ZDF-Zweiteiler

"Süßer Rausch – Die Familie": angenehm anders

16.10.2022, 09.37 Uhr
von Eric Leimann

Der ZDF-Zweiteiler "Süßer Rausch" erzählt die Familiensaga einer Schnaps-Dynastie. Mit einer Top-Besetzung und auf kluge Art und Weise.

ZDF
Süßer Rausch – Die Familie
Drama • 16.10.2022 • 20:15 Uhr

"Ich glaube nicht, dass jeder von uns seine eigene Droge hat", sagt eine TV-Talkerin zur trockenen Alkoholikerin und Suchtexpertin Julia (Leslie Malton) in der Garderobe nach ihrem Interview. Und fährt fort: "Ich zum Beispiel bin maßvoll." Natürlich sagt die junge Journalistin dies nicht, ohne vorher erwähnt zu haben, dass ihr Vater an seiner Alkoholsucht starb. Daraufhin Julia, immer noch trocken: "Sachlichkeit kann auch eine Sucht sein." Es sind feine Gedanken wie diese, die den ZDF-Zweiteiler "Süßer Rausch" (Teil zwei "Süßer Rausch – Das Erbe" am Montag, 17.10., 20.15 Uhr) zu einem Erlebnis machen. Neben der absoluten Topbesetzung und einer angenehmen, fast schon südeuropäischen Verrücktheit im Ausgestalten dieser Familiengeschichte und ihres Personals.

Der Reihe nach: Erzählt wird von der Grappa destillierenden Familie Preus, die zwar genauso deutsch daherredet, wie ihr Name klingt, die aber an wunderschönen Schauplätzen in Venetien zu Hause ist, wo die Familiensaga (Regie: Sabine Derflinger) auch gedreht wurde.

Im Mittelpunkt steht anfangs Patriarch Karl Preus (Sven-Eric Bechtolf), der gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester, die bereits erwähnte Julia, seinen 60. Geburtstag feiert. Verheiratet ist Karl mit Ricarda (Désirée Nosbusch), die ihre Krebserkrankung geheim hält und mit der er zwei Töchter hat: Marguerite (Antonia Bill), Mutter zweier kleiner Kinder und verheiratet mit einem zur Gewalt neigenden Mann, und deren kleine Schwester Simone (Lilly Charlotte Dreesen), die ein handfestes Drogenproblem hat. Dann gibt es da noch Karls erste Frau Constanze (Suzanne von Borsody), die gut in die aktuelle Familie "integriert" scheint und aktuell mit Karls bestem Freund und Berater Hans (Rainer Bock) verheiratet ist. Schließlich muss man noch Julias Sohn Jakob (Hannes Wegener) erwähnen, der seinen Vater nicht kennt und der mit Frau Lilly (Alina Levshin) Beziehungsprobleme hat. In weiteren Nebenrollen sieht man Jörg Schüttauf als moralischen Alkoholiker, Oliver Mommsen als Psychotherapeuten sowie Helmfried von Lüttichau als Gesellschaftskolumnisten.

Tatsächlich braucht es ein bisschen, bis man das Familiengespinst rund um Lebenskünstler Karl Preus verstanden hat. Einen Mann, den alle irgendwie lieben, an dessen Unstetem und Exzentrik man aber auch verzweifeln kann. Vor allem in Bezug auf jene Geheimnisse und Beziehungsverflechtungen, die das exquisit gespielte und gefilmte (Kamera: Peter Joachim Krause) Drama zu bieten hat. Apropos Drama: Normalerweise kommen derlei Familiengeschichten unter Reichen in Deutschland gerne mal arg aufgeräumt daher, was "Problemlage" und Figuren betrifft. Gleichzeitig oft ziemlich humorfrei. Quasi "Dallas" ohne Texas, aber mit kalten deutschen Villen und erwartbaren Charakteren. Das alles ist in "Süßer Rausch" angenehm anders. Figuren verhalten oder entwickeln sich anders, als man denkt, ja sie tun verrückte Dinge – im Kleinen wie im Großen. Bei aller Tristesse ihrer Erlebnisse sind sie auf – für deutsche Verhältnisse – fast schon poetische Art auf der Suche nach Lebensglück – was dem Zuseh-Erlebnis definitiv guttut.

Vielleicht liegt es daran, dass Autor Sathyan Ramesh ("Das Leben vor mir") sich offenbar nicht von steifen deutschen Mehrteilern rund um Familiendynastien inspirieren ließ, sondern vielleicht von französisch verspielteren Ansätzen oder auch einem Pedro Almodóvar. Von Filmen eben, in denen die Figuren nicht immer das tun müssen, was man im nächsten Zug von ihnen erwartet.

In vielen Szenen schimmert subtiler Humor durch das Drama, und tatsächlich baut sich so etwas wie eine Verbindung zu fast allen Figuren auf, sodass man wissen will, wie es ihnen weiter ergeht. "Süßer Rausch" schafft einen beachtlichen Spagat: Das ZDF-Primetime-Produkt hat genug Best-Ager-Schauwerte und Hochglanzbilder zu bieten, um das klassisch lineare Publikum über 60 zufriedenzustellen. Gleichzeitig steckt in den lebensklugen 180 Minuten auch genug für jene Sinnsuchenden im Leben, die sich ein solches Format normalerweise nicht anschauen würden.

Süßer Rausch – Die Familie – So. 16.10. – ZDF: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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