch zu lesen bekommt. Sicher ist sicher, auch beim Liebesbrief.

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