Eine köstliche und präzise Farce über einen Meisterbetrüger und seinen gelehrigen Schüler von den "Stromberg"-Machern.
Wer den Menschen Theater vorspielen will, sollte auf eine überzeugende Inszenierung achten. Genau darauf versteht sich der Unternehmer Alexander Schönleben (Michael Maertens) brillant. Die wichtigsten Zahlen und Fakten zum geplanten Bauprojekt "Megapark" im beschaulichen Osthofen hat er Bikinischönheiten auf die weiblichen Rundungen geklebt. Die angebliche Partnerstadt Dubai auf den Po, die angeblichen Michelinsterne auf den Oberschenkel, den angeblichen Umsatz auf die Brüste. "Und und und", jubiliert er. "So viel kann die Jasmin sich jetzt gar nicht ausziehen!" Die Verheißung von Sex und Geld, vereint zu einer Fatamorgana. Da sabbert der Baudezernent, da schnalzt der Bürgermeister. Der kritische Verstand ist schachmatt. Die Investormillionen aus öffentlicher Hand sprudeln direkt aus der Unterleibsregion.
"Vorsicht vor Leuten" hat Ralf Husmann seinen 2010 erschienenen Roman genannt. Inspiriert ist die Geschichte laut Husmann von den Skandalen um die prominenten Anlagebetrüger Bernard L. Madoff und Jürgen Harksen. Arne Feldhusen hat den Hochstaplerstoff 2015 fürs Erste verfilmt, was ein großer Glücksfall ist. Wenn der "Stromberg"-Autor und der "Stromberg"-Regisseur gemeinsame Sache machen, kommt eben auch "Stromberg"-Qualität dabei heraus: die denkbar größte in Sachen scharfkantiger Humor.
Es gibt ausschließlich großartige Szenen in dieser vergnüglichen und klug verdichteten Psychostudie über zwei notorische Lügner und mindestens ein Dutzend Drehbuchsätze für die Ewigkeit. Sensationell besetzt ist der Film, den das Erste nun wiederholt, überdies. Mit Burgtheater-Schauspieler Michael Maertens als flamboyantem Aufschneider ohne Skrupel und Ex-"Polizeiruf"-Rüpel Charly Hübner als moralischer Kippfigur.
Hübner spielt einen tapsigen Loser aus der Provinz, der es sich zur Gewohnheit gemacht hat, vom eigenen Versagen mit Notlügen abzulenken. "Die Wahrheit ist anstrengend, genau wie Katrin", stöhnt dieser Lorenz Brahmkamp, dem gerade seine Frau (gespielt von Hübners Ehefrau Lina Beckmann) davongelaufen ist, weil sie den nichtsnutzigen Stoffel nicht mehr aushält.
Lorenz Brahmkamp aber will seine Katrin zurück und ist dafür bereit, sich zu ändern. "Ich kann schon was wollen, wenn du das willst", barmt er, wild entschlossen, beruflich neu durchzustarten. So kommt es, dass der spießige Sachbearbeiter im Baureferat den charismatischen Geldvermehrungsguru Alexander Schönleben kennenlernt. Brahmkamp soll dessen "Megapark"-Projekt betreuen und den Auftrag ja nicht versauen. Die Stadt erwartet von dem Investment Sturzbäche an Einnahmen. Kann ja keiner ahnen, dass Schönlebens Versprechungen aus dem Reich der Fabel stammen.
Der geschäftstüchtige Lügner Schönleben wird den ambitionslosen Lügner Brahmkamp auf die dunkle Seite der Unwahrheit locken. Gemeinsam werden sie deutsche Steuersünder auf Mallorca übers Ohr hauen, um die "Megapark"-Luftblase nicht platzen zu lassen. Und Schönleben wird Brahmkamp seine Weltsicht einbläuen: "Wer Schnitzel will, muss Schweine schlachten." Tatsächlich hält sich das Mitleid, das man ihren willfährigen und ignoranten Opfern entgegenbringen kann, doch sehr in Grenzen. Fast wie im echten Leben.
Neben der Dialogschärfe ist die Beobachtungsgenauigkeit die große Stärke dieser bestechenden Sozialfarce. Alles schrammt hauchzart an der Karikatur vorbei, aber ist doch erkennbar aus der Wirklichkeit gegriffen: der Ämtermief im Baureferat, der lachhafte Dünkel der Neureichen, die rassistische Selbstgerechtigkeit eines deutschen Rentnerehepaares auf Mallorca.
Vorsicht vor Leuten – Mi. 21.06. – ARD: 20.15 Uhr