Wer hat die Haysoms ermordet?

"Killing For Love" rollt den Fall um Jens Söring neu auf

von Elisa Eberle

Mehr als 30 Jahre saß Jens Söring für den Mord an den Eltern seiner Freundin in den USA in Haft. Doch inzwischen gibt es Zweifel an seiner Schuld. Eine TV-Doku möchte der Wahrheit auf den Grund gehen. Dabei setzt sie auf bisher unveröffentlichtes Material.

Es sind schockierende Bilder, die zu Beginn der Doku "Killing For Love – Der Fall Jens Söring" präsentiert werden: Ein blutbefleckter Damenschuh, gefolgt von den am Boden liegenden Leichen von Derek Haysom und seiner Frau Nancy. Die Fotos stammen aus den Ermittlungen zu einem Kriminalfall, der die Gemüter wie kaum ein anderer in den vergangenen Jahren bewegte.

Am 4. September 1990 wurde der Deutsche Jens Söring in den USA wegen des Mordes an den Eltern seiner amerikanischen Freundin Elizabeth zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt. Knapp 30 Jahre später, am 17. Dezember 2019, wurde Söring auf Bewährung vorzeitig entlassen und durfte in sein Heimatland zurückkehren. Der Fall wurde in den vergangenen Jahren immer wieder aus den verschiedensten Perspektiven beleuchtet, immer wieder wurden Zweifel an Sörings Schuld laut.

Zweifel, die die Autoren Karin Steinberger und Marcus Vetter zu einem umfangreichen Filmprojekt inspirierten: Bereits 2018 zeigte das Erste ihre Doku "Das Versprechen". Im Doku-Vierteiler "Killing For Love – Der Fall Jens Söring" (Dienstag, 4. August, 20.15 Uhr, ZDFinfo) rollen sie den Fall nun erneut auf – und es geht noch umfangreicher und tiefschürfender zur Sache. Die TV-Journalisten sprachen mit den damaligen Ermittlern, Zeugen – und mit Jens Söring selbst. Außerdem präsentieren sie nie gezeigte Videoaufnahmen aus den beiden Prozessen gegen ihn und gegen Elizabeth.

"Ich habe mein Leben zerstört. Ich habe die Leben meiner Eltern zerstört", erklärt Söring in dem 2013 aufgezeichneten Interview. Es ist das einzige, das je ein Kamerateam während seiner Haftstrafe führen durfte. "Ich habe so vielen Menschen so viel Unglück gebracht, weil ich dachte, dass es sich um Liebe drehte. Aber die Liebe gab es nicht."

Seine Beziehung zu Elizabeth begann 1984, ein knappes Jahr vor der Tat, auf einer Uniparty. Sie lernten sich kennen, freundeten sich an und wurden schließlich ein Paar. Irgendwann vertraute sich Elizabeth ihm an und erzählte, dass sie von ihrer Mutter sexuell vergewaltigt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihm schon allerlei Geschichten über sich erzählt: "Rückblickend weiß ich, dass ich diese Frau nie gekannt habe", erklärt Söring in dem Film.

Wer ist Elizabeth Haysom?

In der Tat scheint Elizabeth zumindest eine undurchsichtige Person zu sein: In den Prozessaufzeichnungen vergleicht sie sich mit Lady Macbeth, einer Dramenfigur Shakespeares, die ihren Mann zum Mord anstiftet. Immer wieder verstrickt sie sich jedoch in Widersprüche, nimmt im Vorfeld getätigte Aussagen zurück.

"Sie war eine gute Lügnerin", erinnert sich im Film auch Carlos Santos, der Herausgeber einer Lokalzeitung. Den Grund dafür sieht er in Elizabeths Drogenabhängigkeit. Am Ende wird Elizabeth als Mittäterin zu 90 Jahren Haft verurteilt. Im selben Jahr wie Söring kommt auch sie auf Bewährung frei.

"Irgendwie hoffte ich dann immer noch so ein bisschen, dass sie dann doch irgendwie die Wahrheit sagen würde", erklärt Söring. Doch was ist überhaupt die Wahrheit? Am 30. März 1985 wurden die Haysoms in ihrem Haus in Lynchburg, Virginia, brutal ermordet. Als Elizabeth und Söring ins Visier der Polizei gerieten, flohen sie: erst nach Großbritannien, später nach Thailand. Ende April 1986 wurden sie schließlich wegen Scheckbetrugs in London verhaftet.

Söring wollte Elizabeth vor der Todesstrafe retten, also gestand er die Tat. Als Diplomatensohn, so hoffte er, werde er nach Deutschland überstellt. Als ihm schließlich selbst die Todesstrafe drohte, zog er sein Geständnis zurück. Von der Tatnacht und den Stunden zuvor erzählen Elizabeth Haysom und Jens Söring jeweils ihre eigene Geschichte. Doch welche der beiden Versionen stimmt?

Zwei Seiten und viele ungeklärte Fragen

Ricky Gardner, einer der damals ermittelnden Sheriffs, glaubt Elizabeth. "Jens Söring war verrückt. Er hasste die Haysoms", erläutert er. "Er hasste die Haymsoms, weil sie ihm all ihre Gedanken in den Kopf gepflanzt hatte, wie sehr sie ihre Eltern hasste, und dass er nichts mit ihr zu tun hatte. Aber das wollte er mehr als alles andere. Er wollte das mehr als ein Jefferson-Stipendium. Er wollte Elizabeth."

Doch es gibt auch Menschen, die an Sörings Version glauben. Zwei davon sind seine Anwältin Gail Ball und der von ihr beauftragte Privatdetektiv Dave Watson. Gemeinsam rollen sie den Fall erneut auf – mit überraschendem Ergebnis. Sie finden einen Brief vom Bedford County Sheriffs Departement. "Es wurde kein Täterprofil erstellt", heißt es darin. Der damals beauftragte FBI-Profiler Ed Sulzbach erinnert sich jedoch genau an das von ihm erstellte Profil. "Ich setzte auf ihre Tochter", erklärt er. Das entsprechende Dokument müsse irgendwo in den Untiefen des FBIs zu finden sein.

Wer also hat die Haysoms ermordet? Hatte Mrs. Haysom wirklich eine sexuelle Beziehung zu ihrer Tochter Elizabeth? Und wie genau ging es nach der Tat mit den beiden Liebenden weiter? All diese Fragen werden in den vier, nun am Stück ausgestrahlten 45-minütigen Folgen gestellt. Eine Antwort wird aber nicht immer gefunden.

Mittlerweile lebt Jens Söring bei einer Familie in Deutschland, die ihn aufgenommen hat. Mit seinen eigenen Verwandten hatte er sich nach 15 Jahren Haft zerstritten. Worin dieser Streit begründet lag, ist nicht bekannt: "Das will ich hier nicht sagen", antwortete Söring als er im Mai in der ZDF-Talkshow "Makus Lanz" danach gefragt wurde. Zu Elizabeth, so erzählte er damals weiter, habe er keinen Kontakt: "Ich habe ihr nichts zu sagen." Er wurde und werde geliebt, das sei das Wichtigste. In die USA darf Söring nie wieder zurückkehren. Elizabeth Haysom wiederum wurde im Januar 2020 in ihr Heimatland Kanada überstellt.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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