07.07.2025 Neuer Bestseller

„Ich lese mit – als behäbiger Autor“: Martin Suter über die Ensemble-Tour zu seinem neuen Buch

Martin Suter hat mit „Wut und Liebe“ einen neuen Bestseller vorgelegt, der den Erfolg des Vorgängers „Melody“ bestätigt. Im Gespräch mit prisma erzählt der Schweizer Autor von der kommenden Ensemble-Tour zum Roman.
Martin Suter im Anzug vor einem grünen Hintergrund.
Martin Suter unterhält seine Leser seit mittlerweile fast 30 Jahren. Fotoquelle: Joel Hunn

prisma: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Roman „Wut und Liebe“. In Deutschland steht er aktuell auf Platz 1 der Bestsellerliste. Wie fühlt sich das an? Ist das noch immer eine Freude für Sie, wenn Ihre Bücher Bestseller werden?

Martin Suter: Aber natürlich, das freut mich total! Ich bin nicht so abgebrüht, dass ich das als selbstverständlich sehe. Es zeigt, dass viele Leute mein Buch lesen, und für mich ist Schreiben ein kommunikativer Job. Ich würde das nicht machen, wenn’s niemand liest.

Der Vorgänger von „Wut und Liebe“ „Melody“ ist Ihr bisher größter Erfolg in Deutschland mit über 400.000 verkauften Exemplaren.

„Melody“ hat sogar meinen alten Rekord mit „Der Koch“ geknackt. Ich hätte nie gedacht, dass ich den noch toppen könnte, vor allem, weil damals ja viel mehr Bücher verkauft wurden als heute.

„Wut und Liebe“ spielt im Kunstmilieu, einem Metier, in dem Sie sich auskennen. Hat das Ihre Schreibweise beeinflusst?

Ach, ich schreib am liebsten über Sachen, die ich kenne – pure Bequemlichkeit, da brauche ich weniger Recherche (lacht). Die vielen Bücher, die ich in Guatemala geschrieben habe, spielen in der Schweiz, weil ich das am besten kenne. Die Kunstszene kenn ich auch lange, ich war in meiner Jugend schon einmal ein paar Jahe verheiratet mit der Künstlerin Vivian Wild, die den Künstlernamen Vivian Suter behalten hat. Sie hat jetzt spät eine ganz tolle Karriere gemacht mit Ausstellungen in den grössten Häuser der Welt, jetzt gerade in Paris im Palais de Tokyo, wo 500 ihrer Werke gezeigt werden. Meine kürzlich verstorbene Frau Margrith, mit der ich fast 50 Jahre zusammengelebt habe, war Modedesigner und dann Architektin und künstlerisch sehr begabt. Unsere 19-jährige Tochter Ana wurde nun an der Zürcher Hochschule der Künste angenommen. Sie möchte auch Künstlerin werden, und ich bin sehr stolz auf sie. Sie merken, ich bin von der Kunst geprägt.

Noah, die Hauptfigur des neuen Romans, ist ein typischer verkrachter Künstler. Woher kam die Idee oder Inspiration zu ihm?

Inspiration? Ich weiß gar nicht richtig, was das heißt. Ich setze mich hin und nehme mir vor, eine Idee zu haben, und das klappt zum Glück meistens. Ich kenne erfolglose Künstler, natürlich auch erfolgreiche, und ich kenne auch die Situation, dass Künstler, auch Schriftsteller, von ihren Frauen über Wasser gehalten werden. Diese gehen dann arbeiten wie Camilla im Roman, die sagt: „Mir stinkt es, einer Arbeit nachzugehen, die ich hasse, um jemandem eine Arbeit zu ermöglichen, die er liebt“.

Die Beziehung zwischen Noah und Camilla ist sehr spannend. Als Leser wundert man sich über ihre harte Entscheidung, aber ihr Verhalten fühlt sich doch sehr echt an. Es passt zu den modernen Frauen, die Rationalität und Emotion trennen.

Stimmt, die Frauen heute sind cooler und auch ein wenig selbstbewusster – vielleicht nicht unromantischer. Man wirft mir bei meinem neuen Buch wieder vor, ich hänge einem alten Frauenbild nach: die Brüste müssen immer noch fest sein, die Frauen wunderschön. Das ist schon ein klischierter Vorwurf inzwischen. Aber das passt einfach zu Camilla, die sagt: „Schau mich an, solange ich schön bin“ und: „Ich hasse Menschen, die wissen, dass sie schön sind, aber so tun, als wüssten sie es nicht.“

Als Autor läuft man heutzutage auf Eierschalen – irgendwen stört immer etwas. Merken Sie das auch?

Ich versetze mich auch ab und zu – und ungern - in die Haut der Kritiker (lacht). Man muss da immer auch etwas originell sein. Ich würde auch versuchen, etwas, das alle loben, zu kritisieren, allein um mich als Rezensent abzuheben. Manchmal ist das auch gut gemacht. Die Süddeutsche Zeitung zum Beispiel, schreibt nicht über das Buch, sondern bezeichnet mich als Marketing-Genie der Literatur (lacht). Das ist doch sehr originell, oder? Oder die NZZ, die ebenfalls wenig über das Buch schreibt, mich aber als besten Repräsentanten der Schweiz bezeichnet. Das finde ich lustig.

Da gibt es doch wirklich schlimmere Bezeichnungen.

Ja (lacht). Das ist ein interessanter Aspekt, auch wenn das natürlich zwischen den Zeilen schon eine Kritik ist. „Der alte Werbefritze, der sich vermarktet“. Aber damit muss ich seit 30 Jahren leben. Was mich vielmehr ärgert ist, wenn man mir Klischees vorwirft. Dabei ist es ja auch schon ein Klischee zu sagen, ich bediene die Klischees. Klischees sind Dinge, die man kennt und natürlich nehme ich solche Sachen, die sind schnell beschrieben. Als Leser lese ich das gerne, dadurch gibt es eine rasche Identifikation, von daher nutze ich das – selten genug aber auch - vielleicht auch unvorsichtigerweise. Ein anderer Vorwurf lautet, ich schreibe nur über die Reichen und über das Essen und Trinken. Wenn man aber genau hinschaut, sind die Helden meiner Bücher meistens arme Schlucker oder Vertreter des klassischen Mittelstands.

Das Paradebeispiel ist doch Ihre bekannteste Figur, Johann Friedrich von Allmen, dieser Blender, der sich zwar in diesen Kreisen bewegt, aber irgendwie auch nicht so richtig dazugehört. Es ist immer eine gewisse Ironie zu spüren, wenn Sie seine Welt beschreiben.

Die Ironie ist aber etwas sehr Gefährliches. Früher, als ich noch Drehbücher für das Fernsehen geschrieben habe, warnte mich mal ein Regisseur: Lass das mit der Ironie, das verstehen die Zuschauer am Vorabend nicht (lacht). Das habe ich mir nie zu Herzen genommen, denn ich könnte nicht ohne Ironie, und vor allem nicht ohne Selbstironie leben.

In Deutschland nimmt sich der Kulturbetrieb oft ernster als die Autoren, über die geschrieben werden soll. Humor sucht man da häufig vergeblich.

Ein guter Freund von mir war ein berühmter Filmregisseur. Der hat sich bei Interviews und Presseterminen immer sehr ernst verhalten. Da habe ich ihn gefragt, warum er das macht. Da sagte er mir: „Wenn du dich selbst nicht ernst nimmst, nehmen die dich auch nicht ernst“ (lacht). Da hat er vielleicht Recht gehabt, was den deutschen Markt anbelangt. Aber für mich wäre das zu viel Kompromiss gewesen, wenn ich mich nun auch noch ernst nehmen müsste.

Liegt diese Einstellung darin begründet, dass Sie erst relativ spät angefangen haben, Romane zu schreiben?

Vielleicht, aber die Einstellung hatte ich auch vorher schon. In der Werbung waren wir alle Möchtegern-Künstler, Möchtegern-Schriftsteller, haben die Kunst skeptisch gesehen. Ich habe mich nie als Künstler bezeichnet – es klingt überheblich, als würde man sich über die Normalsterblichen stellen. Wird mir das aber zugeschrieben, habe ich nichts dagegen. Ich kann dagegen ja auch nichts machen.

Interessant ist es ja schon wie Sie Ihr Werk präsentieren. Sie haben es ja eben angedeutet, dass man Sie als Marketing-Genie beschreibt, und im positiven Sinne ist das ja auch richtig, wenn ich auf Ihre Tour zu sprechen komme. Sie sind häufiger unterwegs, zuletzt im Duett mit Benjamin von Stuckrad-Barre, nun bringen Sie „Wut und Liebe“ szenisch und als Lesung auf die Bühne.

Aber ich habe kein Crowd-Diving gemacht, das war der Benjamin (lacht). Der macht das, aber ich bin zu alt dafür.

Was sagen Sie denn dazu, wenn Sie als der „Rockstar des Literaturbetriebs“ bezeichnet werden?

Das ist lustig, wer wäre in meinem Alter nicht gerne Rockstar. Da ist ja nur noch der Mick Jagger (lacht).

Den Bruce Springsteen gibt es ja auch noch, der ist sogar Ihr Jahrgang.

Jagger ist übrigens ein bisschen älter als ich, aber fitter (lacht).

Was ich meine: Sie gehen schon offensiv bei der Präsentation Ihrer Bücher vor. Diese ungewöhnliche Art der Lesung setzt sich jetzt auch bei Ihrer Premieren-Tour zu „Wut und Liebe“ fort, die im August startet. Da arbeiten Sie mit einer prominenten Riege zusammen: Katja Riemann, Caroline Peters, Linda Zervakis, Nora Zukker, Bettina Rust und Dirk Stermann. Wie kam die Idee zustande?

Wir bespielen große Häuser wie schon bei der Tour mit Benjamin. Der ist ein Alleinunterhalter, der bräuchte mich gar nicht. Aber ich bin kein Alleinunterhalter und ich wollte es gerne ein wenig anders machen. Und nun wird es von Joachim Luxinszeniert. Dass es so viele berühmte Personen sind, hat damit zu tun, dass nicht alle immer freie Termine hatten. So haben wir das ein bisschen gemischt. Bei der Wahl der Personen habe ich aber schon mitbestimmt.

Sie arbeiten mit dem bekannten Dramaturg Joachim Lux zusammen. Wie viel Mitspracherecht hatten Sie beziehungsweise wie viel davon haben Sie abgegeben?

Natürlich bin ich mitspracheberechtigt. Ich bin es aber gewöhnt, mit Dramaturgen wie Joachim Lux zu arbeiten. Tolle Schauspielerinnen sind dabei, und ich lese mit – als behäbiger Autor neben den hochgeschulten Interpretinnen. Die Dialoge werden lustig, mit einer munteren Moderatorin. Den Quotenmann gibt dann Dirk Stermann. Ich liebe ihn sehr und ich freue mich sehr auf die Tour. Es sind etwa gleich viele Stationen wie mit Benjamin, aber über eine längere Zeit verteilt – ich achte jetzt auf meine Gesundheit.

Verlassen Sie für diese Auftritte denn Ihre Komfortzone? Haben Sie vielleicht auch etwas Lampenfieber oder sind Sie da ganz locker?

Ich hatte ganz früher bei meinen Buchpremieren Lampenfieber und vielleicht noch bei ein paar Lesungen, dann war es auf einmal weg. Heute habe ich weder bei Lesungen in Buchläden vor 20 Leuten Probleme, noch vor 2000. Ich kann Ihnen das nicht erklären. Es macht mir einfach Spaß. Das Besondere ist diesmal auch, dass meine Tochter mitkommt. Sie macht für mich Social Media und Backstage-Sachen, auch meine Homepage. Es ist toll, zu zweit herumzuziehen. Schreiben ist einsam, da bin ich auf Tour gern mal der Party-Mittelpunkt.

Was kommt nach der Tour? Noch ein Allmen-Roman?

Nein, ich schreibe momentan an einem neuen Roman, der mich fasziniert.

Wird der den Stil von „Melody“ und „Wut und Liebe“ weiterführen – emotionale Abhängigkeit?

Ich habe keine feste Thematik, denn ich suche nicht nach ihr, sondern nach Geschichten. Meine letzten drei Romane „Melody“, „Wut und Liebe“, „Allmen und Herr Weynfeldt" haben etwas Besonderes und die Gemeinsamkeit, dass ich alle drei von Hand geschrieben habe – das macht’s verspielter, musikalischer.

Sie meinen das Remarkable Tablet, das Sie mittlerweile regelmäßig nutzen. Ging es dadurch schneller. Geben Sie uns doch einmal einen Einblick in Ihre Arbeitsweise.

Ich habe heute ein Gespräch mit Remarkable, dass die endlich meine Website sponsoren sollen. Ich habe die jetzt so oft öffentlich gelobt (lacht). Nein, im Ernst: Ich bin wirklich ein begeisterter User. Ich habe dadurch eine viel befreitere Art zu schreiben. Und das ist die Gemeinsamkeit der drei Bücher. Ich schreibe jetzt unplugged. Ich weiß nicht, ob es damit schneller geht, aber ich habe keinen strengen Rhythmus mehr. Früher habe ich von morgens bis mittags geschrieben, dann eine Mittagspause eingelegt, und dann nachmittags weitergearbeitet.

Wie Thomas Mann?

Ja, nur hat Thomas Mann auch weitergeschrieben, wenn ihm nichts mehr eingefallen ist (lacht). Ich habe aber nicht so regelmäßig geschrieben, weil ich ein disziplinierter Mensch bin, sondern weil ich ungeduldig bin. Ich möchte das Buch fertig haben, ich möchte wissen, ob es gelungen ist, und dann etwas Neues machen. Manchmal schimpft man mich ja „Schreibfabrik“, aber es ist das Gegenteil, eher ein Schreibspiel.

Fabrik impliziert ja auch diesen Gewinn-Gedanken. Sie bräuchten ja nicht mehr zu schreiben, tun es aber aus Freude, oder?

Ja, es macht Spaß, es hält mich frisch und neugierig. Gegen das Alter kann man nichts machen, aber die Resignation kann man bekämpfen. Und zwar nicht mit Botox.

Passend dazu ist die ältere Dame in „Wut und Liebe“ schon mit Sympathie gezeichnet – keine Kunstfigur.

Freut mich, wenn Sie das so sehen. Wenn es gelingt, eine möglichst realistische Gegenwart zu schaffen, dann sind die Überraschungen viel größer. Die Romane passen in gewisse Literaturgattungen. „Wut und Liebe“ war ein Justice oder Revenge Roman. Kürzlich wurde ich gefragt, ob ich nicht einmal Fantasy schreiben wolle, diese Romane wären doch so erfolgreich. Da habe ich gesagt, nein, das will ich nicht. Denn in einem Fantasy-Roman hat man keine Überraschungen. Da ist alles möglich, da kann alles passieren. Da ist nichts unmöglich. In einem realistischen Setting, wo die Straßennamen stimmen, wäre es aber sehr erstaunlich, wenn jemand fliegt. Aber nicht im Fantasy-Roman, da kann immer alles passieren.

Fantasy lebt von Klischees – ohne die sind die Leser enttäuscht.

Stimmt, als Junge habe ich das auch gelesen, Marvel-Geschichten und so.

Die Twists in „Melody“ und „Wut und Liebe“ haben mich echt gepackt – haben Sie das Ende immer schon im Kopf, wenn Sie mit dem Roman starten?

Ja, natürlich. Zweimal habe ich es ohne Ende versucht, das ist jeweils missglückt und die Bücher blieben unveröffentlicht. So wie ich schreibe, muss ich das Ziel kennen. Wie sagte schon Hans-Dietrich Genscher: „Wer das Ziel nicht kennt, kommt nicht an.“ Ich weiß nicht, ob das Zitat wirklich von ihm stammt, aber es ist sehr einfach und sehr wahr. Man kann nicht ankommen, wenn man kein Ziel hat. Setup und Pay-off müssen passen, die Überraschungen müssen vorbereitet sein, sonst wirkt es unlogisch.

Bei „Melody“ gibt es einen langen Aufbau, dann den schnellen Showdown – erfrischend! Wie kam das zustande?

Das Ende war noch schneller geplant, aber dann habe ich gemerkt, das war nicht gut. Das wirkte, als hätte ich als Autor die Geduld verloren. Ich möchte das Tempo schon steigern. Ich höre schon öfters von Lesern, es war sehr schön, aber schade, dass es dann so schnell geendet ist.

Ein schönes Kompliment.

Das Tempo von „Wut und Liebe“ ist schneller als von „Melody“. Der neue Roman wird etwas gebremster sein. Ich möchte das Tempo jetzt nicht noch weiter steigern.

Dann fügen Sie doch einfach ein Kapitel über den Schweizer Schnee wie Thomas Mann ein. Dann können Sie die Handlung doch noch etwas strecken.

Auch bei „Der Name der Rose“ wusste man bei solchen Abschweifungen als routinierter Leser schnell, was man überspringen kann (lacht). Ein toller Roman. Ich habe mich schon als Leser gerne in Bücher verkrochen früher, leider lese ich mittlerweile weniger, ich komme gar nicht mehr dazu. Aber das ist schon ein riskantes Spiel. Wann langweilt man den Leser? Da muss man aufpassen. Ein Buch mit 350 Seiten ist gut, aber eines mit 500, 600 Seiten, da muss es schon ein Hörbuch sein, damit ich nicht merke, wie dick es ist (lacht).

Wie ist denn Ihre Meinung zu den Verfilmungen Ihrer Bücher. Sie haben einmal gesagt, dass Sie nicht an den Drehbüchern beteiligt sein möchten. Warum ist das so?

Das möchte ich nicht. Das ist als würde man einen hochkomplexen Norwegerpullover gestrickt haben und ihn dann nachher wieder in Wolle zurück zu spulen. Die Geschichte ist dann für mich erzählt. Ich habe am Anfang eher aus Höflichkeit als aus Interesse die Drehbücher angefragt, die mir die Produktionsfirmen dann zugesendet haben. Meine Kommentare wurden dann bestenfalls zur Kenntnis genommen. Irgendwann habe ich dann gesagt, ich will auch keine Werktreue mehr, nur dass es ein guter Film wird, mit dem Hinweis ‚nach einem Roman von Martin Suter‘ am Ende. Man soll gar nicht versuchen, das Buch zu verfilmen, sondern die Geschichte mit filmischen Mitteln erzählen. Seitdem ich diese Einstellung habe, ist leider das Interesse an Verfilmungen meiner Bücher gesunken. Es gab auch außer „Small World“ mit Gerard Depardieu keine wirklich guten Verfilmungen, also richtige Kinofilme. „Der letzte Weynfeldt“ fand ich zum Beispiel sehr schön, der war eine sehr werk-treue Literaturverfilmung, und ich habe meine Dialoge sehr gerne von tollen Schauspielern gehört. Aber gepackt hat er nicht.

„Die dunkle Seite des Mondes" mit Moritz Bleibtreu fand ich ambivalent – das Buch fordert den Leser sehr. Das war ein schwerer Stoff fürs Kino.

Der Film war leider nicht sehr gelungen. Ja, das war das einzige Buch, für das ich eine Art Storyboard entwickelt hatte – viele Stränge, das musste genau konstruiert sein, sonst wirkt’s konstruiert. Da ist mir letztens der Begriff „plotgetriebene Geschichte“ begegnet. Ich bin immer der Meinung gewesen, ich will als Leser wissen, wie es weiter geht und nicht einen ehrfürchtigen Knicks vor den Wörtern und Formulierungen machen. Ich habe immer so geschrieben, dass ich, der Leser dranbleibe. E.T.A. Hoffmann hat beides beherrscht: Poesie und Spannung. der hat in meinen Augen die ersten Hitchcock-Plots geliefert.

„Die Zeit, die Zeit“ von Ihnen ist auch ein Roman, der von seiner genialen Idee lebt. Da habe ich mich auch gefragt, wie Sie auf diese Idee gekommen sind. Die kann einem ja eigentlich nur im Traum kommen.

Die Thematik hat mich immer schon fasziniert. Der Drehbuch-Lehrer Robert McKee hat einmal gesagt: The realistic makes the impossible plausible. Das ist sehr stark und das denke ich auch. Ich habe es schlechter formuliert: Man muss eine Lüge in fünf Wahrheiten verpacken, damit man sie verkaufen kann.

Toller Satz, da müssen die Leser erst einmal drüber nachdenken. Vielen Dank für das Gespräch!

Info

Auf der Premieren-Tour zu „Wut und Liebe“ bringt Martin Suter seinen neuen Bestseller-Roman gemeinsam mit einem prominenten Ensemble auf die Bühne renommierter Häuser. Informationen zu den Tourdaten und Eintrittskarten gibt es unter www.suter.reservix.de