16.06.2025 Rezepte

Alkoholfrei Genießen

Sebastian Jäger ist ein renommierter Cocktail- und Mocktail-Experte aus dem Saarland. Prisma hat mit ihm über den Trend zu alkoholfreien Drinks, seinen Werdegang, die Entwicklung der Mocktails und seine jüngsten Wettbewerbserfolge gesprochen. Zudem gibt er Tipps für angehende Mixologen.

prisma: Könnten Sie uns ein bisschen über Ihren Werdegang erzählen? Ich habe gelesen, dass Sie per Zufall zur Cocktail- und Mocktail-Szene gekommen sind. Stimmt das?

Sebastian Jäger: Bei mir kam immer ein wenig der Zufall dazu. Schon zu Abizeiten habe ich mich mit Cocktails beschäftigt, aber nach dem Abitur habe ich erst die Bundeswehr gemacht und dann Jura studiert – aus Überzeugung, nicht aus Not. Während des Studiums habe ich im Hotel gearbeitet, um es zu finanzieren, und da kam das Thema Cocktails immer wieder auf. Obwohl mich Jura faszinierte, wurde mir klar, dass ich nicht als Jurist arbeiten wollte. Nach dem Examen im Arbeitsrecht war ich etwas orientierungslos. Ich habe das Studium abgeschlossen, aber nicht gewusst, wohin mit mir. Dann kam das Thema Spirituosen und Cocktails wieder ins Spiel. Klassisches Barkeeping, also fünf Tage die Woche hinter der Bar, war aber nie mein Ding – Respekt an die Kollegen, die das machen! Stattdessen habe ich den Hotelmeister gemacht und einen Bachelor Of Hospitality absolviert, mit dem Plan, ins Ausland zu gehen und in einer Hotelkette zu arbeiten. Doch es kam anders: Ich wurde Betriebsleiter einer Eventlocation in Saarbrücken. Dort habe ich nebenbei an der Bar gearbeitet, um den Meister zu finanzieren, und die Inhaber boten mir an, die Betriebsleitung zu übernehmen – unter der Bedingung, dass ich meine Selbstständigkeit mit Cocktails vorantreiben kann. So bin ich dabeigeblieben.

Ihre Leidenschaft für Cocktails hat Sie also nie losgelassen?

Sebastian Jäger: Nein, überhaupt nicht. Unter meinem Label „Sebastian Wolf Jäger“ habe ich das Thema professionalisiert. Ich mache Consulting, Mitarbeiterschulungen und entwickle Cocktail- sowie Mocktail-Rezepte. Die Leidenschaft ist geblieben, auch wenn mein Hauptjob als Betriebsleiter weniger mit Cocktails zu tun hat.

Was fasziniert Sie an der Entwicklung von Mocktails, und wie unterscheiden sie sich von klassischen Cocktails?

Sebastian Jäger: Mocktails sind für mich eine spannende Kombination aus Handwerk und Kunst. Das Handwerk ist simpel: Man folgt einer Rezeptur, kennt die Arbeitsschritte und muss wissen, was man tut. Doch der künstlerische Teil beginnt, wenn man versteht, warum man etwas macht, und der Fantasie freien Lauf lässt. Dann entwickelt man neue Rezepte und Ideen, und das macht riesigen Spaß. Mocktails sind schwieriger, weil der Alkohol als Geschmacksträger fehlt und die Produktpalette kleiner ist. Man muss kreativer sein, um eine geschmackliche Tiefe zu erzeugen, ohne dass es wie ein simpler Saftmix schmeckt. Ich arbeite zum Beispiel mit unerwarteten Zutaten wie Balsamico, Fruchtessig oder Quark, die alle alkoholfrei sind, aber eine besondere Geschmackstiefe bringen. Man variiert Säure, Süße und Bitterkeit, um den richtigen Kick zu finden.

Es gibt ja alkoholfreie Ersatzprodukte wie alkoholfreien Gin. Nutzen Sie solche Produkte oder improvisieren Sie eher?

Sebastian Jäger: Beides. Alkoholfreie Produkte wie Gin oder Kräuterliköre – zum Beispiel der alkoholfreie „Chilla“ von Lantenhammer – sind brauchbar und bieten eine gute Basis. Sie erreichen aber nicht die geschmackliche Tiefe ihrer alkoholischen Pendants. Deshalb experimentiere ich oft mit Zutaten, die man nicht erwartet, um den Geschmack zu heben. Es geht darum, kreativ zu sein und die Grenzen auszutesten.

Bei Ihrem siegreichen Mocktail spielte ja das Storytelling eine Rolle. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Sebastian Jäger: Ja, beim Wettbewerb war das Storytelling ein zentraler Punkt. Mein Mocktail „The Smart Gatsby“ ist inspiriert von Der große Gatsby und den rauschenden Partys der 1920er-Jahre – Leichtigkeit, Glamour, Casino-Vibes. Die Idee war, dieses Lebensgefühl ohne Alkohol einzufangen, also ohne Kater oder negative Folgen. Der Drink sieht aus wie ein echter Cocktail, serviert in einer Champagnerschale mit Goldgarnitur, Cracker mit Kaviar und zwei Spielkarten als Deko. Ein Schaum hätte nicht gepasst, da ich eine klare, elegante Struktur wollte, die die Geschichte unterstreicht. Das Buch endet tragisch, aber mein Mocktail fokussiert sich auf die positive Seite – das Lebensgefühl ohne die Schattenseiten.

Die Rezeptur dürfen Sie nicht verraten, oder?

Sebastian Jäger: Genau, die Rezeptur ist geheim, weil ich mit dem Drink bei der Weltmeisterschaft antreten werde. Eine vorzeitige Veröffentlichung würde zur Disqualifikation führen. Deshalb muss ich hier ein bisschen herumeiern – sorry!

Ihr Ansatz scheint sehr frei zu sein. Gibt es Zutaten oder Kombinationen, die Sie ablehnen würden?

Sebastian Jäger: Ich habe keine Gedankenschranken. Ich denke nicht in klassischen Kategorien wie „Süße braucht Säure“ oder „es muss eine Basis geben“. Stattdessen überlege ich: Wie soll der Drink schmecken? Ein Beispiel ist mein „Flammkuchen“-Cocktail, mit dem ich Vizemeister wurde. Ich wollte einen vegetarischen Flammkuchen als Drink, mit einer Spirituose, die nach Teig und Birne schmeckt. Ein anderer Drink, „Streuobstwiese“, sollte den Sommer im Saarland einfangen – blühende Wiesen, fruchtige Noten. Ich probiere viel aus, teste Kombinationen und lasse Freunde oder meine Partnerin verkosten, um Feedback zu bekommen. Manche Drinks sind in einer Stunde fertig, andere brauchen Wochen.

Ohne Ihr Geheimrezept zu verraten – können Sie den Lesern ein paar Tipps für Mocktails geben? Was sollte in einer Mocktail-Bar nicht fehlen?

Herr Jäger: Eine Mocktail-Bar braucht keine festen Regeln, aber der wichtigste Tipp ist: Traut euch und habt Spaß! Viele konzentrieren sich zu sehr auf Säfte, aber es geht darüber hinaus. Manche der alkoholfreien Ersatzprodukte sind super, um geschmackliche Tiefe zu erzeugen. Schaut in den Kühlschrank, probiert ungewöhnliche Zutaten wie Kräuter oder Kaffee – aber Vorsicht, Kaffee ist dominant und schwer zu kombinieren. Experimentieren ist der Schlüssel. Das Entwickeln macht oft mehr Spaß als das Trinken selbst.

Sie legen Wert auf regionale Produkte. Würden Sie das auch empfehlen?

Sebastian Jäger: Absolut. Regionale Produkte machen Spaß, weil man direkt mit kleinen Brennereien oder Herstellern sprechen kann. Man riecht an einem Produkt und hat sofort Ideen für einen Drink. Es ist ein kreativer Prozess, der schon beim Einkaufen beginnt. Der Nachhaltigkeitsaspekt – weniger Transportwege – ist ein Bonus, aber für mich zählt das Erlebnis: Warum bei einem Großkonzern kaufen, wenn ich beim lokalen Brenner etwas finde? Bei Wettbewerben ist das schwierig, da oft bestimmte Produkte vorgeschrieben sind, aber sonst setze ich auf Regionales.

Haben Sie noch Rezepte für unsere Leser?

Sebastian Jäger: Eine sehr neue, einfach gehaltene Rezeptur mit einem tollen und spannenden- und regionalen Produkt, dem Kombucha, ist der „Milky Phoenix“, der zwar nicht vollkommen auf Alkohol verzichtet, aber als „low-alcoholic“ gilt.
- 5 cl Fischer 1898 Red Pulse Kombucha
- 2 cl Italicus
- 1 cl Fabbri Mandelmilch
Die Mandelmilch und den Italicus auf Eis shaken, in eine vorgekühlte Cocktailschale abseihen, mit Red Pulse Kombucha auffüllen und einem Zweig frischer Minze garnieren.

Und hier noch einer der Cocktails, mit dem ich meinen Titel des Deutschen Vizemeisters bei den Cocktails mit Alkohol 2023 verteidigen konnte:

„Streuobstwiese“
- 3 cl G´Vine June Royal Pear & Kardamon
- 1 cl Calvados VSOP
- 1,5 cl Giffard Apricot du Roussilion Liqueur
- 0,5 cl Giffard Quittensirup
- 1 Barlöffel Boar Caliber
Alles auf Eis shaken, in vorgekühlte Champagnerschale doppelt abseien. Zur Garnitur eignen sich mit G´Vine Par benetzte Apfelstücke, Käse und Quittengelee.

Hier gibt es noch 2 ausführliche Rezepte:

Küchengeflüster
Zutaten (für ein Glas):
- 4 cl alkoholfreier Gin (zum Beispiel Boar Zero)
- 1 cl Giffard Sirup Poire
- 1 cl Giffard Sirup Lemongrass
- 1,5 cl Himbeer-Essig
- 2 cl frisch gepresster Zitronensaft
- 1 cl Eiweiß
- mit Sprudel aufgießen
Zubereitung:
1. Alle Zutaten, außer Mineralwasser, in einen Shaker geben.
2. Ohne Eis kurz schütteln.
3. Shaker mit Eiswürfeln auffüllen und erneut kräftig schütteln.
4. Durch ein Sieb in ein vorgekühltes Glas abseihen.
5. Mit Mineralwasser auffüllen.
6. Schaum durch Spritzer einer Zitronenzeste aromatisieren.
7. Als Garnitur kann die der Länge nach dünn geschnittene Scheibe einer Birne sowie ein Zweig Thymian hinzugegeben werden, der zuvor in der Hand angerieben wurde.

Himbeer-Kombucha
Zutaten (für zwei Gläser):
- 400 ml Kombucha (am besten selbstgemacht oder unpasteurisiert)
- 100 g frische Himbeeren (alternativ tiefgekühlte)
- 1 Limette (Saft)
- 2 TL Honig (optional, je nach Süße des Kombuchas)
- 200 ml Sprudelwasser
- Eiswürfel
- Frische Minze zum Garnieren
Zubereitung:
1. Himbeeren leicht zerdrücken, in zwei Gläser geben.
2. Limettensaft und Honig (falls gewünscht) mit dem Kombucha vermengen.
3. Eiswürfel in die Gläser füllen, die Kombucha-Mischung darüber gießen.
4. Mit Sprudelwasser auffüllen und vorsichtig umrühren.
5. Mit Minzblättern garnieren und sofort servieren.
Tipp: Für mehr Spritzigkeit kann der Kombucha vorher einer Zweitfermentation unterzogen werden, in dem er luftdicht in ein Gefäss gegeben wird, um die Kohlensäure im Getränk zu erhöhen. Prost!