Sonderermittler Eisner müht sich an seinem Vaterkomplex ab, Cornelius Obonya verkörpert einen hartleibigen Gegenspieler. Beste Voraussetzungen für einen lebhaften Wiener Konfrontations-"Tatort". Doch echtes Herzblut sucht man vergebens.
Der Wiener "Tatort" verfügt über viele herausragende Qualitäten. Für die hervorstechendste können sie beim ORF aber selbst nichts, die hat ihnen der liebe Gott geschenkt. Nichts geht über die einzigartige Musikalität der Sprache, den im Schmäh badenden Dialekt. Der größte anzunehmende Störfaktor ist da ein Nationalratsabgeordneter, der aus seiner Tiroler Heimat einen ungleich härteren Zungenschlag in die Donaumetropole mitgebracht hat. Cornelius Obonya ist gebürtiger Wiener, aber seinen Part in diesem Krimi erfüllt der langjährige Salzburger "Jedermann" mit derart großer sprachlicher Akkuratesse, dass man meinen könnte, er allein brächte den ganzen Film aus dem Takt.
Zweifelhaftes Taktgefühl ist aber auch sonst ein Problem der Folge "Glück allein". Sehr forsch wird eingangs aus der gastronomischen Gulaschküche in ein Vorstadtfamilienhaus übergeblendet, wo sich mit blutverschmiertem Fleischmesser ganz anderes zugetragen hat. Die Mutter erstochen, die zehnjährige Tochter schwer verletzt. Auf die ultrabrutale Einbruchsmode "Home Invasion" tippt der Assistent Fredo Schimpf (Thomas Stipsits) entschieden. Aber weil der komische Sidekick im Grunde immer nur für erheiternde Pannen gebraucht wird, lässt sich da schon sicher festhalten, dass es das nicht sein kann.
"Und zack – hast' eine gefangen ..."
Ohne politische Einflussnahme geht es auch diesmal nicht im Wiener "Tatort". Eisner (Harald Krassnitzer) und Fellner (Adele Neuhauser) werden vom Innenminister persönlich zurückgepfiffen, was natürlich ohne Wirkung bleibt. So darf man sich mit den beiden wundern, warum eine ebenso zierliche wie nervöse Inspektorin ("Vorstadtweib" Gerti Drassel) auf den Fall angesetzt ist, die auch noch eine dubiose private Nähe zum betroffenen Hausherrn hat, dem von Obonya gespielten Nationalratsabgeordneten Raoul Ladurner.
Der Tiroler Spitzenpolitiker gilt als hartgesottener Aufklärer, als Mann der Untersuchungsausschüsse. Vor einen solchen wollte er zuletzt eine ukrainische Geschäftsfrau (Dorka Gryllus) zerren. Eine heiße Spur mithin. Eisners Bauchgefühl weist aber in eine profanere Richtung. Der Polit-Hardliner erinnert den Ermittler an seinen Vater: "Der war auch so ein Schwein. Der hat es auch so verstanden, dich zu provozieren und aus der Reserve zu locken, bis du irgendwann einen Fehler gemacht hast. Und zack – hast' eine gefangen ..."
Beste Voraussetzungen sind das eigentlich für einen lebhaften Wiener Konfrontations-"Tatort" – doch just am Lebhaften haben sie dann doch gespart. Das brauchbare Drehbuch von Routinier Uli Brée wirkt bisweilen glattinszeniert (Regie: Catalina Molina), statt über Kunstblut hätte man sich über mehr Herzblut gefreut. Vielleicht liegt der etwas dämmrige Eindruck, den die Folge "Glück allein" hinterlässt, aber auch im kleisterhaften Einsatz melancholischer Musik begründet, die alles Szenische mit mozartmäßiger Requiemsstimmung umspült. Ein zünftiger Ambros-Schlager hätte wahrscheinlich besser gepasst.