prisma: Klaas Heufer-Umlauf hat erst vor Kurzem bei „Late Night Berlin“ hingeschmissen und das Format quasi für tot erklärt. Wie stehen Sie dazu?
Till Reiners: Klaas hatte keine Lust mehr auf seine Show und hat rechtzeitig aufgehört, groß von ihm! Aber wenn Thomas Müller aufhört mit Fußball, ist Fußball ja nicht tot. So ist es mit Late Night. Und: Ich glaube in der Geschichte von deutscher Late Night gab es bisher keinen, der „gelernter“ Stand-up-Comedian ist. Das ist doch mal einen Versuch wert. Ich denke auch: Das Format ist den Leuten relativ egal, das ist nur Fernseh-Nerds wie uns ein Anliegen. Leute schalten ein und finden es dann entweder unterhaltsam oder nicht. Ich glaube, was wichtig ist: ein guter Sound, dass man spürt, wir sind in der Gegenwart, das Gefühl dieser Woche klingt bei uns nach, und dass Ton und Taktung des Humors stimmen. Wir haben uns an eine höhere Geschwindigkeit von Pointen gewöhnt, das muss, bei aller Entspanntheit, auch Late Night schaffen.
Wieso brauchen wir noch Late Night-Formate?
Es wurde ja schon oft gesagt: „Naja, aber Witze über aktuelle Sachen lese ich ja jetzt sowieso im Internet, warum brauche ich da ne TV-Sendung?“ Ich halte dagegen: „heute-show“ und „TV Total“ sind sehr erfolgreich, obwohl man vieles schon gesehen hat, weil man es mag, dass jemand das Gesehene zusammenträgt und sagt: „Krass, was war da denn los?“ Was so passiert, große Koalition, marode Brücken, teurer Zahnersatz, kaputte Ehe, schlechtes Gras, Hüfte kaputt, Trump nervt, Mutter stirbt: Das erleben wir irgendwie gemeinsam und kommen darüber ins Reden und machen Gags. Ich finde es immer tröstlich, wenn es ein Unwetter gibt und man logischerweise mit allen anderen darüber redet, wie sie nach Hause gekommen sind.
Was macht „Till Tonight“ als Show aus?
Zunächst mal gehen wir die Dinge entspannt an, als eine Einladung. Freitagabend, gute Temperaturen draußen, angenehme Stimmung, interessante Begegnungen. Ein Humor, der im Zweifel auf meine Kosten geht oder mein Scheitern einbezieht, nicht doziert oder seziert oder einen journalistischen Überbau hat. Ich setz mich nicht hin und frage, was die große Koalition diese Woche falsch gemacht habe, sondern was mir auf dem Weg ins Studio passiert ist. Die große Koalition, die aktuelle Wetterlage und das Abarbeiten an Putin, Trump und allen anderen politischen Daily Soaps kommt natürlich vor, aber eher als Twist oder Nebengeräusch. Wir gehen die Dinge erstmal mit meinem Humor und meiner Perspektive an. Dazu kommen ein Autorenteam, dass noch keine 50 Jahre TV auf dem Buckel hat und junge, talentierte Stand-up-Comedians, von denen viele noch nie Fernsehen gemacht haben, in deren Augen noch ein Feuer brennt. Das Feuer der Begeisterung fürs Leben! Dieses Feuer will ich verteidigen wie eine Löwenmutter! Wir erfinden den Stand-up nicht neu, aber natürlich fühl ich mich da besonders zuhause. Bei allem ist die Devise: Wir wollen unterhalten. Das geht mit Haltung, aber die soll nie vordergründig sein. Wir empfangen Gäste, werden ihnen aber nicht journalistisch auf den Zahn fühlen, sondern lassen sie eine gute Story mitbringen. Einspieler? Gibt es! Verdammt, ich weiß doch auch noch nicht, wie alles wird! Bock habe ich, dass weiß ich. Auf diese Chance habe ich 20 Jahre gewartet, wie geil, dass es klappt!
Auf was dürfen sich die Zuschauer freuen?
Eine leichte Sommer-Late-Night. Gut gemixte Getränke. Momente, in denen es sich mehr anfühlt wie ein sehr entspanntes, zwischendurch auch mal ernstes oder seltsames Zusammensein mit guten Freunden. Fernsehen, das erstmal eine simple und angenehme Einladung ist, dann aber auch mal Momente schafft, die man da gar nicht erwartet hätte.
Welche Gäste erwarten sie?
Das ist die einzige Frage, bei der ich schweigen werde wir ein Grab. Wir haben großartige Gäste, da werden ein paar Überraschungen dabei sein, diese Überraschung will ich nicht kaputt machen.
Haben Sie Vorbilder?
Es gibt humortechnisch zwei Vorbilder: Hape Kerkeling und Josef Hader. Zwischen diesen Polen findet alles statt, was ich mir so ausdenke. Ansonsten war ich vor zwei Jahren in New York und ich habe jeden Tag Stand-up-Shows gesehen. Unter anderem war ich als Zuschauer in der Sendung „Late Night with Seth Meyers“ und begeistert, wie routiniert und locker die einfach eine Show aus dem Boden stampfen. Die Amis sind natürlich immer ein Vorbild, ich liebe außerdem John Mulaney und James Acaster. Ich fand auch vieles gut, was Schmidt in den Sat.1-Jahren gemacht hat und habe auch „Late Night Berlin“ gern gesehen.
„Till Tonight“ ab Freitag, 20. Juni, 23 Uhr im ZDF