Die Sitte - Wie Staat und Polizei über die Moral wachten
06.06.2025 • 00:00 - 00:45 Uhr
Info, Zeitgeschichte
Lesermeinung
In der Bundesrepublik werden schwule Männer von der Polizei bespitzelt und verfolgt. Verurteilungen nach Paragraf 175 sind in den 1950er- und 1960er-Jahren keine Seltenheit. Erst 1994 schaffte der Bundestag den Paragrafen 175 komplett ab.
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Ende der 1960er-Jahre stellen junge Menschen die herrschende Sexualmoral infrage. Sie probieren neue Formen der Beziehungen und des Zusammenlebens aus.
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Eine Beamtin der weiblichen Kriminalpolizei bringt eine Ausreißerin ins Heim.
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Jürgen Bartsch wird 1967 wegen Sexualmordes verurteilt. Der Gerichtsprozess findet großes Medieninteresse.
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Originaltitel
Die Sitte - Wie Staat und Polizei über die Moral wachten
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2023
Info, Zeitgeschichte

Die Sitte - Wie Staat und Polizei über die Moral wachten

1961 sorgen Gemälde mit übergroßen Penissen des jungen Künstlers Georg Baselitz noch für einen Skandal und ein Eingreifen der Sittenpolizei. Am Ende gewinnt die Kunstfreiheit. Mit der Freizügigkeit der 68er-Generation geraten immer mehr Fälle von Pornografie und Kuppelei ins Visier der Polizei. Homosexuelle und Prostituierte werden weiter streng überwacht. In den 1980er-Jahren ist Schluss: Es kommt bei der "Sitte" zu nachhaltigen Reformen. In Essen treibt in den 1960er-Jahren der "Kirmesmörder" Jürgen Bartsch sein Unwesen. Es geht um Vergewaltigung und Mord an mehreren Jungen. Die Mordkommission zieht die Kollegen von der Sitte zu Rate. Das Problem: Bereits als 15-Jähriger hat Bartsch sein erstes Verbrechen begangen. Neu an dem schrecklichen Fall ist: Erstmals stellen Öffentlichkeit und Behörden die Frage, wie ein Mensch zum Täter wird, was seine Vorgeschichte ist und wie es zu diesen grausamen Verbrechen kommen konnte. In den folgenden Jahren müssen die Beamten der Sittenpolizei ihre gesellschaftliche Rolle immer mehr hinterfragen. Sexuelle Freiheit ist das Gebot der Stunde. Erotik und Pornografie überschwemmen das Land, zunächst aus Dänemark, wo Pornografie ab 1969 legalisiert wird. Bei der neuen Zeitung "St. Pauli Nachrichten" in Hamburg finden erotisch Gleichgesinnte über Annoncen zusammen. Das Blatt erreicht kurzerhand eine Millionenauflage. Noch einmal tritt die Polizei auf den Plan, kassiert die Inserentenkarteien ein. Vor Gericht gewinnen jedoch die Blattmacher. Fazit: Die Tageszeitung darf nicht indiziert werden. Wenig später stehen die Karteien wieder im Keller. Ein Sieg für die sexuellen Revolutionäre. Mit den Zeiten ändern sich auch die Gesetze. Noch bis 1973 bleibt Kuppelei in der BRD strafbar. In der DDR wird der Paragraf sogar bereits 1968 abgeschafft und das Sexualstrafrecht reformiert. Die Verfolgung der Sittlichkeitsverbrechen hält an, aber abseits der Öffentlichkeit. Polizei und Stasi teilen sich die Aufgaben. Für illegale Erotik- und Pornofilme erklärt sich zunehmend die Stasi zuständig. Auch für gewisse Prostituierte, die es angeblich nicht geben soll in der DDR. Doch ob in Seemannsheimen in Rostock oder im Umfeld der Leipziger Messe - überall rekrutiert die Stasi Prostituierte als IM (inoffizielle Mitarbeiter) zur Informationsbeschaffung, auch für das Ausland. Regina von Tolksdorf berichtet, wie ihre Mutter als weibliche Romeo-Agentin angeworben wird und schließlich im Westen spioniert. Auch sie selbst soll schließlich mitmachen. Trotz einer existierenden IM-Akte wollte sich von Tolksdorf aber nicht als Prostituierte einspannen lassen, sagt sie heute. In der BRD lösen sich die Abteilungen der Sittenpolizei mit den 1970er-Jahren zunehmend auf. In Hamburg finden die Beamten neue Ansätze, um mit der grassierenden Prostitution umzugehen. Waldemar Paulsen von der Davidwache macht sich auf dem Kiez wegen seiner Haare als "roter Fuchs" einen Namen. Anstatt sie zu verfolgen, setzt er sich für die Frauen ein und geht gegen Zuhälter vor, die Prostituierte schlagen und misshandeln. Mit den 1980er-Jahren ändert sich das Bild auf dem Kiez: Aids sorgt für große Verunsicherung. Trotz Auflösungserscheinungen in den Sittendezernaten bleibt die verdeckte Verfolgung von Homosexuellen Aufgabe der Polizei - und wird zum Skandal. Seit den 1960er-Jahren beobachten sie hinter Einwegspiegeln Schwule auf öffentlichen Herrentoiletten in der Hansestadt, um sie in flagranti zu erwischen. Mit einem Hammer zertrümmert 1980 der junge Corny Littmann öffentlichkeitswirksam einen dieser Spiegel und macht so auf die Diskriminierung der Homosexuellen aufmerksam. Es kommt zu Protesten, von Nazi-Methoden ist die Rede. Die Spiegel-Kontrollen werden kurzerhand gestoppt. Doch erst 1994 wird der "Schwulen"-Paragraf 175 abgeschafft. Seit 2017 erhalten Verurteilte eine Entschädigung. Die Polizei als Sittenwächter - viele Jahrzehnte gilt das als selbstverständlich. Diese Zeiten sind vorbei. Heute ermitteln Landeskriminalämter bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Deutsche Polizisten überwachen lange Zeit Anstand und Moral. Die Sittenpolizei überlebt viele Regimewechsel und Umbrüche. Eine zweiteilige Dokumentation über die Jagd nach Sittenverbrechern und das Verhältnis von Gesellschaft, Macht und Sex.

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