TV-Koch im Interview

Ali Güngörmüş: "Ich habe vier- bis fünfmal im Jahr Fleisch bekommen"

06.08.2022, 14.32 Uhr
von Aylin Rauh

Durch diverse Kochsendungen im Fernsehen ist Ali Güngörmüş deutschlandweit bekannt geworden. Mit seinem neuen Kochbuch "Meze vegetarisch" vereint er türkische Küche und vegetarische Ernährung.

Fernsehkoch Ali Güngörmüş war zehn Jahre alt, als er mit seiner Mutter und seinen sechs Geschwistern von Pageou, einem Dorf in Ostanatolien, nach Deutschland kam. "Es war wunderschön, und ich war viel von der Natur umgeben", schwelgt er im Interview in Kindheitserinnerungen. Der Start in Deutschland war dann durchaus schwierig, erklärt der 45-Jährige. "Aber ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch und wollte mich integrieren. Meinem Vater ist es wichtig gewesen, dass wir schnell die deutsche Sprache beherrschen und gut in der Schule sind."

Seinem Ehrgeiz und Willen, glaubt der bodenständige Koch, habe er es zu verdanken, dass es mit der großen Küchen- und Gastrokarriere geklappt hat. "Man sollte immer einer Arbeit nachgehen, die man liebt und bei der man mit Leidenschaft dabei ist", findet Güngörmüş. Mittlerweile ist er nicht nur ein erfolgreicher Gastronom, sondern seit Jahren ein gern gesehener Gast im deutschen Fernsehen. Ali Güngörmüş ist beispielsweise auch am Sonntag, 14. August, beim Sommer-Special von "Grill den Henssler" (20.15 Uhr, VOX) mit von der Partie. Im Interview spricht er über seine Zeit in der Türkei und seinen Beruf, außerdem verrät er die Hintergründe über sein neues Kochbuch "Meze vegetarisch", das seit 2. August erhältlich ist.

prisma: Herr Güngörmüş, Sie sind Gastronom, ein bekanntes TV-Gesicht, leiten eine Kochschule und veröffentlichen mal wieder ein neues Kochbuch – klingt nach einem vollen Terminkalender!

Ali Güngörmüş: Das stimmt, aber ich bin sehr glücklich momentan. Ich habe tolle Menschen um mich herum, die mir positive Energie geben und mich unterstützen. Das war natürlich nicht immer so, aber aktuell genieße ich mein Leben. Ich treibe viel Sport und ernähre mich öfters vegetarisch – was perfekt zu meinem neuen Kochbuch passt (lacht).

prisma: Ist das auch der Anlass für "Meze vegetarisch"?

Güngörmüş: Ich habe bereits als Kind viel vegetarisch gegessen, Fleisch war bei uns eine Seltenheit und zu teuer. Vor drei Jahren habe ich meine Ernährung umgestellt, weil ich zu viel Fleisch und Fisch aß. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich bei vegetarischen Gerichten mehr Energie habe und besser gelaunt bin. Zwar esse ich weiterhin noch Fleisch, aber um einiges weniger als früher. Mit dem Buch "Meze vegetarisch" möchte ich zeigen, dass man vegetarische Gerichte einfach und lecker zubereiten kann. Es muss nicht immer Fleisch sein.

prisma: Ist in Ihren Augen die vegetarische Ernährungsweise noch etwas Ungewöhnliches?

Güngörmüş: Das hat sich auf jeden Fall durchgesetzt. Das merkt man auch bei veganen Gerichten. Als vor 25 Jahren Sushi und roher Fisch verkauft wurden, waren viele Menschen zunächst skeptisch und haben gemeint, dass es sich nur um einen Trend handelt. Aber es hat sich bis heute durchgesetzt. Vegetarisch ist nicht schlecht, es ist gesund und nachhaltig. Wenn zum Beispiel das Gemüse regional bezogen wird, tut der Mensch auch für die Umwelt etwas Gutes. Wir müssen alle umdenken und auf gewisse Sachen mehr verzichten. Ich bin kein Mensch, der sagt, dass jeder Mensch auf Fleisch verzichten soll. Aber wenn wir mit mehr Verstand an das Essens-Thema rangehen, kann man nur profitieren.

prisma: Wird der Fleischkonsum abnehmen?

Güngörmüş: Ich denke, ja, es ändert sich gerade etwas. Früher hat ein Barbecue-Restaurant nach dem anderen eröffnet, so ist es heute nicht mehr. Der natürlich immer noch enorme Fleischkonsum hierzulande hat auch damit zu tun, dass Fleisch so billig ist. Wenn man in Discountern für Hühnerschenkel zum Spottpreis bekommt – das darf nicht sein. Ich habe kein Verständnis dafür, weil man auf diese Art respektlos mit Tieren umgeht. Der Fleisch-Preis muss in die Höhe, damit es der Mensch wieder schätzen lernt.

prisma: Sie wissen, welcher Einwand jetzt kommen muss ...

Güngörmüş: Natürlich gibt es Menschen mit einem geringen Einkommen, das ist mir alles bewusst. Fleisch sollte nicht so teuer werden, dass es sich nicht jeder leisten kann. Aber es sollte so sein, dass man zum Beispiel nur am Wochenende Fleisch ist. Respekt und Wertschätzung eines Produktes sind sehr wichtig. Und da sind auch wir Köche gefordert. Wir müssen mehr auf dieses Thema aufmerksam machen.

prisma: Gab es als Kind viel Fleisch bei Ihnen zu essen?

Güngörmüş: Überhaupt nicht. Ich habe, wenn es hochkommt, vier- bis fünfmal im Jahr Fleisch bekommen. Das war für uns nicht erschwinglich. Wenn jemand am Opferfest ein Tier geschlachtet hat, haben wir ein Stück bekommen und es sehr genossen.

prisma: Was war Ihr Lieblingsgericht in Ihrer Kindheit?

Güngörmüş: Kartoffelstampf mit Petersilie und Brot, als Getränk gab es Ayran dazu. Dieses Essen hat meine Mama immer gemacht. Einfach Zwiebeln in Olivenöl angeschwitzt, bisschen Salça und gekochte Kartoffeln dazugegeben, Petersilie und selbst gemachte Butter hinzu – fertig.

prisma: Sie sind mit sechs Geschwistern aufgewachsen, da musste es mit dem Kochen wahrscheinlich sehr schnell gehen ...

Güngörmüş: Das stimmt (lacht). Wir hatten einen Bauernhof, meine Mutter war immer im Garten oder auf dem Acker. Es gab Tage, wo wir nur Ayran, Brot und Tomatensalat gegessen haben. Aber es war lecker und einfach. Meistens sind es die einfachsten Sachen, die am besten sind.

prisma: In Ihrem Restaurant bieten Sie Meze an – ist das Ihr Lieblingsessen aus der türkischen Küche?

Güngörmüş: Ich liebe viele türkische Gerichte, wie türkische Hausmannskost. Die türkische Küche ist eine der besten Küchen der Welt. Sie ist leicht und vielfältig. Es wird leider hier in Deutschland auf gewisse Imbissgerichte, wie zum Beispiel Döner, reduziert. Wenn man in der Türkei ist, sieht man, dass da viel mehr geboten wird. Istanbul ist sehr kosmopolitisch, in den Schwarzmeerregionen liegt der Fokus stark auf Fisch. Dann gibt es die Ägäisregion, wo viel mit Gemüse und Kräutern gekocht wird. In anderen Regionen geht es in die gewürz- und fleischlastige Richtung.

prisma: Können Sie sich an das erste deutsche Gericht erinnern, das Sie gegessen haben?

Güngörmüş: Ich bin einmal mit einem Kumpel und seinen Eltern in ein bayerisches Wirtshaus gegangen. Dort habe ich Spätzle mit Soße gegessen. Aber als Kind habe ich selten in Restaurants gegessen. Meine Mama hat immer gekocht, da gab es viel türkisches Essen.

prisma: Sie sind mit zehn Jahren nach Deutschland gekommen. Wie waren die ersten Jahre für Sie?

Güngörmüş: Anfangs war es eine große Umstellung – in der Türkei hatte ich mein gewohntes Umfeld und wurde dort auf einmal rausgerissen. Mein Vater war schon früher in Deutschland, meine Mutter ist mit uns Kindern nachgekommen. Ein fremdes Land und dann noch eine Sprache, die ich nicht konnte. Als dann die Schule losging, wurde es noch schwieriger, einfach war es nie. Aber ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch und wollte mich integrieren. Meinem Vater ist es wichtig gewesen, dass wir schnell die deutsche Sprache beherrschen und gut in der Schule sind. Das hat er uns immer gesagt, weil er wusste, dass wir nicht zurück in die Türkei gehen.

prisma: Was bedeutet die Türkei für Sie?

Güngörmüş: Mein Vater hat immer gesagt, dass wir nie vergessen sollen, woher wir kommen. Ich komme aus einem Dorf, wo nur fünf oder sechs Lehmhütten standen. Aber es war wunderschön, und ich war viel von der Natur umgeben. Ich bin froh, dass ich aus Pageou komme, dort geboren bin und auch diese Seite des Lebens gesehen habe. Manchmal tut einem das Erinnern gut, weil man bodenständig bleibt und sich selbst nicht verliert.

prisma: Haben Sie Ihren Erfolg Ihrem Ehrgeiz und Ihrer Bodenständigkeit zu verdanken?

Güngörmüş: Wenn man ehrgeizig ist, kann man alles schaffen. Meine Eltern haben mich auch sehr gepusht. Ich war nicht der beste Schüler und nur vier Jahre in der Schule. Danach ging es mit meiner Koch-Ausbildung los. Nach ein paar Wochen habe ich gemerkt, dass mir die Lehre viel Spaß macht und ich zum Kochen eine große Affinität habe. Dann hat mich mein Ehrgeiz gepackt, ich wurde von Monat für Monat immer besser und wollte meinen Beruf vertiefen. Sonst wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Ich lebe und liebe die Gastronomie. Meinen Job sehe ich nicht als Arbeit, sondern als meine Passion. Natürlich bin ich erschöpft, wenn ich einen Drehtag habe und danach noch im Restaurant arbeite, aber ich mache das gerne.

prisma: Was genau lieben Sie an Ihrem Beruf, der ja auch sehr anstrengend ist?

Güngörmüş: Ich liebe es, Menschen glücklich zu machen. Und das gelingt mir, weil ich meine Arbeit liebe. Man sollte immer einer Arbeit nachgehen, die man liebt und bei der man mit Leidenschaft dabei ist. Wenn ich meine Gäste bediene, sie das Essen genießen, die Augen schließen und versuchen die einzelnen Aromen rauszuschmecken – das spüre ich jeden Tag, und es motiviert mich sehr. Ich bin auch ein Mensch, der gerne auf anderen Menschen zugeht und sie kennenlernen möchte.

prisma: Wie haben Sie den Schritt ins Fernsehen geschafft?

Güngörmüş: Das war alles nur Zufall. Es war nie mein Ziel, ins Fernsehen zu kommen, sondern mich selbständig zu machen. Ich wollte, dass das Geschäft funktioniert und es sich wirtschaftlich lohnt. Ich hatte Glück, weil ich mich in der Zeit selbständig gemacht und den Michelin-Stern bekommen habe, als das moderne, authentische Kochen voll im Trend war. So bin ich ins Fernsehen gekommen.

prisma: Wie wäre Ihr Weg verlaufen, wenn Sie nicht nach Deutschland gekommen wären?

Güngörmüş: Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht, weil es nie zur Debatte stand, dass wir wieder in die Türkei gehen. Darauf könnte ich eine Antwort geben, wenn ich dort gearbeitet hätte. Ich bin Deutschland sehr dankbar und liebe dieses Land. Hier habe ich viele Möglichkeiten bekommen. Natürlich gab es manchmal Bremsen, aber dadurch sollte man sich niemals von seinen Zielen abbringen lassen. Bremsen haben bei mir nichts verloren. Meine Einstellung ist: Überwinden, aufstehen und weitermachen!


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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