19.01.2016 Show

Thimon von Berlepsch und der Flirt mit dem Unterbewusstsein

Das ist Thimon von Berlepsch: Vorsicht, dieser Mann kann ein paar Sachen, die Ihre Einstellung zum Alltag grundlegend verändern und Sie (vielleicht) wieder an die Macht der Magie glauben lassen.
Das ist Thimon von Berlepsch: Vorsicht, dieser Mann kann ein paar Sachen, die Ihre Einstellung zum Alltag grundlegend verändern und Sie (vielleicht) wieder an die Macht der Magie glauben lassen. Fotoquelle: Bernd Brundert; Presse

Thimon von Berlepsch schickt sich an, in die Liga der großen Magier dieser Welt aufzusteigen.

Und dann, mitten in der Show, kommt Thimon von Berlepsch (Name echt und von altem Geschlecht) auf den Umschlag zu sprechen, der die ganze Zeit rechts von der Bühne an der Wand hängt. Die wenigsten im Saal haben ihn bemerkt, obgleich der Zauberer kurz darauf aufmerksam gemacht hatte.

Neben von Berlepsch steht eine ältere Dame aus dem Publikum. Er hat sie gebeten, ganz fest an jemanden zu denken. Dann lässt er sich den Umschlag reichen, und, tatsächlich, dieser Zauber reißt uns fort: Die Dame auf der Bühne, eine Zufallswahl, hat an eine alte Freundin gedacht. Thimon von Berlepsch öffnet den Umschlag, und auf dem Zettel, den er herauszieht, steht just der Name der Freundin, an die sie gedacht hat.

Wundervolle Welt der Magie! Wir glauben es nicht, aber wenn's einem so schön vorgeführt wird, sind wir doch bereit, ein bisschen ... Man muss zugeben: Wenn's ein Trick ist, wovon man ausgehen darf, ist er gut. Die Probandin auf der Bühne ist gerührt, die Leute jubeln. Einem entfährt laut ein perplexes: "Nä, ne?"

Die Sache mit dem Umschlag gehört nicht unbedingt zu den Haupt-Acts in Thimon von Berlepschs Zaubershow, aber anders als ein schwebender Tisch oder Seidentücher, die ohne zu reißen mittenmang durch einen Stock gezogen werden, lässt sich die Nummer "Ich weiß genau, an wen du denkst" nicht jedes Mal 1:1 wiederholen. Die Freundin stand in Bonn (Pantheon) auf dem Zettel, in Berlin (Hotel de Rome) denkt eine andere Probandin an ihren ersten Liebhaber. Und siehe, der Umschlag wird geöffnet, auf dem Zettel steht sein Name: Umberto. Die Dame weint.

Thimon von Berlepsch, Jahrgang 1978, ist ein hagerer Typ ohne Magier-Allüren. Kein Umhang, kein Zauberstab, aber eine Mission: Er möchte die Menschen, voran sein Publikum, verführen. Er selbst hat als 13-Jähriger auf dem Speicher des elterlichen Schlosses oberhalb der Werra einen uralten Koffer gefunden. Inhalt: eine Anleitung zur Zauberei. Ein Wink des Schicksals?

Mit der Geschichte vom Koffer pflegt er seine Show einzuleiten. Sie ist, weil zu schön, um wahr zu sein, das Einzige, was wir ihm nicht so recht abnehmen mögen.

Nix als Zauberei im Kopf

Von Berlepsch erweckt den Eindruck eines Besessenen, eines "positiv Verrückten", wie die Fußballer gern sagen, wenn einer nix als Kickerei im Kopp hat. Der kleine Thimon war ein schlechter Schüler, der, nachdem ihm der Koffer widerfahren war, nix als Zauberei im Kopf hatte. Mit 17 wurde er Deutscher Jugendmeister der Kartenspielzauberer, und wie jeder kleine Trickser leistete auch er die Ochsentour mit den Zaubereien von Tisch zu Tisch: Close-up-Illusionen gegen kleines Geld.

Heute ist er ein Meister des Hypnotisierens, der sein Publikum in Entzücken (und mitunter auch leises Gruseln) versetzt, wenn er auf der Bühne drei Personen auf einmal ihrer Besinnung beraubt.

Er macht das mit Worten, vielleicht auch Berührungen, jedenfalls erstaunt es, wie unterschiedlich schnell die Probanden in Hypnose fallen. Willenlos sinken die einen auf ihren Stühlen in sich zusammen, andere lassen auf sich warten. Meister Berlepsch immer nahebei, damit keiner aus Versehen vom Schemel sackt.

Von Berlepsch sieht sich als Medium, nicht als Hypnotiseur, denn die Bereitschaft, sich auf Hypnose einzulassen, liege, sagt er, einzig und allein beim Probanden.

Hypnose sei ein Flirt mit dem eigenen Unterbewusstsein, über welches das Bewusstsein wie ein Türsteher vor dem Nachtklub wache. Bleibt das Bewusstsein übermächtig, wird nichts aus der Hypnose.

Tief muss er sein, der hypnotische Schlaf. Das Aufwachen fühlt sich schon nach wenigen Minuten wie nach einem langen traumlosen Acht-Stunden-Schlaf an. Wenn von Berlepsch möchte, schaltet er Zwischenstufen der Bewusstseinsrückkehr ein, dann können sich die Probanden, obwohl wach, nicht an ihren Namen erinnern. Vorübergehend.

Und trüg er mich in ferne Länder!

Gefahren drohen angeblich keine. Früher oder später wacht jeder aus der Hypnose wieder auf. Selbst wenn den Magier in der Zwischenzeit der Schlag gerührt hätte, würde dieser Prozess starten.

"Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein! Und trüg er mich in ferne Länder", heißt es in Goethes "Faust". Thimon von Berlepsch trägt es mehrere Monate im Jahr, auch gerade jetzt wieder, im Januar, in ferne Länder.

Ohne Zaubermantel, ohne viel Gepäck, ja, ohne konkreten Plan. Er lässt sich auf Land, Leute und regionale Rituale ein, im Moment in Mexiko, früher auf den Philippinen, in Indien und in Brasilien.

"Ich reise, um zu staunen", sagt er. Das ist seine erklärte Botschaft: Bewahrt euch die Neugier und ihr kleines Geschwisterchen, das Staunen. Dann kann sich unser berechenbarer Alltag, so durchgetaktet wie er ist, wieder mit einem Zauber füllen, der ihn lebenswert macht.

Wie sehr wir uns danach sehnen, zeigt der Harry-Potter-Erfolg in Buch und Film, zeigen Hobbits und Tribute von Panem, lauter Ausbrüche aus der Algorithmenwelt, auch wenn sie mit deren Hilfe produziert wurden.

So wie auch Thimon von Berlepsch ohne die Hilfsmittel von Physik und Psychologie kein Magier von Weltrang geworden wäre, sondern allenfalls Close-up-Zauberer.

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