Comedian im Interview

Atze Schröder: Der Mann unter den Locken

08.04.2022, 16.15 Uhr
von Sarah Schneidereit
Atze Schröder (l.) hat gemeinsam mit Till Hoheneder ein Buch geschrieben.
Atze Schröder (l.) hat gemeinsam mit Till Hoheneder ein Buch geschrieben.   Fotoquelle: Boris Breuer

Atze Schröder ist deutschlandweit bekannt, doch über den Mann mit der markanten Lockenpracht weiß man wenig. In der Biografie "Blauäugig. Mein Leben als Atze Schröder" wird der Comedian persönlicher. Auch im prisma-Interview Mitte März gab er interessante Einblicke.

Was hat Sie dazu bewogen, das Buch "Blauäugig" zu schreiben?

Die Idee dazu kam mir vor zwei Jahren, nach meinem Auftritt bei Markus Lanz. Damals habe ich die Kontrolle über die Bühnenfigur Atze Schröder verloren. Vorher habe ich mir nie wirklich ins Privatleben schauen lassen. Doch die Reaktionen auf meinen emotionalen Ausbruch waren im Nachhinein so positiv, und es gab so viele Nachfragen, auch dazu, wie ich Comedian geworden bin, dass ich mir gedacht habe, ich schreibe das mal nieder. Der Titel "Blauäugig" ist bewusst doppeldeutig: Ich habe blaue Augen, und ich habe vieles nicht geplant und Glück, dass der Ball immer im Netz gelandet ist (lacht).

Auch wenn "Blauäugig" mehr oder weniger biografisch ist, merkt man an manchen Stellen doch deutlich, dass dort gerade der typische Atze, die Kunstfigur, spricht.

Ich habe schon darauf geachtet, dass es unterhaltsam ist. Wer mit mir nichts anfangen kann, liest es auch nicht. Wenn ich eine Biografie in die Hand nehme, erwarte ich keine nüchternen Schilderungen oder gar Selbstbeweihräucherungen. Ich möchte unterhalten werden.

Haben Sie vor dem Lanz-Auftritt schon mal die Kontrolle über Atze Schröder verloren?

Nein, das war tatsächlich das erste Mal. Der Kniefall, alles was da passierte – das war nicht geplant. Eigentlich sollte ich im letzten Drittel der Sendung meine Gute-Laune-Nummer abziehen. Vorher sprach ein Wissenschaftler über das damals noch neue Virus in Wuhan, dann kam die Holocaust-Überlende Eva Szepsi zu Wort. Ich wollte mich gar nicht zu den Themen äußern, aber die Situation hat mich einfach überwältigt, als mir auffiel: Hier sitzen gerade ein "Opfer-Kind" und ein "Täter-Kind" – mein Vater war ja bei der Wehrmacht – nebeneinander. Ich war wie von fremder Hand geführt, als ich aufstand und mich bei Eva Szepsi und ihrer Tochter entschuldigte. Sie hätte meine Hand auch wegschlagen können, hat sie aber nicht. Sie war sehr gerührt.

Haben Sie mit den Produzenten darüber gesprochen, wieso Sie überhaupt in dieser Sendung nach so ernsten Beiträgen eingeplant waren?

Darüber wurde nie gesprochen, das ist eine gute Frage. Lanz und ich sind uns freundschaftlich zugetan, und er wusste auch über meinen Vater Bescheid. Wahrscheinlich hat er deshalb auch so gezielt nachgefragt, was mein Vater jetzt an meiner Stelle machen würde.

Wie schwer fällt es Ihnen eigentlich, angesichts der aktuellen Weltlage – Corona, Klimakrise und obendrein noch Krieg in der Ukraine – in die Rolle des Atze Schröder zu schlüpfen?

Ich war jetzt letztes Wochenende drei Tage auf Tour und habe mir vorher natürlich auch so meine Gedanken gemacht. Selenskyj ist der Mann der Stunde und wird weltweit als Held gefeiert. Ein ehemaliger Comedian. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass ich in einer ähnlichen Situation genauso handeln würde, das weiß ich nicht. Aber wie er für sein Land einsteht und Mut macht, obwohl sein Leben bedroht ist … Das zeigt uns doch mal wieder: Angst ist ein schlechter Berater. Ich glaube auch, dass man es niemandem übel nehmen kann, der gerade ein bisschen Ablenkung und Unterhaltung sucht.

Sie sind mittlerweile schon mehr als 20 Jahre als Atze Schröder bekannt. Hatten Sie zwischendurch mal keine Lust, weiterzumachen?

Ich hatte mal eine Phase, da dachte ich, ich müsste alles mitnehmen und habe 300 Jobs im Jahr gemacht. Ich fragte mich: "Wer bin ich eigentlich?" Im Nachhinein denke ich, dass diese Leere und die damit verbundene Zäsur gut war, denn mittlerweile mache ich nur noch, was mir Spaß macht. Es mag kitschig klingen, aber ich bin dankbar, was ich mit Atze Schröder alles erleben durfte und dass ich einen Job habe, der mich erfüllt.

Was verbindet Sie mit Atze Schröder, in welchen Eigenschaften unterscheiden Sie sich?

Privat bin ich wesentlich schüchterner und zurückhaltender als auf der Bühne. Was den Bühnen-Atze und mich verbindet: Wir haben definitiv denselben Humor und lachen über dieselben Dinge.

Früher waren Sie zurückhaltend, was das Privatleben betraf. Sind Sie entspannter geworden?

Wenn mich im Urlaub im Hotel ein Gast erkennt, hat es sich gefühlt in einer halben Stunde herumgesprochen, dass ich da bin. Ich sehe das aber entspannt. Wahrscheinlich ist das eine der Sachen, die am Älterwerden doch gut ist: Man wird gelassener. Zu den Hochzeiten von "Alles Atze" gab es einen so riesigen Atze-Hype, da wollte ich mich einfach auch schützen. Heute trete ich seltener auf.

Ihr Buch endet mit einem Zitat von Ihrem Vater: "Das Beste kommt noch." Was ist das Beste für einen Atze Schröder?

Das sind viele Kleinigkeiten: Mit dem Fahrrad durch Hamburg, Zeit mit Freunden, das Leben genießen und positiv durch alles zu gehen, das auf einen zukommt. Mein Vater hat bis 87 nach dem Motto gelebt.

BUCHTIPP

  • "Blauäugig. Mein Leben als Atze Schröder", Edel Books, 240 Seiten, 22,95 Euro

Das könnte Sie auch interessieren