Söldner oder Zar? Die Methode Lagerfeld als Sujet einer großen Ausstellung in Bonn.
Karl Lagerfeld ist der einzige Modeschöpfer, der als Figur bekannter ist als seine Modelle. Karl Lagerfeld ist schwarzweiß. Schwarze Jacke, schwarze Jeans. Weißgepudertes Haar mit Pferdeschwanz, weiße Hemden. Dazu Silberschmuck der Marke „Chrome Hearts“, dunkle Sonnenbrille. Fertig ist der Karl!
Seit 14 Jahren gehört auch eine extrem schlanke Silhouette zum Markenkern, und zwar seit er, angeblich ab 1. November 2000, abzunehmen anfing und binnen dreizehn Monaten um 42 Kilo entschlackte.
Grund war sein Ehrgeiz, sein Leben lang schwarze Anzüge von Dior Homme in den Größen 48/46 tragen zu können.
Erstaunliche Ähnlichkeit mit Helmut Schmidt
Betrachtet man seine Mundpartie (schmal, waagerecht, sehr männlich) und hört man ihn sprechen, tritt eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Helmut Schmidt zutage. Man sollte erwähnen: mit dem Helmut Schmidt in besten Jahren, als "SchmidtSchnauze" ein Begriff für messerscharf formulierte Zumutungen war.
Karl Lagerfeld ist gar nicht so viel jünger als Helmut Schmidt. Wenn er, wie verlässliche Quellen behaupten, ein Sonntagskind des 10. September 1933 war (er selbst schweigt dazu), wäre er 81.
In dem Alter bricht die Zeit der Retrospektiven an. Nicht der eigenen freiwilligen Rückblicke. Eher wird man zurückgeblickt, ob man will oder nicht, kritisch oder liebevoll.
Karl Lagerfeld ist einer, der das (noch) nicht mit sich machen lässt. Die Ausstellung "Karl Lagerfeld – Modemethode" in der Bundeskunsthalle ist sowohl Retrospektive wie auch fest in Lagerfelds Hand.
Seine Vertraute Amanda Harlech führt Regie, sein persönlicher deutscher Verleger Peter Steidl darf sich als Paris-Inszenator versuchen, und Stefan Lubrina, der manche Modenschau für Lagerfeld gestaltet hat, erinnert mit einer Installation (venusmuschelförmiges Sofa vor pastellfarbener Wand) an die Zeit, als Lagerfeld für das Modelabel Chloé verantwortlich war.
Frischzellenkur für eine alte Marke
Bekannter ist sein erfolgreiches (bald wird man es "legendär" nennen) Wirken für Chanel seit 1983. Lagerfeld unterzog eine alte Marke, die von älteren Damen getragen wurde, einer Frischzellenkur. Man denke nur an den frühlingsfrischen Auftritt der jungen Claudia Schiffer 1988 in einem geblümten Chanel-Kleid, ein Bild, das um die Welt ging und mal nicht Karl Lagerfeld zeigte.
Was an der Chanel-Wiederbelebung am meisten verblüffte, war Lagerfelds Fähigkeit, sich in die Methode Coco Chanel (1883–1971) zu versetzen und ihre Philosophie in eine neue Zeit zu transponieren.
Die Bonner Ausstellung glänzt mit 63 Chanel-Modellen, und man muss sagen: Allein sie sind der Besichtigung wert. In der Chanel-Sektion darf man getrost rätseln: Wie viel Coco Chanel steckt in Karl Lagerfeld?
Er selbst unterläuft solch pseudobedeutsame Fragen in bester Schmidt-Schnauze- Manier: "Schlussendlich bin ich bloß ein Söldner, der den Auftrag hat, das Label am Leben zu erhalten."
"Ich bin ein lebendes Label"
Er hat, seit er 1955 mit der Zeichnung eines zitronengelben Wollmantels einen Pariser Nachwuchswettbewerb gewann, manches Label am Leben erhalten und einige selbst in die Welt gesetzt. In dem Buch "Le monde selon Karl" (Die Welt oder wie Karl sie sieht) gesteht er: "Ich bin ein lebendes Label. Mein Name ist Labelfeld, nicht Lagerfeld."