16.09.2024 Schauspielerin im Interview mit prisma

Roswitha Schreiner: „Mein Papa war stolz, dass Manfred Krug meinen Papa gespielt hat“

Von Felix Förster
Roswitha Schreiner kehrt als Sarah Liebling auf den Bildschirm zurück.
Roswitha Schreiner kehrt als Sarah Liebling auf den Bildschirm zurück. Fotoquelle: ARD Degeto/Odeon Fiction GmbH/Stefan Erhard

Roswitha Schreiner ist eine Schauspielerin, die irgendwie jeder, der in den 1980er- und 1990er-Jahren Fernsehen geschaut hat, kennt. Ob „Ich heirate eine Familie“, „Derrick“, „Die Schwarzwaldklinik“, „Die Wicherts von nebenan“, „Der Alte“, „Tatort“ oder „Liebling Kreuzberg“, die heute 59-Jährige war eigentlich in allen wichtigen Serien präsent. Besonders die Rolle der Sarah, der Tochter des von Manfred Krug gespielten Berliner Anwalts Robert Liebling im Straßenfeger „Liebling Kreuzberg“ zählt zu ihren bekanntesten Rollen. Nun kehrt Roswitha Schreiner in dieser Rolle auf den Bildschirm zurück, denn es gibt eine Fortsetzung der beliebten Serie mit dem Titel „Kanzlei Liebling Kreuzberg“, die am 27. September ab 20.15 Uhr in der ARD läuft. prisma hat die auf Bali und in Berlin lebende Schauspielerin anlässlich dieses Films interviewt.

Guten Tag Frau Schreiner, schön Sie zu sprechen, es geht um den neuen Film „Kanzlei Liebling Kreuzberg“, der nun gezeigt wird und an die alte Serie anknüpft.

Roswitha Schreiner: Kennen Sie die alte Serie?

Es ist wirklich ein lustiger Zufall, denn ich habe mir die alte Serie im vergangenen Jahr noch einmal angeschaut, ohne zu ahnen, dass da nochmal etwas kommt. Die Serie ist gut gealtert, ich fand es wirklich sehr ansprechend. Interessant war natürlich auch dieses Zeitkolorit von damals aus den 1980er-Jahren.

Roswitha Schreiner: Das ist das Positive an der Serie, sie hat eine Aufbruchsstimmung transportiert. Ich hoffe, dass der neue Film den Geist der jetzigen Zeit trifft, genau wie damals Manfred Krug mit der Serie den Zeitspirit dieser Zeit getroffen hat. Zudem wurde in den Folgen stets dem kleinen Mann auf die Zunge geschaut.

Das lag natürlich damals auch an den Drehbüchern des legendären Jurek Becker.

Roswitha Schreiner: Auf jeden Fall. Es war Jurek Becker immer sehr wichtig, die normalen Menschen abzubilden. Das ist übrigens etwas, was jetzt auch im Nachfolgefilm gut getroffen wurde. Denn das ist es ist ja, was den Leuten gefällt. Dass sie sich erkannt fühlen, dass sie sich im Fernsehen mit ihren Problemen sehen können, dass dort wirkliche Situationen widergespiegelt werden.

„Liebling Kreuzberg“ war in den 1980er- und 1990er-Jahren ein Straßenfeger. Was hat die Serie so besonders gemacht?

Roswitha Schreiner: Dieses positive Grundgefühl. Diese Stimmung hat die Serie 13 Jahre über den Bildschirm gejagt. Und da spreche ich jetzt nicht von den Wiederholungsjahren, sondern von der reinen Produktionszeit. 13 Jahren hat sich das Konzept gehalten, denn es gab dieses Bedürfnis der Zuschauer, solche Geschichten aus dem Leben zu sehen. Ich hoffe, dass wir diesen Geist jetzt wieder treffen, und dass der neue Film die Leute auch mitreißen wird.

Als Sie darauf angesprochen wurden, wieder mitzuwirken, wie war da Ihre Reaktion?

Roswitha Schreiner: Das war so, als wenn eine alte Liebe bei Ihnen anklopft und sagt: Wollen wir mal zusammen essen gehen? Da sagt doch keiner nein. Für mich war klar, dass ich da mitmachen möchte. Robert Lieblings Tochter Sarah war eine meiner wichtigsten Rollen. Der Tatort war toll, Rote Rosen, jeder einzelne Derrick, die Wicherts, aber es ist wirklich Liebling Kreuzberg, das herausragt. Diese Kombination aus Manfred Krug und mir als Sarah. Ich war die Tochter der Nation. Viele haben ihre eigenen Kinder in mir wiedererkannt. Und als jetzt die Anfrage kam, habe ich nicht nachgerechnet, wie viele Jahre vergangen sind, sondern einfach gedacht: Boah, ja. Das war sofort ein Ja, weil ich da einfach meinem Herzen gefolgt bin.

Wenn man sich die alten Folgen anschaut, vor allem die ersten drei Staffeln, fällt diese besondere Chemie zwischen Krug und Ihnen auf. Als wären Sie wirklich Vater und Tochter. Wie war das denn damals von Jurek Becker angelegt? War da alles vorgegeben oder gab es da auch Platz für Improvisationen zwischen Ihnen beiden?

Roswitha Schreiner: Vieles war von Jurek natürlich so angelegt. Das Lustige ist ja im Nachhinein, dass die Rolle der Sarah eigentlich eine andere Schauspielerin übernehmen sollte. Das ist kein großes Geheimnis, ursprünglich sollte tatsächlich Manfreds wirkliche Tochter die Rolle übernehmen. Aber daraus ist dann nichts geworden, aus welchen Gründen auch immer. Ich sollte eigentlich erst die Assistentin spielen, habe die Bücher gelesen und wusste von dieser ganzen Hintergrundgeschichte nichts. Ich habe also die Bücher gelesen und habe zum Produzenten Otto Meissner gesagt, die Serie ist Bombe, aber ich möchte die Tochter spielen und nicht die Assistentin. Und dann haben sich Manfred und Otto zusammengesetzt, und alles andere hat sich ergeben.

Manchmal zahlt sich das Nachhaken eben aus.

Roswitha Schreiner: Ja, denn als klar war, dass das andere nicht klappt, bin ich nachgerutscht. Es hat sofort gepasst, das sollte einfach so sein. Ich denke ja manchmal, es sind wirklich Sachen im Universum vorgeschrieben, denn zwischen Manfred und mir hat die Chemie sofort gestimmt. Und ich habe von ihm so viel lernen dürfen, er hat mir so viele Tipps gegeben. Ich hatte viele tolle Kollegen, Martin Lüttge etwa beim Tatort, da kann ich nicht meckern. Aber Manfred hat mir am meisten beigebracht. Er hat sich in den Zwischenpausen, wenn ich mit dem Drehen dran war, mit mir hingesetzt und mir gesagt: Pass mal auf Kleine, mach das mal so oder so, probiere das mal so, und vergiss nicht, den Zuschauer zu fesseln. Er hat mir da richtige Tricks genannt, Tipps gegeben.

Eine Art Mentor?

Rositha Schreiner: Manfred hat mir viele wichtige Dinge vermittelt, das war sehr positiv für mich. Das hat dann auch meine weitere Karriere bestimmt, denn die Rolle der Sarah hat mich dann zum Tatort gebracht.

Manfred Krug war natürlich eine Legende, hatte in der DDR schon eine besondere Karriere gemacht, war dann auch im Westen absoluter Publikumsliebling. Er war aber auch immer jemand, der gesagt hat, was er meinte. Damit kamen nicht immer alle Kollegen klar. Sie schon, Sie haben alles aufgesogen. Ist diese Einschätzung korrekt?

Roswitha Schreiner: Manfred hatte einfach Rückgrat. Man muss sich Manfred ja nur einmal ansehen, wie er aussah, als er noch fit war. Ich habe immer gesagt, er hatte all die ganzen Jahre keine natürlichen Feinde (lacht). Es gibt Menschen, die alleine von der körperlichen Erscheinung her keine natürlichen Feinde haben können. Und dadurch konnte er auch so aufrecht durchs Leben gehen. Er hat sich halt nie verbiegen lassen. Wenn Sie „Abgehauen“ gelesen haben, werden Sie ja wissen, wie er war. Wenn jemand auf die Idee kommt, die Stasi mit den eigenen Waffen zu schlagen, indem er sein Haus verkabelt und die Stasi abhört, sie genauso vorführt, wie sie die Bevölkerung, ich meine, das sagt doch über einen Menschen alles aus. Manfred war einfach sensationell, ich habe ihn immer bewundert. Ich war stolz, dass ich seine Tochter spielen durfte. Selbst mein richtiger Vater war immer stolz darauf, dass ich die Tochter von Manfred gespielt habe.

Das ist ein toller Satz für eine Überschrift.

Roswitha Schreiner (lacht): Das stimmt, das ist wirklich ein toller Satz: Mein Papa war stolz, dass Manfred Krug meinen Papa gespielt hat. Mein Vater war immer begeistert, gar nicht eifersüchtig oder so. Jurek hat uns die Rollen richtig auf den Leib geschrieben. Ich habe mich mit ihm zwischendurch auch getroffen, damit er auch den Ductus von mir aufnehmen konnte.  

Wieso funktioniert der neue Film ohne Manfred Krug?

Roswitha Schreiner: Weil Manfred schon sehr eingebaut wird, da haben sich die Autoren tolle Gimmicks einfallen lassen, dass immer wieder sein Spirit durch die Serie weht. Zudem ist seine Enkeltochter, also meine Tochter, sehr gut besetzt. Durch sie wird sein Geist eingefangen. Diese Aufbruchstimmung, die wir schon erwähnt haben, die in den 80er- und 90ern mitwehte, gibt es im neuen Film auch.

Seine Enkeltochter Lisa, gespielt von Luise von Finckh, repräsentiert das neue, hippe Berlin.

Roswitha Schreiner: Ganz genau. Und trotzdem scheut sie sich nicht, den Sachen auf den Grund zu gehen. Sie setzt Robert Lieblings Geradlinigkeit fort: nicht nur aufs Geld zu schauen, es aber auch nicht abzulehnen. Diese Mentalität haben die Autoren und die Produktion gut herausgearbeitet. Wenn Sie so wollen ist die alte Serie sinnbildlich für die 80er- und 90er-Jahre mit dem alten Westberlin und der Wende. Jurek Becker und Ulrich Plenzdorf, der auch eine Staffel geschrieben hat, das waren die großen Literaten aus dieser Zeit. Und jetzt kommt die Jugend ans Ruder, die neue Generation, und das wird der neue Film herüberbringen.

Sie haben eben erzählt, Sie sollten erst die Assistentin spielen. War das die Rolle der Senta Kurzweg, die dann Anja Franke übernommen hat?

Roswitha Schreiner: Ja, ich bin mit Anja befreundet, aber ich weiß gar nicht, ob wir mal darüber gesprochen haben.

Anja Franke ist im neuen Film auch mit dabei, wieder als Senta.

Roswitha Schreiner: Ich freue mich, dass Anja mit dabei ist. Ich meine, Anja ist einfach perfekt für die Rolle, ich hätte das niemals so toll gemacht wie sie. Das muss man dann auch mal so sagen. Es ist dann wie vom Schicksal vorgeschrieben. Wir haben die richtige Rolle im richtigen Moment bekommen.

Es hat einfach perfekt gepasst, Senta hat ja immer diese Gags reingebracht, etwa mit dem Walkman-Kopfhörer, den sie ständig aufhatte.

Roswitha Schreiner: Das beherrscht Anja, das ist einfach toll. Es hat einfach alles gepasst, es war alles stimmig. Und es wird auch jetzt wieder stimmig sein, denn die Charaktere von damals sind mit der neuen Generation in dem Film richtig connected. Also das bringt den ganzen neuen Geist rüber, und das wird hoffentlich die Zuschauer begeistern. Ebenso wie das, was man von Manfred noch einbringen konnte. Natürlich vermisst man ihn, das geht jedem so, aber die Autoren haben es liebevoll aufgefangen.

In den ersten Staffeln waren Manfred Krug und Michael Kausch das Anwaltsduo. Jetzt gibt es mit Luise von Finkh und Gabriela Maria Schmiede ein weibliches Duo und damit eine komplett andere Konstellation. Gibt es trotzdem Parallelen in der Erzählweise?

Roswitha Schreiner: Die beiden fetzen sich auch ständig, denn es gibt da zwischen diesen beiden Anwältinnen auch Generationskonflikte. Bei Krug und Kausch war es ja so ein kleiner Hahnenkampf, da wollte sich Papa Robert nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Im neuen Film spiegelt Lisa die neue Generation wider, während die ältere Kollegin eher das Gedankengut unserer Generation vertritt. Das ist der Konfliktstoff zwischen ihnen, der aber immer im Positiven gelöst wird. Und wir brauchen einfach so viel Positives.

In den 80ern waren Sie quasi ständig im Fernsehen zu sehen. Dabei haben Sie häufig sehr mädchenhafte Rollen gespielt, nun spielen Sie nicht mehr Robert Lieblings Tochter, sondern sind jetzt selbst die Mutter. Wie ist diese Reise für Sie persönlich? Ist das etwas, wovon Sie sagen, das passt jetzt, das ist gut?

Roswitha Schreiner: Das Brutale ist, dass sich nichts geändert hat. Ich habe auch gedacht, was machen die jetzt? Ich habe das Drehbuch aufgeschlagen, und sie haben die Sarah total auf den Punkt gebracht, sie perfekt getroffen. Ich bin immer noch in der Rolle, leicht chaotisch, ich bin Grafikerin geworden. Aber es bleiben auch wieder viele Fragen über Sarahs chaotisches Leben offen. Das haben die Autoren toll aufgefangen. Sarah ist Sarah geblieben und hat jetzt einfach ein Kind. Sie hatte damals schon den kleinen Robert und dann bin ich vom Traualtar weggelaufen, wer weiß warum. Und jetzt habe ich eine 26-jährige Tochter (lacht). Ich habe ja damals den kleinen Robert auch plötzlich aus dem Hut gezaubert, und Robert Senior, also Robert Liebling, ist in Ohnmacht gefallen. Insofern hat sich an dem Rollenbild nichts geändert, und deshalb hat es auch Spaß gemacht, da sofort reinzuschlüpfen. Es war, als sei ich nie weggewesen.

Ich fand es in der alten Serie immer so witzig, wenn Sie regelmäßig in seiner Wohnung aufgetaucht sind, und er dann wieder die Augen verdreht hat: Oh Gott, was ist jetzt schon wieder passiert?

Roswitha Schreiner: Was braucht sie jetzt schon wieder? Genau (lacht), und es hat mir den Weg bereitet für den Tatort und so weiter. Ich bin jetzt auch wieder bereit für neue Rollen.

Wissen Sie, ob da vielleicht auch mehr geplant ist, wenn der Film ein Erfolg wird? Können Sie da unseren Lesern etwas sagen?

Roswitha Schreiner: Ich darf nichts sagen, und damit habe ich auch schon etwas gesagt.

Im neuen Film spielen Sie jetzt mit Winfried Glatzeder, neben Manfred Krug eine andere große Legende des DDR-Films. Wie war das? Ist das auch so eine Geschichte, dass er das auch ein bisschen auffangen soll mit dem Fehlen von Manfred Krug?

Roswitha Schreiner: Mit Winnie habe ich ja damals „Wasser für die Blumen“ gedreht, das war ganz am Anfang meiner Karriere. Ich kenne ihn also auch schon etwas länger. Aber ich glaube, das ist einfach, weil er super auf die Rolle passt. Ich denke nicht, dass man da jetzt unbedingt eine andere DDR-Legende einbauen wollte.

Ok, dann ist das vom Redakteur wieder etwas zu sehr um die die Ecke gedacht.

Roswitha Schreiner: Wer weiß, es gibt ja immer die unbewusste Schwingung, die einen mehr leitet als die bewusste. Vielleicht hängt da auch unbewusst tatsächlich ein wenig DDR-Nostalgie mit dahinter. Aber Winfried ist einfach ein toller Schauspieler, der das Kauzige super rüberbringt.

Sie sind sehr spirituell, ist der Eindruck richtig?

Roswitha Schreiner: Ja, absolut. Wenn man mein Leben geschenkt bekommen hat, dann kann man nur spirituell sein und sich jeden Tag bedanken.

Das ist eine tolle Einstellung.

Roswitha Schreiner: Ich habe mit zehn Jahren angefangen zu spielen und war immer kontinuierlich zu sehen. Viele sagen mir immer wieder: Du warst so lange nicht zu sehen. Also a) werden ja tausend Sachen immer wiederholt. Also meine Bildschirmpräsenz ist kontinuierlich geblieben, mein Briefkasten ist immer noch voll mit Fanpost. Und b) sprechen alle mich immer auf die Rolle in Liebling Kreuzberg an, weil ich damit zur Tochter der Nation geworden bin, was natürlich durch dieses Mädchenhafte meiner Rollen, wie Sie es so schön erwähnt haben, geprägt wurde. Und ich bin natürlich vom Typus eher die Kindfrau, mit 1, 57 Metern ist man halt sowieso schon etwas festgelegter. Also ich bin jetzt nicht Therese Giehse.

Aber die neue Rolle eröffnet ja viele neue Möglichkeiten.

Roswitha Schreiner: Dann hoffe ich mal, dass sich viele inspirieren lassen und ich weitere Mütter spielen darf (lacht). Natürlich gehört den jungen Leuten die Welt. Sie entdecken alles neu, und die Drehbücher drehen sich um die neue Generation. Aber ich spiele gerne die Mutter solcher Mädels wie Lisa.