
prisma: Hand aufs Herz: Hat Ihr Trainer in der C-Jugend wirklich Ecken und Kopfbälle mit Ihnen geübt?
Alexandra Popp: Also Ecken nicht direkt, da war es einfach so, dass ich zu der Zeit am weitesten schießen konnte. Kopfbälle haben wir trainiert, aber nur mit einem Softball. Ein wenig später war es intensiver, da habe ich aber mit meinem Papa am Kopfballpendel trainiert.
Frau Popp, in Ihrem Buch wird deutlich, dass der familiäre Zusammenhalt Ihnen die nötige Kraft für Ihre Karriere gegeben hat. Was raten Sie Eltern, deren Töchter Fußballerinnen werden wollen?
Das Wichtigste ist natürlich, der Tochter das nötige Vertrauen und den Rückhalt zu geben. In der heutigen Zeit ist es für Mädchen immer noch schwer, sich in Jungenteams einzufinden, weil sie ausgelacht oder nicht ernst genommen werden. Da sollte man seiner Tochter immer wieder Mut zusprechen.
Ein Problem, das Sie ansprechen, ist die mangelnde Identifikation von Mädchen mit Profi-Spielerinnen in früheren Zeiten. Was hat sich diesbezüglich heute geändert, und warum?
Es hast sich natürlich alles entwickelt. Der Fußball an sich, aber zum Glück auch Wahrnehmung und Sichtbarkeit. Dementsprechend haben wir es geschafft, auch Vorbilder für junge Mädchen und Jungs zu werden und das ist natürlich ein schönes Gefühl. Ein wichtiger Faktor war, dass wir als Team – und dabei auch die einzelnen Spielerinnen – authentisch sind und diese Liebe zum Fußball transportiert haben.
Als B-Juniorin fällt Ihnen dann erstmals bewusst auf, dass es relativ wenige weibliche Trainerinnen gibt. Sie bezeichnen den Fußball als abgeriegeltes System. Können Sie das erklären?
Naja, man sieht es ja sogar heute noch, dass es wenige Trainerinnen auf hohem Niveau gibt. Ich glaube, da gibt es zwei Faktoren. Ex-Spielerinnen, die vielleicht Lust hätten, Trainerinnen zu werden, haben in ihrer Karriere einfach zu wenig verdient, um eine Lizenz zu bezahlen. Sie haben stattdessen nebenbei noch gearbeitet. Der Fußball war für sie nicht der Lebensunterhalt, also haben sie diesen Weg auch nicht eingeschlagen. Der zweite Faktor ist die fehlende Akzeptanz. Für Frauen ist überhaupt sehr schwierig, überhaupt in einem Lehrgang angenommen zu werden. Da sind pro Lehrgang ein bis zwei Frauen, sonst nur Männer. Da hat man das Gefühl, dass sei vielleicht auch gar nicht so gewünscht. So nach dem Motto: „Die Frau könnte dem Mann etwas wegnehmen“.
Ein wiederkehrendes Thema ist die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. Wurden mittlerweile die Weichen in die richtigen Richtungen gestellt?
Sagen wir mal, wir sind auf einem guten Weg. In der Bundesliga muss noch einiges getan werden, was Infrastruktur und Bezahlung angeht. In der Nationalmannschaft sieht es schon sehr gut aus. Bei all der Entwicklung wäre mir aber noch wichtig, den Fußball nicht aus den Augen zu verlieren und das Ganze nicht zu kommerziell werden zu lassen.
Kommen wir zur EM in der Schweiz. Vor allem im Vorfeld wurde sehr kritisch über Bundestrainer Christian Wück gesprochen. Nun reiht sich Erfolg an Erfolg. Wird hierzulande gerne vorab gemeckert?
Ich empfinde Deutschland in den letzten Jahren als extrem negativ. Es glauben alle, dass neue Trainer oder neue Spielerinnen von heute auf morgen alles richtig machen müssen. Gebt ihnen doch mal Zeit, anzukommen. Wir sind alle nur Menschen, die auch Fehler machen.
Wie sehen Sie das Team, und wie groß sind die Titelchancen?
Im Moment spielt das Team sehr effizient. Es kann alles passieren bei so einem Turnier. Grundsätzlich glaube ich aber an die Möglichkeit, den Titel zu holen, weil ich die Qualität im Team sehe.
Frankreich, England und Spanien sind große Konkurrenten. Welchen Geheimfavoriten hat niemand auf dem Zettel?
Für mich gehört Schweden auch immer dazu.
Mit Lena Oberdorf fährt die vielleicht prominenteste Akteurin aufgrund ihrer langen Verletzungspause nicht mit zum Turnier. Sie kennen das aus eigener Erfahrung.
Ein wenig unterschiedlich sind unsere Situationen schon. Ich habe Turniere aufgrund von Verletzungen verpasst, weil ich mich unmittelbar vorher verletzt habe. Obi stand, was die EM jetzt betrifft, ja wieder auf dem Trainingsplatz. Ohne genau zu wissen, auf welchem Niveau Obi schon war, wurde es ihr, glaube ich, zum Verhängnis, dass sie noch keine Minute gespielt hat.
Infos zur EM
16 Nationen kämpfen bei der Europameisterschaft der Frauen in der Schweiz um den begehrten Titel. Deutschland ist nach zuletzt fünf Siegen bereit für das Turnier. Mit Polen, Dänemark und Schweden hat das Team um Kapitänin Giulia Gwinn und Bundestrainer Christian Wück zwar keine leichte Gruppe erwischt, geht aber selbstbewusst in den Wettbewerb. Die deutschen Frauen treten dabei in drei Vorrundenspielen in drei verschiedenen Stadien an. Zunächst spielt man in St. Gallen, dann in Basel und am Ende in Zürich, wo das Team auch residiert. Star-Spielerin Lena Oberdorf hat es aufgrund ihrer langen Verletzung nicht in den Kader geschafft. Mit Frankreich, England oder Spanien sind zudem viele Schwergewichte mit topbesetzten Teams dabei. Es fällt also schwer, abzuschätzen, wer am 27. Juli im Finale von Basel steht. ARD und ZDF übertragen alle Spiele live.
Die Vorrunden-Begegnungen:
Freitag, 4. Juli, 21 Uhr: Deutschland – Polen (ARD)
Dienstag, 8. Juli, 18 Uhr: Deutschland – Dänemark (ARD)
Samstag, 12. Juli, 21 Uhr: Schweden – Deutschland (ZDF)