Der Film „Andere Eltern – Die 1. Klasse“ knüpft an die Comedyserie „Andere Eltern“ an, in der es um Eltern in Köln-Nippes geht, die eine Kindertagesstätte gründen. Nun sind die lieben Kleinen älter geworden und sie kommen in die Grundschule. Natürlich wollen die Eltern auch da ganz vorne dabei sein – als Lehrer im Klassenzimmer. Eine großzügige Spende macht es möglich. Veronica Ferres übernimmt in der Mockumentary die Rolle der Schulleiterin Frau Marx, Henning Krautmacher die des gestandenen Lehrers Walter Kleefisch. prisma hat mit beiden gesprochen.
prisma: Veronica, was für ein Charakter ist die Schulleiterin Frau Marx, was zeichnet sie aus?
Ferres: Sie ist eine ungewöhnliche Schuldirektorin. Sie nimmt Spendengelder der Eltern an und weiß nicht, auf was sie sich damit einlässt – ein Deal mit speziellen Hindernissen. Sie versucht auf ihre Weise, aus der Abhängigkeit herauszukommen und macht sich strafbar. Sie ist witzig, klug, besitzt eine tolle Führungsqualität und hat kein Privatleben, da die Schulkinder ihr alles bedeuten.
Henning, was für ein Typ ist der Lehrer Walter Kleefisch?
Krautmacher: Ein „Alt-Achtundsechziger“: Dreitage-Bart, er hätte gerne lange Haare - wie früher - seine Frau hat ihm jedoch nahegelegt, die Haare kürzer zu tragen. Dafür hat er sich aber seine alte, abgewetzte Lederjacke und die Cowboystiefel „bewahrt“. Ein Lehrer, der die alten Traditionen beherzigt: In der Schule muss Ruhe und Ordnung herrschen. Ein Lehrer muss streng, aber gerecht sein. Ungerecht erscheint ihm die Tatsache, dass Frau Marx Schulleiterin ist – und nicht er.
Wie würde eine Zusammenarbeit von Frau Marx und Herrn Kleefisch im echten Leben funktionieren?
Ferres: Beide würden sich sehr gut tun, sie würden sich sehr mögen und sich gegenseitig stärken.
Krautmacher: Ich denke auch: Im wahren Leben würden wir wohl beide prima miteinander auskommen. Ich schätze Veronica Ferres sehr. Sie ist sehr natürlich, offen, ehrlich und zugänglich. In den Drehpausen wurde mir einmal mehr klar: Die „richtig Guten“ haben keine Star-Allüren.
Was schreibt Ihr in das Zeugnis der beiden?
Ferres: Frau Marx liebt ihre Schulkinder über alles, leider zu sehr. Sie sollte sich mehr an die Regeln und Vorgaben des Kultusministers halten. (lacht) Herr Kleefisch ist kurz vor der Rente und bekommt das beste Zeugnis.
Krautmacher: Betragen: sehr gut; Soziale Kompetenz: sehr gut; Fachliche Kompetenz: Ferres - Sehr gut, Krautmacher - Muss noch viel lernen! (lacht)
Was hat Euch davon überzeugt, in der Komödie mitzuspielen?
Ferres: Der wunderbare Regisseur Lutz Heineking, jr. Ich vertraue ihm sehr! Und das mega-coole Schauspieler-Ensemble.
Krautmacher: Nachdem ich beide neunteiligen Staffeln, die zuvor ausgestrahlt wurden, gesehen habe, war die Einladung durch den Regisseur Lutz Heineking, jr. und Producer Danny Fischer für mich Freude und Ehre zugleich – und Abenteuer!
Die Komödie setzt ganz auf Improvisation. Wie kann man sich das als Zuschauer vorstellen, wie viel war von den Charakteren und Dialogen vorgegeben?
Krautmacher: Vorgegeben war von den Autoren und vom Regisseur lediglich das Umfeld der jeweiligen Szene. Mal der Klassenraum, mal der Schulhof oder das Lehrerzimmer, um nur einige Beispiele zu nennen. Dann gab es jeweils grobe Anmerkungen, welches Thema oder gar Problem zu besprechen ist. Und dann haben die ausgebildeten Schauspieler losgelegt und einfach mal angeboten, was sie – ihrer Rolle entsprechend – raushauen konnten.
Ferres: Genau, es war nur die Grundsituation vorgegeben, alle Dialoge sind improvisiert und auch die Handlung jeder Szene. Wenn man das als Zuschauer weiß, ist es ein noch größerer Spaß zuzuschauen.
Wie habt Ihr Euch auf den Film vorbereitet?
Krautmacher: Vorbereiten? Keine Chance! Die Macher der Produktion haben sich ja ständig irgendwelche Überraschungen ausgedacht. Außerdem bin ich da in ein gewachsenes Team von Darstellern eingepflanzt worden und musste erst mal kapieren, dass alles möglich ist, weil das Setup jede Steilvorlage im Dialog und auch jeden Disput gnadenlos aufgreift und unglaublich kreativ bedient. Ich musste erst mal lernen, mich zu trauen, „für mich selber“ einzustehen.
Ferres: Ich habe tatsächlich bei zwei Schulen die Direktorin beziehungsweise den Direktor in ihrem Alltag begleitet und ich habe viele Fragen gestellt. Das war sehr hilfreich.
Wurdet Ihr in manchen Szenen von den anderen Schauspielern überrascht?
Ferres: Ja, zum Glück jeden Tag. Es war ein großartiges Abenteuer. Die Spielfreude der Kolleginnen und Kollegen hat jedes Mal tolle Energie bei allen freigesetzt.
Krautmacher: Nur ein Beispiel: Ich dachte, das kann doch jetzt nicht wahr sein, als plötzlich Bettina Lamprecht – unangekündigt – in einer Szene auftauchte und im besten Sächsisch eine Beamtin vom Schulamt spielte. Ich kenne Bettina von unseren gemeinsamen Dreharbeiten bei „Pastewka“ - und durfte meine aktuelle Rolle nicht verlassen, als sie plötzlich das Lehrerzimmer betrat. Meine ehrliche Überraschung in diesem Moment war also nicht gespielt.
Welches ist Eure jeweilige Lieblingsszene – und warum?
Ferres: Ich mag die Szene im Pferdestall sehr. Samenraub auf andere Art und Weise. (lacht)
Krautmacher: Für mich war es die Eskalation! Es gab einen Moment im Lehrerzimmer, in dem wohl bei allen Beteiligten jede Hemmschwelle gebrochen ist. Das Diskussionsthema war völlig banal, es ging um die Weihnachts-Aufführung. Keine Ahnung, was das ausschlaggebende Moment war – und warum überhaupt – aber plötzlich kam es zu verbalen Attacken und final sogar zu Handgreiflichkeiten. Im wahrsten Sinne „köstlich“, weil es eine Schlacht mit Schoko-Schaum-Küssen wurde – einschließlich Kaffee-Dusche und im Verbal-Krieg nicht unbedingt politisch korrekt.
Ist man in einem solchen Format bemüht, die eigene Rolle möglichst gut dastehen zu lassen, oder macht es mehr Freude, je absurder es wird?
Krautmacher: Zu Beginn der Dreharbeiten dachte ich, dass es wohl besser sei, sich schön brav und eher typisch zu verhalten. Mit jedem weiteren Drehtag habe ich mehr gewagt – wie ein kleines Kind ausprobiert, wie weit es denn bei Papa und Mama gehen kann. Und zwar ohne Rücksicht darauf, ob mir das gut zu Gesicht steht.
Ferres: Du lässt dich von deiner Intuition leiten und plötzlich spielst und sagst du Dinge, die nicht korrekt sind, aber menschlich. Nobody is perfect. (lacht)
Henning, hast Du eigentlich das Prinzen-Ornat behalten – für den späteren Gebrauch?
Krautmacher: Der Film spielt in Köln! Eine der Hochburgen des Karnevals oder Fasching. Das mit der Heiterkeit nimmt man in der Domstadt sehr, sehr ernst. (lacht) Das Prinzen-Ornat war ein Original! Persönlich zur Verfügung gestellt von Prinz Michael I. Es hat ein aufwendiges Genehmigungsverfahren von Seiten des Festkommitees Kölner Karneval gegeben, um überhaupt das Okay zur Nutzung außerhalb der „närrischen Zeit“ zu bekommen. Das Kostüm befindet sich selbstverständlich wieder im Besitz des Ex-Prinzen.
Warum ist Köln-Nippes ein guter Schauplatz für den Film?
Ferres: Weil gerade dieses Viertel vor vielen Herausforderungen steht. Dort leben viele junge Familien und das Schulsystem hat ja generell einige Probleme.
Krautmacher: Köln hat insgesamt 86 Stadtteile – oder Veedel, wie man mundartlich sagt. Einige dieser Veedel heben sich deutlich ab von den eher wenig bekannten Stadtteilen. Nippes gehört definitiv zu den Bezirken, in denen sich die Bewohner ausdrücklich dazu bekennen. Sie bezeichnen sich dann nicht alleine als Kölner, sondern sie betonen expressis verbis: Ich bin us Nippes! Nippes ist ein lebendiges, charmantes Viertel mit starkem Gemeinschaftsgefühl, multikulturellen Flair und guter Lebensqualität – urban, aber nicht anonym. Perfekt für alle, die mitten in der Stadt wohnen möchten, ohne auf Kiez-Atmosphäre verzichten zu wollen.
Was verbindet Ihr mit dem Thema Schule? Könnt Ihr Euch vorstellen, wirklich dort zu arbeiten?
Ferres: Ich bewundere Lehrerinnen und Lehrer sehr. Sich jeden Tag um die Kinder zu kümmern und sie zu erziehen, verdient meinen allergrößten Respekt. Bei mir war es eine Achterbahn der Gefühle, das erste Verliebtsein, die ersten Schritte in Richtung Theater…
Krautmacher: Wenn ich nicht Musiker geworden wäre, dann möglicherweise Lehrer. Vielleicht nicht als Pädagoge an einer Schule, aber als Heil-Pädagoge an einem Institut für Heilpädagogik. Heil-Therapie mit Stilmitteln aus Kunst und Musik. Das Studium dazu habe ich auch tatsächlich in Angriff genommen – allerdings nicht beendet. Die Musik hat schlicht das Rennen gemacht. (lacht)
Eltern von Grundschulkindern werden an vielen Stellen der Komödie zustimmend nicken: Lehrermangel, marode Gebäude aber auch das Verhalten von manchen „Helikoptereltern“ – das ist alles echt. Welches sind aus Eurer Sicht die drängendsten Baustellen im Bildungsbereich?
Ferres: Dass die Lehrerinnen und Lehrer mehr wertgeschätzt und besser bezahlt werden müssen. Sie prägen die Generationen von morgen.
Krautmacher: Um es mal mit den Gedanken von Richard David Precht zu sagen: Das althergebrachte, preußische Schulsystem bedarf – auch meiner Ansicht nach – der dringenden Überarbeitung. Mein Vorschlag wäre, unsere Nachfolge-Generationen das Lesen und Schreiben zu lehren und dann jedes Augenmerk auf persönliche Talente und Fähigkeiten der Kids zu richten.
Und was müsste als Erstes passieren, damit sich die Situation verbessert?
Ferres: Es braucht eine andere Einstellung der Politik zum Bildungssystem. Es ist ein großer Fehler, den Beruf der Lehrer nicht attraktiver zu gestalten. Es wäre an der Zeit, sie besser zu bezahlen – sie zu stärken.
Krautmacher: Die Verantwortlichen müssen die Einsicht haben, dass unser Weltwissen sich in diesem 21. Jahrhundert in immer kürzeren Zeit-Abständen, nämlich in jeweils wenigen Wochen, verdoppelt. Die Allgemeinbildung muss sich auf das Wesentliche konzentrieren – danach muss das persönliche Talent im Fokus stehen. Bildung muss Spaß machen, damit Bildung leichtfällt und zielorientiert ist.
Welche Erinnerungen habt Ihr an die eigene Schulzeit?
Ferres: Wunderschöne und schwierige. Der erste Bühnenauftritt, ein tolles Abitur – aber auch manchmal Ausgrenzung.
Krautmacher: Die Erinnerung an meine persönliche Schulzeit ist eine sehr entspannte. Der Roman von Alexander Spoerl mit dem Titel „Memoiren eines mittelmäßigen Schülers“ spiegelt fast identisch wider, wie ich meine Pennäler-Zeit verbracht habe: Das „ökonomische Prinzip“, nämlich mit dem geringstmöglichen Aufwand den größtmöglichen Erfolg zu erreichen. Wobei mir persönlich die Note befriedigend, ja sogar ausreichend, im Zeugnis immer genügt hat. (lacht)
Henning, Du setzt dich unter anderem für die Leseförderung von Kindern ein, und Du, Veronica, unterstützt Kinder ebenfalls auf vielfältige Weise. Welche Projekte sind gerade aktuell?
Ferres: Ich bin Schirmherrin der ARCHE. Pfarrer Siggelkow gibt durch die ARCHE Tausenden von Kindern die Chance auf Hausaufgabenbetreuung und ein warmes Mittagessen. Ich habe Bücher geschrieben für Kinder und Jugendliche, um sie zu stärken und engagiere mich ab und an durch Lesetage in Grundschulen und Kindergärten.
Krautmacher: Neben meiner Tätigkeit für die Stiftung „Run And Ride For Reading“, für die Förderung von Lesekompetenz bei Jugendlichen, bin ich inzwischen in das Kuratorium der FC-Stiftung (Soziales Engagement des 1. FC Köln, d. Red.) berufen worden. Hier kümmern wir uns aktuell um Inklusion – aber auch um Vielfachbewusstsein – also die verschiedenen Formen von Diversität, nicht nur in Bezug auf sexuelle und geschlechtliche Identität.
Neben den sozialen Projekten gibt es aber auch noch jede Menge weitere Baustellen. Im September erscheint ein Buch über Kölner Plätze und wie sich daraus süße Plätzchen entwickeln. Das habe ich gemeinsam mit TV-Konditor Marcel Seeger in die Tat umgesetzt. Dann gibt es noch ein neues Theaterstück über den großen Prinzipal und Volksschauspieler Willy Millowitsch, bei dem ich im September/Oktober mitspiele. Meine Rolle wird die des Ex-Oberbürgermeisters Dr. Konrad Adenauer sein, und von Ende Oktober bis März 2026 bin ich sporadisch wieder im Erfolgs-Musical „Himmel und Kölle“ auf der Volksbühne am Kölner Rudolfplatz zu erleben. Soviel zu meinem Terminkalender: Rentner eben. (lacht)
Veronica, Du hast in Deiner Karriere schon viele verschiedene Rollen gespielt, in deutschen und internationalen Produktionen. Auch Deine Produktionsfirma Construction Film mischt national wie international mit. Wo siehst Du die größten Unterschiede zwischen deutschen und internationalen Projekten?
Ferres: Beim Geschichten erzählen sind wir alle gleich. Es geht um Wahrhaftigkeit, Tiefe und zugleich Leichtigkeit. Es geht um starke Geschichten, die Symbolkraft haben.
Gibt es ein Wiedersehen mit Frau Marx und Herrn Kleefisch? Ist eine Fortsetzung geplant?
Ferres: Von mir aus sofort…
Krautmacher: Der große Volksschauspieler Willy Millowitsch hat immer von der Gunst „Seiner Majestät, dem Publikum“ gesprochen. Wenn es uns gelingt, diese Gunst des Publikums zu erreichen, dann glaube ich daran, dass alle an der Produktion Beteiligten unisono sagen werden: Fortsetzung? Da simmer dabei! Dat is‘ prima!
„Andere Eltern – Die 1. Klasse“ Donnerstag, 24. Juli, 20.15 Uhr, im ZDF und in der ZDF-Mediathek.