22.09.2015 Mode

High Heels und die Hunnen

von Maxi Rutka
Mit Perlen bestickt, zeitlos attraktiv: Roger Viviers Pumps für das Haus Christian Dior, 1958.
Mit Perlen bestickt, zeitlos attraktiv: Roger Viviers Pumps für das Haus Christian Dior, 1958. Fotoquelle: Roger Vivier

Schönheit als Investition und Wahnsinn: warum viele Schuhe ebenso sehr Schmerz wie Vergnügen bereiten.

Schuhe sind vergänglich. Die 1200 Paar, welche die einstige Präsidentengattin der Philippinen, Imelda Marcos (heute 86), ihr Eigen nannte, verrotten. Termiten haben sich über sie hergemacht. In der Ausstellung Shoes: Pleasure and Pain (Schuhe: Vergnügen und Schmerz) in London spielt ausgerechnet die einst berühmteste Schuhfetischistin der Welt keine Rolle.

Dafür erfährt der Besucher des wie immer eintrittsfreien Victoria and Albert Museum, dass Schuhe im Laufe der Zeit ihr Geschlecht wechseln können. High Heels, dieser Inbegriff von Sehnsucht und Sehnenriss, waren schon unter Mongolen, Hunnen und anderen Reitervölkern populär, weil die wilden Krieger mit den extralangen Absätzen ihren Pferden die Sporen gaben.

Schuhe sind den Männern nützlich, Frauen sind sie Kult. Sagt man. Andererseits distinguiert sich ein Mann mit exquisiten Schuhen deutlicher von seinesgleichen, als das eine Frau je könnte. Egal ob sie (die Frau) die neuesten und ausgeflipptesten Modelle von Jimmy Choo, Manolo Blahnik oder Christian Louboutin anzieht, auf absolute Exklusivität darf sie nicht hoffen. Eher mit schmerzlichem Entdecken: Ach, die auch ...

Männer hingegen, diese Muffel, die im Jahr kaum 50 Euro in neues Schuhwerk investieren und dabei noch davon profitieren, dass der Markt und speziell der Online-Markt von geradezu aberwitziger Billigware überschwemmt wird, können sich mit elegantem Schuhwerk spielend leicht hervortun. Ob beim Board Meeting in der Firma, ob beim Vorstellungsgespräch, der prüfende Blick geht stets hinunter zu den Schuhen. Wer da besteht, dem wird auch sonst Standfestigkeit zugetraut. Der Londoner Hofschneider Hardy Amies (1909–2003) brachte das mit einem unsterblichen Satz auf den Punkt: "Es ist unmöglich, mit billigen Schuhen gut angezogen zu sein."

Schuhe als Investition. Es muss ja nicht gleich so zugehen wie in der New Yorker TV-Serie "Sex and the City", in der Carrie Bradshaw (alias Sarah Jessica Parker) ausruft: "Ich habe 40.000 Dollar für Schuhe ausgegeben, aber kein Dach über dem Kopf!"

Es war übrigens diese Serie, die den Ruhm nachmaliger Schuhpäpste wie Blahnik und Choo maßgeblich beflügelte.

Glückliche Opfer einer Verführung

Zurück nach London. Die Ausstellung präsentiert Schuhe als Objekte der Verwandlung und der Verführung. Schuhe heben manches Mauerblümchen auf Niveau. Schuhe verführen, vor allem zum Kauf. Neunjährige Jungs aus der E-Jugend, die exakt den Schuh von Bastian Schweinsteiger tragen wollen, oder Heerscharen von 30-plus-Frauen, die wie Gisele Bündchen auftreten möchten, dürfen sich als glückliche Opfer einer gelungenen Verführung sehen.

Grundsätzlich ist es dem schönen Schuh einerlei, ob der Fuß passt. Es ist der Mensch, der sich dem Schmerz unterwirft und für einen Auftritt voller Seligkeit alles hingibt, auch die Gesundheit seiner Füße.

Im Märchen "Aschenputtel" blutet der Fuß aus falschem Ehrgeiz. Im Film "Schöne des Tages" trippelt Catherine Deneuve wie eine Novizin auf ihren Vivier-Pumps. Und für einen Auftritt auf weißen Stöckeln soll Marilyn Monroe tagelang vor dem Spiegel geübt haben, so sehr fürchtete sie, sich lächerlich zu machen.