02.09.2025 Im Interview

Emilia Schüle: "Empathie ist erlernbar"

Emilia Schüle übernimmt im neuen Audible-Hörspiel „Stolz und Vorurteil“ die Hauptrolle der Elizabeth Bennet. Mit prisma sprach die Schauspielerin über die Relevanz von Jane Austens Roman.
Emilia Schüle im Porträt.
Emilia Schüle ist Teil des Hörbuchs von "Stolz und Vorurteil". Fotoquelle: Elena Zaucke

prisma: „Stolz und Vorurteil“ ist eine der bekanntesten Liebesgeschichten überhaupt. Hatten Sie Respekt davor, dieses Werk einzusprechen?

Emilia Schüle: Totale Versagensängste erstmal! Was ist, wenn man dem nicht gerecht wird? Was ist, wenn man nicht die Kraft oder die Komplexität mitbringt, und die Leute einfach enttäuscht sind? Aber man soll ja seine Ängste überwinden, sonst wäre das Leben nicht so aufregend. Und deswegen habe ich das gerne angenommen und fand es einen tollen Match mit Aaron Altaras (Mr. Darcy). Ich war auch wahnsinnig beeindruck von dem Werk an sich und seiner Aktualität. Man denkt, es ist ein normaler Liebesroman, aber es ist ein Kommentar zu Macht, Geschlecht, Klasse und sozialem Status. Soziale Ungleichheit, Vorurteile, Stolz – das gibt es alles immer noch, der Stoff ist super aktuell.

Wie war Ihr persönlicher Bezug zum Werk vorher?

Ich habe früh schon versucht, Jane Austen zu lesen – auf Englisch, denn ich habe immer gerne englische Bücher gelesen. Ich bin aber kläglich daran gescheitert, es war tatsächlich zu komplex. Aber über die Verfilmungen ihrer Werke habe ich dann einen Zugang gefunden. Vor allem über den großartigen Film mit Keira Knightley.

Wenn man selbst diese Rolle einspricht, orientiert man sich dann an diesen Vorlagen? Hat man Keira Knightley dabei im Kopf oder muss man sich davon lösen?

Man imitiert auf gar keinen Fall, es ist auch eine ganz andere Sprache. Die Sprachmelodien sind ganz anders, und ich möchte der Rolle etwas Eigenes hinzugeben. Es sind insgesamt acht Episoden. Der Text wird etwas moderner interpretiert, und das ganze Gefühl ist ein anderes.

Inwiefern wird es moderner interpretiert?

Ich würde sagen, es ist ein bisschen kompakter verpackt. Man hat nicht das Gefühl, dass man sich durch einen dicken Wälzer quält. Das Werk ist total zugänglich. Man wird abgeholt, die Sprache ist nicht zu sperrig. Und durch den Cast – durch Aaron und mich – bekommt es etwas Authentisches. Die Sprache ist nicht so geschwollen. Wenn man mit Jane Austen noch nicht so viel Kontakt hatte, ist das Audible-Hörspiel die perfekte Möglichkeit, damit in Berührung zu kommen. 

Glauben Sie, dass auch die Hardcore-Jane-Austen-Fans sich davon angesprochen fühlen?

Ja, denn wir verraten nicht die Essenz von „Stolz und Vorurteil“. Ein Hörspiel ist immer eine Interpretation von einem Werk, aber wir entfernen uns auch gar nicht so weit von der Buchvorlage.

Sie hatten bereits das Zusammenspiel mit Aaron Altaras (Mr. Darcy) angesprochen. Waren Sie sofort auf einer Wellenlänge?

Ja, lustigerweise kannten wir uns nicht persönlich, wir machen aber dieses Jahr sogar noch einen Film zusammen. Unsere Wege kreuzen sich also auch noch in Zukunft. Und ich bin ein großer Fan seiner Arbeit und von den „Zweiflers“. Es hat große Freude gemacht, direkt miteinander in ein kleines Tonstudio eingesperrt zu werden und miteinander zu arbeiten (lacht).

Was macht für Sie die Figur Elizabeth Bennet aus?

Sie ist wahnsinnig progressiv, unabhängig, willensstark und unangepasst. Sie ist sehr verbunden mit sich selbst und lässt sich in kein gesellschaftliches Korsett zwängen. Und sie ist so kompromisslos in ihrer Entscheidung, nicht mit einem Mann, den sie doof findet, verheiratet zu werden, dass sie sogar das Ansehen ihrer Familie riskiert. Vor allem ist sie für diese Zeit erstaunlich fortschrittlich. Dass Jane Austen damals so eine Figur geschrieben hat, ist einfach ein Meilenstein für den Feminismus gewesen. Die Bedeutung davon ist mir jetzt erst einmal klar geworden.

Glauben Sie, dass ist einer der Gründe, weshalb wir uns auch heute noch mit „Stolz und Vorurteil“ beschäftigen?

Es ist einfach kultig und wahnsinnig schlau verpackt, weil es unter dem Deckmantel einer Liebesgeschichte stattfindet. „Stolz und Vorurteil“ ist mehr als nur eine Romanze. Es ist ein Kommentar zu sozialer Ungerechtigkeit und Geschlechterrollen. Es ist eine Anklage ans Patriarchat.

Ist es überhaupt Möglichkeit, Stolz und Vorurteile dauerhaft zu überwinden?

Alles ist erlernbar. Empathie ist erlernbar, Selbstliebe ist erlernbar. Es ist eine Entscheidung. Diese Geschichte erzählt die Liebesgeschichte zweier Menschen, die alle gesellschaftlichen Korsetts und Erwartungen überwinden, indem sie sich einfach menschlich begegnen. Das ist alles möglich, wir entwickeln uns nur gerade einfach zurück.

Also würden Sie an sich sagen, dass der Stoff nach wie vor aktuell ist?

Ja, jeder würde lügen, wenn er sagt, er wäre vorurteilsfrei. Wir alle bewerten und sind gefangen zwischen Vorurteilen. Es ist eine Kunst, das abzulegen und der Welt mit einer Offenheit im Herzen zu begegnen, aber nur daraus entsteht Gutes.

„Stolz und Vorurteil“
Hörspiel in acht Episoden, ab 9. September bei Audible verfügbar