So viel Japan war nie: Nach Essen zeigt nun auch Bonn, wie sich Künstler über Kontinente beeinflussten.
Vor Jahresfrist hatte das Essener Folkwang Museum mit seiner Ausstellung "Inspiration Japan" eine der interessantesten Quellen der modernen (europäischen) Kunst offengelegt: der japanische Holzschnitt mit seinen "Bildern der fließenden Welt" (Ukiyo-e) als Ansporn und Vorbild für die impressionistische Malerei.
Jetzt legt die Bundeskunsthalle in Bonn nach. Man reibt sich die Augen: huch, dasselbe noch einmal?
Japans Liebe zum Impressionismus heißt die Bonner Ausstellung. Der Titel verschiebt die Perspektive. Nicht mehr die Umsetzung japanischer Tradition in Europa steht im Mittelpunkt. Dafür die Begeisterung Japans über das, was aus seiner Kunst in Europa, namentlich in Frankreich, geworden ist.
Zu verworren? Ist es nicht. Die Maler, die gezeigt werden, sind im großen Ganzen identisch mit denen von Essen: Monet, Manet, Cézanne, Gauguin, Bonnard usw.
Dazu schöne Courbets und Corots, aber entschieden weniger van Goghs. Er vor allem hatte Essen als Kronzeuge für die europäische Japan-Begeisterung gedient; sein Weg in die Provence war eine verkappte Suche nach dem ultraleichten, ultrahellen Licht Japans, das er auf billigen Importvasen in Paris gesehen und das es ihm angetan hatte.
Nackt auf nackt
Unterm Strich lebt eine Ausstellung von der Qualität der Bilder und Skulpturen, die sie zu bieten hat. Kann die Bundeskunsthalle das Museum Folkwang übertreffen?
In Sachen nackter Haut allemal. Gustave Courbets "Die Ermordung der Desdemona" ist eher ein erotischer denn gewalttätiger Akt und gemahnt von der Pose her an sein Gemälde "Der Ursprung der Welt".
Pierre-Auguste Renoirs "Badende" wird von Sotaro Yasuis "Pfau und Frau" gekontert, womit zwei Grundlinien der Bonner Ausstellung offenliegen. Erstens die didaktische Linie: Wie gingen japanische Künstler ihrerseits mit der europäischen Umsetzung japanischer Kunst um? Das führt zu Entdeckungen, zu Malern wie Yasui, Umehara, Saïto und Bushô Hara.
Sie nahmen den französischen Impressionismus wie einen Rebound auf (sorry, ein Ausdruck vom Basketball) und machten ihn, indem sie einen japanischen Impressionismus schufen, endgültig zur Weltkunst.
Pierre-Auguste Renoir, hm, das ist die zweite Linie, und sie ist entschieden überrepräsentiert. Darf man das sagen: Renoir ist Kitsch? Man sollte.
Das Museum Folkwang hatte vor einem Jahr die kompaktere Ausstellung und eindeutigere Botschaft: Japan öffnet sich im 19. Jahrhundert dem Westen, seine Produkte (Vasen etc.) gelangen in Kitschund Kioskqualität nach Paris, und den französischen Künstlern geht ein Licht auf.
Bonn lebt dagegen von der Vergleichbarkeit. Auf ein japanisches Boot folgt ein französisches, auf eine japanische Nackte eine französische; und umgekehrt. Auf den Fuji folgt Cézannes Montagne Sainte-Victoire.
Deutschland, das muss erwähnt werden, blieb bei alledem lange außen vor. Die Berliner Secession, der Sammler Osthaus und der Verleger und Kunsthändler Cassirer führten ab ca. 1900 moderne Kunst gegen viel Widerstand in Deutschland ein.