prisma: „aspekte“ wird 60 Jahre alt. Wie hat es die Sendung geschafft, so lange relevant zu bleiben? Was macht den Erfolg aus?
Salwa Houmsi: Wahrscheinlich, weil wir eine der letzten Kultursendungen überhaupt im ÖRR sind. Und weil unsere Sendungen immer eine Dringlichkeit mit sich bringen. Kultur ist relevant, und das zeigt „aspekte“ immer wieder sehr gut.
Sie gehören seit 2022 zum Moderatorenteam von „aspekte“. Wie sind Sie zur Sendung gekommen?
Ich wurde von meinem Chef gefragt, ob ich mitmachen möchte – das hat mich sehr gefreut! Ich habe zuvor bereits abwechselnd mit Jo Schück das Format „13 Fragen“ moderiert, das auch bei der ZDF-Redaktion Kultur Berlin angesiedelt ist. Ich habe sehr gerne zugesagt, auch in das Team von „aspekte“ zu kommen.
Waren Sie vorher schon Fan von „aspekte“?
Ich habe „aspekte“ natürlich verfolgt, auch durch meine Tätigkeit bei ZDFkultur. Trotzdem muss man ehrlich sagen, dass ich zu der Generation Video-on-Demand gehöre. Insofern war es auch ein mutiger und, wie ich finde, extrem cooler Schritt vom ZDF, dass ich als 26-jährige Frau in so ein etabliertes Format dazukommen durfte. Die jüngeren Generationen finden in den klassischen linearen Formaten kaum statt. Ich kann mit meiner Arbeit dazu beitragen, dass das anders wird.
Sie sind die jüngste Moderatorin der Sendung, als Sie ins Team kamen, waren Sie 26 Jahre alt. Gab es Probleme, dass Sie im „etablierten“ Kulturbetrieb wegen Ihres Alters nicht ernst genommen wurden?
Ich sage es mal so, wenn die Leute mit mir ins Gespräch kommen, merken sie immer schnell, dass sie mich ernst nehmen können und sollten (lacht).
Was bedeutet für Sie persönlich „Kultur“?
Ich habe einen sehr breit gefassten Kulturbegriff und finde es gut, dass es bei „aspekte“ auch so ist. Für mich gehören Gaming, Social Media und Popkultur selbstverständlich in den Bereich Kultur. Kultur kann alles sein, was Menschen bewegt.
Gibt es denn auch Kulturthemen, mit denen Sie gar nichts anfangen können? Bestimmte Ausstellungen oder Ähnliches?
Sowas gibt’s ja in jedem Job, oder? Aber ich bin wirklich dankbar, einen Beruf zu haben, bei dem ich immer wieder auf spannende Menschen treffe und mich mit ihnen über ihre Perspektiven und ihre Arbeit austauschen kann. Aus einem „aspekte“-Dreh gehe ich eigentlich immer ein bisschen inspirierter raus, als ich reingegangen bin. Und on top habe ich die Chance, einen jüngeren Zugang zu Kultur zu schaffen und dabei authentisch aus meinem eigenen Blickwinkel zu erzählen.
Gibt es manchmal Unstimmigkeiten in der Redaktion oder im Moderatorenteam, wenn es um die Themen und die Herangehensweise geht?
In der alltäglichen Arbeit sind wir uns in der Redaktion sicher nicht immer alle einig – wäre ja auch langweilig. Und wir drei Moderatorinnen und Moderatoren freuen uns einfach, wenn wir überhaupt mal gemeinsam die Zeit finden, uns auszutauschen. Das finden wir, glaube ich, alle drei immer sehr bereichernd.
Nach welchen Kriterien wählen Sie Themen für die Sendung aus? Dürfen Sie selbst entscheiden, worüber Sie berichten?
Mir persönlich ist es immer wichtig, einen Zugang zu schaffen, mit dem sich auch junge, kulturinteressierte Menschen wiederfinden. Der Rest passiert im regen Austausch mit der Redaktion, deren Interesse genauso ist, dass wir drei Moderatorinnen und Moderatoren gut durch die Sendung führen können. Es ist immer alles ein großer Austausch. Die Redaktion schlägt mal vor, dann geben wir Feedback – oder andersherum.
Wie könnte ein Konzept für die nächsten Jahre „aspekte“ aussehen? Wie kann die Sendung weiterhin so erfolgreich bleiben?
Dass wir den 60. Geburtstag feiern, zeigt ja, dass das Konzept funktioniert. Deswegen sehe ich „aspekte“ auf einem guten Weg für die nächsten Jahre. Ich wünsche mir, dass das Format mutig und in Bewegung bleibt und weiter bereit ist, auch junge Zielgruppen anzusprechen, auf Social Media stattzufinden und einen breiten Kulturbegriff abzubilden.
Worüber gesprochen werden muss, ist der Weg der Öffentlich-Rechtlichen insgesamt. Die Lücke in der Mediennutzung zwischen den Generationen wird immer größer, und es wird meiner Meinung nach nicht genug getan, um sie zu schließen – weil das Problem lange nicht ernst genug genommen wurde. Jetzt wird es zwar oft ernst genommen, aber der Mut, danach zu handeln, fehlt trotzdem. Und auch die Bereitschaft, Geld in die Hand zu nehmen.
Damit junge Formate wie zum Beispiel „13 Fragen“ eine ähnliche Chance haben, qualitativ anspruchsvolle Inhalte zu liefern, wie wir es aus dem linearen Programm gewohnt sind, braucht es eine gerechtere Geldverteilung. Viele Jüngere wissen gar nicht, warum es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt und wofür der Beitrag gut ist. Das ist wahnsinnig gefährlich für unsere Demokratie – gerade jetzt.
Immer wieder geht es bei „aspekte“ um gesellschaftliche Themen wie rechte Gewalt oder die „Wut auf Woke“. Welche Themen halten Sie für die derzeit wichtigsten?
Ich denke, die großen gesellschaftlichen Probleme sind offensichtlich: die aktuellen Kriege und unsere Demokratie, die unter Druck steht. Wir haben eine Sendung über das Comeback der Baseballschlägerjahre gemacht – rechte Gewalt ist in Deutschland auf einem Höchststand. „Nazi sein“ ist für Teenager in ganz Deutschland wieder cool und edgy, es ist Popkultur. Und die AfD nutzt Kulturkampf ganz gezielt als Strategie, um weiter zu spalten und ihren Hass zu säen.
Wir als Medienschaffende sollten einen kühlen Kopf bewahren und uns nicht von rechten Hetzkampagnen fehlleiten lassen. Ich bin ja als Reporterin andauernd in ganz Deutschland unterwegs, und was die Leute gerade wirklich beschäftigt, ist nicht das Gendern, sondern vor allem soziale Fragen: Mietpreise, Rente, Inflation usw.
Ein wichtiger Aspekt ihrer Arbeit ist auch die Musik…
Ja, es ist toll, dass ich für „aspekte“-extra-Sendungen bereits Interviews mit Lorde und Billie Eilish machen durfte. Das waren zwei große Highlights für mich. Beide sind Personen, die sich in einer Branche behaupten müssen – der Popindustrie –, die Frauen immer noch deutlich mehr abverlangt als Männern und sie regelrecht zu öffentlichem Eigentum erklärt. Mit beiden konnte ich sehr persönlich über diese Themen reden, und das war sehr inspirierend.