Kultur, Film + Theater
unicato
Vietdeutsche Geschichten Rund 215.000 Menschen vietnamesischer Herkunft leben laut Statistischem Bundesamt in Deutschland. Ihre Migrationsgeschichte ist eng mit den politischen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts verknüpft: Während Geflüchtete aus Südvietnam - die sogenannten "Boat People" - zwischen 1975 und 1986 in die Bundesrepublik kamen, gelangten Vertragsarbeiter:innen im Rahmen sozialistischer Abkommen in die DDR. Diese doppelte Herkunft prägt bis heute die Lebensrealitäten der vietnamesischen Community. Besonders die zweite Generation steht oft zwischen den Kulturen: In Deutschland als fremd wahrgenommen, im Elternhaus als zu deutsch. Kurzfilme junger vietdeutscher Filmschaffender greifen diese Dualität auf. Sie erzählen von familiären Erwartungen, Migrationserfahrungen und Alltagsrassismus - und schaffen Raum für eine selbstbewusste, vielstimmige Perspektive. Die Filme sind mehr als persönliche Geschichten: Sie geben Einblicke in eine Community, die sich längst als Teil der deutschen Gesellschaft versteht, ohne dabei ihre Herkunft zu vergessen. Filme der Sendung: "Wohnen auf Zeit" von Jasmin Phan (Dokumentarfilm, DE 2023, 8 min) Die Regisseurin Jasmin Phan begibt sich zusammen mit ihrem Vater Thao auf eine Reise zurück in die Zeit seiner Ankunft in Deutschland vor 40 Jahren. Eine Spurensuche in die eigene Familiengeschichte, die Jasmin neue Facetten ihres Vaters offenbart und die Zeit der deutschen Wiedervereinigung von der Seite eines ehemaligen Vertragsarbeiters beleuchtet. "Alles gehört zu dir" von Mani Pham Bui & Hien Nguyen (Dokumentarfilm, DE 2023, 13 min) Anders zu sein oder sich nicht zugehörig zu fühlen ist für viele vietnamesischdeutsche und insbesondere für Yen Nguyen kein fremdes Gefühl. Instinktiv wird sie mit dem Gefühl übermannt, sich in der deutschen Kleinstadt der Masse anpassen zu wollen. Mehr weiß sein, mehr deutsche Freund*innen haben. Aus ihrem neuen Leben in Oslo - 900 Kilometer entfernt von der Familie, begibt sie sich auf die Reise zurück zu ihren Wurzeln: Yens Reise und Auseinandersetzung mit Selbstakzeptanz, Identität und Familie. "Obst und Gemüse" von Duc Ngo Ngoc (Spielfilm, DE 2017, 30 min) Als sein Sohn zum Studieren wegzieht, heuert der vietnamesische Obst- und Gemüsehändler Herr Nguyen kurzerhand Harry als Aushilfskraft an. Harry liebt Fußball, trinkt ein bisschen zu viel und ist chronisch pleite. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft. "Xanh" von Thi Dang An Tran (Animationsfilm, DE 2022 12 min) Duy Em stellt ihrem Vater die zentrale Frage, warum er sich nicht gegen rassistische Bemerkungen wehrt. Seine Antwort lässt beide in seine Vergangenheit als einen der vietnamesischen "Boat People" reisen. Gäste der Sendung: "unicato"-Moderator Markus Kavka spricht im Berliner Dong Xuan Center, dem größten Asiamarkt Deutschlands, online mit dem Regisseur und Drehbuchautor Duc Ngo Ngoc über seinen Spielfilm "Obst und Gemüse". Darin verarbeitet er persönliche Erfahrungen und erzählt von deutsch-vietnamesischen Lebensrealitäten - inspiriert durch die Erzählungen seiner Eltern. Darüber hinaus berichtet er von der Gründung der Dreh's Um Academy, die jungen Deutsch-Vietnames:innen den Einstieg in die Filmbranche erleichtern soll. Der Hamburger Theaterregisseur und Lyriker Dan Thy Nguyen beleuchtet die unterschiedlichen Migrationsgeschichten von "Boat People" und Vertragsarbeiter:innen. Er spricht über das mangelnde Wissen zwischen Ostund Westdeutschland und beschreibt, wie das Aufwachsen in einer konservativen vietnamesischen Familie in Westdeutschland von Alltagsrassismus, fehlender interkultureller Kompetenz und gesellschaftlichem Leistungsdruck geprägt war - und wie daraus ein Gefühl von Empowerment entstehen kann. Mit Claudia Tuyết Scheffel werfen wir einen Blick auf ihren Film "Becoming Water", der sich dem Magischen Realismus und weiteren Zwischenräumen widmet. Sie erzählt vom Aufwachsen zwischen traditionellen vietnamesischerzgebirgischen Werten und ihrer Motivation, positiven Rassismus sichtbar zu machen und zu hinterfragen.