prisma: Was ist Ihre Erinnerung an die Schulkantine früher?
Sebastian Lege: Es gab an meiner Schule tatsächlich keine Kantine. Aber meine Mutter hat immer dafür gesorgt, dass ich ein gesundes Pausenbrot dabeihatte. Darauf wurde schon geachtet, auch wenn das natürlich nicht so kreativ war wie heutzutage, wo es immer neue TikTok-Trends für die Brotdose gibt.
Für die Sendung haben Sie Kantinen an Schulen besucht. Wie war Ihr Eindruck?
Ganz unterschiedlich. Viele Fachkräfte in den Schulen sagen, dass es an Budget fehlt. Außerdem merkt man, wenn sich das Lehrpersonal und die OGS-Betreuer selbst nicht wirklich mit dem Thema auskennen. Ernährungswissenschaft ist ein komplexes Thema, gerade auch was Allergene anbelangt. Früher hatte man vielleicht ein Kind mit einer Unverträglichkeit in der Klasse, mittlerweile gibt es viele, die Gluten nicht vertragen oder laktoseintolerant sind. Darauf muss eingegangen werden. Es gab aber auch positive Beispiele in den Schulen. Zum Beispiel haben wir eine Kantine besucht, die rein vegetarisch ist und ein tolles Salatbüffet hatte.
Wo sehen Sie die Probleme?
In Deutschland hat Essen nicht denselben Stellenwert wie zum Beispiel in Frankreich oder Italien. Wir sind eine Industrienation, bei uns dient Essen rein dem Zweck der Nahrungsaufnahme. In anderen Ländern ist Essen mit einer ganz anderen Emotionalität verbunden. Die Auswüchse davon, dass unsere Kinder in den Schulen teilweise wirklich schlecht versorgt sind, zeigen sich dann unter anderem in Untersuchungen wie der Pisa-Studie. Ich bin dafür, dass sich an der Gesetzeslage etwas ändert und die Essensversorgung in Schulen und Kindergärten so besser geregelt wird. Wir brauchen eine verbindliche Grundlage. Zu viel Zucker, Fett und kurzkettige Kohlenhydrate haben in den Schulen nichts zu suchen.
Was muss sich noch ändern?
Wir brauchen Ernährungslehre als Grundausbildung in den Schulen. Und man muss diese modern gestalten, beispielsweise mit der Hilfe von coolen Jungköchen. Es ist nicht so, als würden junge Leute sich nicht für das Thema Ernährung interessieren. In den sozialen Medien belegt es direkt hinter Beauty den zweiten Platz. Das müssen wir doch nutzen.
Wenn man davon spricht, bestimmte Gerichte aus der Kantine verbannen zu wollen, kommt oft der Vorwurf „alles wird einem verboten“… Wie stehen Sie dazu?
Es geht sich nicht darum, Sachen grundsätzlich zu verteufeln. Vielmehr sollen Alternative auf dem Speiseplan stehen, die mindestens genauso gut schmecken, aber bestimmte Zutaten nicht enthalten. Ein Döner mit einem Vollkornbrot und einer joghurtbasierten Soße schmeckt Kindern auch. Und man kann zum Beispiel auch aus Pastinaken leckere Pommes zaubern. Es gilt: Die Dosis macht das Gift.
Wie wurde vor Ort mit Ihrer Kritik umgegangen?
Die meisten sind dafür eigentlich offen. Man möchte ja, dass es besser wird. Problematisch ist, wenn nicht genug Budget vorhanden ist. In Krankenhäusern, Altenheimen, Kindergärten und Schulen soll das Essen bestenfalls nichts kosten. Überall da, wo die Menschen keine Alternative haben. Sie werden sozusagen kulinarisch misshandelt.
Und wie erreicht man am besten die Kinder?
Es reicht oftmals schon, wenn man ihnen erklärt, wie sich eine Mahlzeit auf das eigene Wohlbefinden und die geistige und körperliche Leistung auswirkt. Gerade in der Schule muss doch so gegessen werden, dass die Kinder nach dem Essen das Gefühl haben, sie könnten Bäume ausreißen und nicht ein Mittagstief durch den schnellen Blutzuckeranstieg haben. Das ist übrigens ein Problem, das sich auf in Betriebskantinen so fortsetzt…
Haben Sie noch einen Tipp für die Eltern auf Lager?
Nehmt eure Kinder mit im kulinarischen Alltag. Dazu zählt, dass man gemeinsam einkaufen geht und die Lebensmittelvielfalt kennenlernt. Lasst sie sie möglichst viel probieren und kocht gemeinsam.
„besseresser goes Schule“
ab Mittwoch, 17. September, 10 Uhr sukzessive im ZDF streamen und ab 24. September, immer mittwochs, 19.25 Uhr im ZDF
„besseresser Kids – Lege packt’s an“
ab 1. Oktober, immer mittwochs, 20.10 Uhr im KiKA