16.06.2025 Serie: Meine Finanzen

Erben und Vererben – darauf kommt es an

In Deutschland wird so viel Vermögen vererbt wie noch nie zuvor. Doch wer keine Standard-Erbfolge möchte, der sollte sich beizeiten kümmern – sonst ist Streit so gut wie vorprogrammiert.
Andrea-Eva Stohp, Fachanwältin für Erbrecht.
Andrea-Eva Stohp, Fachanwältin für Erbrecht. Fotoquelle: Stohp & Siegel

Sage und schreibe 121,5 Milliarden Euro wurden im Jahr 2023 in Deutschland durch Erbschaften und Schenkungen weitergegeben – ein Höchstwert. Laut Statistischem Bundesamt lag diese Zahl um fast ein Fünftel (19,8 Prozent) höher als im Jahr zuvor.
Liegt kein Testament vor, geht das Gesetz davon aus, dass die verstorbene Person ihr Vermögen den nächsten Familienmitgliedern hinterlassen will: Kindern und Ehepartner. Wer genau das möchte, darf sich entspannt zurücklehnen, denn dann wird die Erbschaft nach den gesetzlichen Vorschriften abgewickelt. Wie aber können zum Beispiel Alleinstehende regeln, dass diejenigen bedacht werden, die sich bis zum Lebensende um sie gekümmert haben? Was gilt bei einer Patchworkfamilie oder wenn es darum geht, behinderte Kinder besonders abzusichern? Oder wenn das Vermögen einem guten Zweck zugutekommen soll? Wer sich diese Fragen stellt, muss aktiv werden und handeln. In den meisten Fällen ist ein Testament eine gute Lösung.
Beim Erstellen eines Testaments sind einige Fallstricke zu berücksichtigen: „Wird jemand enterbt, bleiben ihm immer noch Pflichtteilsansprüche, und Erbengemeinschaften bringen oft Streitigkeiten mit sich“, weiß Andrea-Eva Stohp, Fachanwältin für Erbrecht. „Eine Erbengemeinschaft muss alle Entscheidungen gemeinsam und einstimmig fällen. Sind Geschwister schon über Jahre zerstritten, dann ist eine solche Harmonie nur schwer hinzukriegen.“ Grundsätzlich gilt: Ein Testament muss vollständig handschriftlich verfasst sein – nicht nur per Hand unterschrieben. Es sollte an einem sicheren Aufbewahrungsort hinterlegt werden. Bei zerstrittenen Familien kommt die Befürchtung auf, dass ein Testament verschwindet, wenn der Inhalt nicht gefällt. Nicht nur mit Blick auf solche Fälle rät Anwältin Stohp zu einem Notarbesuch: „Ein notarielles Testament wird beim Amtsgericht hinterlegt und ist im Todesfall sofort auffindbar. Es sorgt bei überschaubaren Kosten für Sicherheit.“
Kommt dann noch der Aspekt der Erbschaftsteuer hinzu, ist eine Beratung durch Erbrechts-Fachleute quasi Pflicht. Erben erster Ordnung – Kinder – genießen einen steuerlichen Freibetrag von 400 000 Euro. Schon bei Eltern sinkt dieser Freibetrag, bei Geschwistern bis auf 20 000 Euro. Alles darüber Hinausgehende ist mit dem jeweils individuellen Steuersatz zu versteuern. Bei kaskadierenden Erbfolgen mit mehrmaligen Steuerzahlungen ist es unter Umständen sinnvoll, gleich die Enkel zu bedenken.
Wer frühzeitig plant, kann sein Vermögen auch „mit der warmen Hand“ weitergeben, also zu Lebzeiten noch verschenken. Bei Schenkungen kann der Steuerfreibetrag alle zehn Jahre ausgeschöpft werden.
Oft ist ein Vermögensgegenstand wie geschaffen für eine bestimmte Person: „Meine goldene Kette vermache ich meiner Nichte X, das Auto meinem Cousin Y und das Gemälde über dem Sofa geht an Tante Z.“ Diese drei Personen sind keine Erben, sondern erhalten ein Vermächtnis, das auch nur dann gilt, wenn es ins Testament geschrieben ist.
In manchen Situationen reicht ein Testament aber nicht aus, zum Beispiel bei unverheirateten Paaren oder unter Geschwistern, wenn sie über ihr gemeinsames Vermögen bestimmen möchten. Dann sollte ein notarieller Erbvertrag abgeschlossen werden. Auch eine Gegenleistung kann darin festgelegt werden, beispielsweise die Pflege des Erblassers.
Für Erben ist ein Todesfall ebenfalls oft eine Herausforderung – nicht nur durch die Trauer. Ein verschuldetes Erbe auszuschlagen fällt emotional oft nicht leicht. Und was passiert mit dem Elternhaus nach der Erbschaft? Laut Zeitschrift „Finanztest“ könnte ein Verkauf sinnvoll sein, wenn sich die Immobilie nicht zur Selbstnutzung eignet, weit entfernt vom eigenen Wohnort liegt oder Sorge besteht, dass der Erhalt des Hauses nicht dauerhaft zu leisten ist.
Info:
Weiterführende Informationen bietet der Ratgeber der Verbraucherzentralen „Handbuch Testament“ unter: www.ratgeberverbraucherzentrale.de