ARTE-Doku

"Kalter Krieg in Bewegung: Europa 1952/53": Schicksalsjahre für ein Kontinent

08.08.2023, 07.59 Uhr

Nach dem bitteren Krieg, blieb zunächst das Chaos in Europa. Wie sich der Ost-West-Konflikt zuspitzte und welche Verträge geschlossen wurden, um ihn einzudämmen, zeigt die Doku "Kalter Krieg in Bewegung: Europa 1952/53".

ARTE
Kalter Krieg in Bewegung: Europa 1952/53
Dokumentation • 08.08.2023 • 20:15 Uhr

"Eine Mischung aus Angst, Lust und Zuversicht": So lasse sich die Stimmung im Nachkriegseuropa der 50er-Jahre laut Filmemacher Mathias Haentjes wohl am besten beschreiben. Zunächst herrschten Chaos und die Angst vor neuen Konflikten. Doch Diplomaten und Beamte legten mit Verträgen wie dem Generalvertrag (1952) zu Beginn des neuen Jahrzehnts den Grundstein für Neues – konkret für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Diese Montanunion war auch für junge Menschen eine Chance nach Jahren der Entbehrungen. In den noch immer vom Krieg gezeichneten Ländern lag plötzlich Hoffnung in der Luft. Der Film "Kalter Krieg in Bewegung: Europa 1952/53", der im Rahmen des Themenabends "Nazi-Erbe und Neuanfang – Schicksalsjahre für Europa" nun zum ersten Mal im TV zu sehen ist, rekonstruiert die Geburtsstunde der Europäischen Union.

"Wir waren davon überzeugt, dass wir in zehn Jahren die Vereinigten Staaten von Europa schaffen würden"

Die Zeit von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis Anfang der 1990er-Jahre blieb jedoch auch von einer angespannten Ost-West-Rivalität geprägt: Der Kalte Krieg, er beherrschte Europa von 1945 bis 1991, der Eiserne Vorhang spaltete den Kontinent. Knapp eineinhalb Stunden lang taucht Haentjes in das politisch gespannte Europa ein und zeigt, wie aus Feinden Partner werden konnten. "Wir waren davon überzeugt, dass wir in zehn Jahren die Vereinigten Staaten von Europa schaffen würden. Wir haben uns geirrt", resümiert der französische Diplomat und einer der engsten Mitarbeiter des europäischen Vordenkers Jean Monnet Georges Berthoin (geboren 1925) im Film.

Es war ein außerordentlicher Kraftakt, aus ehemaligen Kriegsgegnern Verbündete zu machen. Verträge wurden aufgesetzt, Allianzen geschmiedet – immer im Spannungsfeld der Ost-West-Rivalitäten. Für Berthoin, der damals im französischen Finanzministerium arbeitete, war die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und den Marshallplan-Behörden enorm wichtig. "Die Amerikaner wollten Europa als Partner, nicht als Kolonie", erklärt er. Man dürfe nicht vergessen, dass die Amerikaner zu diesem Zeitpunkt noch nicht lange auf dem Weg zur Weltmacht waren. Dennoch waren die USA in Westeuropa sehr präsent: politisch, wirtschaftlich und militärisch. Und das sorgte vielerorts für Unruhe, wie der Film rekapituliert.

Systemkonfrontation zwischen Kapitalismus und Kommunismus

Zu Wort kommen hochkarätige Zeitzeugen wie Marie Rose Ibach, die für die Ruhrbehörde arbeitete, und Luciana Catellina, eine überzeugte italienische Kommunistin. Schließlich standen sich zeitweise zwei Welten gegenüber, die sich misstrauten, ja sogar hassten: eine Systemkonfrontation zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Die einen setzten auf die wirtschaftliche Selbstverwirklichung des Einzelnen, die anderen hofften auf eine klassenlose Gesellschaft. Der Sozialismus, die reale Umsetzung des Kommunismus in den Ostblockstaaten während des Kalten Krieges, dominierte auch in der DDR.

Die Dokumentation zeigt, wer die führenden Köpfe im "neuen Deutschland" waren, worauf das Regime baute und wie sich der Ost-West-Konflikt zuspitzte. Im Rückblick ist klar: Stalins Tod 1953 schockierte den Sowjetblock – mit verheerenden Folgen. Die DDR verschärfte die Regeln, kontrollierte schärfer, machte dem Namen "Überwachungsstaat" alle Ehre. Bis das Volk rebellierte ... Alfred Kantorowicz war Kommunist und oppositioneller Literat in der frühen DDR. Sein Tagebuch gibt einen exklusiven Einblick in jene Zeit des Umbruchs und rundet diesen sehenswerten Dokumentarfilm inhaltlich ab.

Kalter Krieg in Bewegung: Europa 1952/53 – Di. 08.08. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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