24.05.2016 Gesundheit

Arzt-Kolumne: Recht auf Launen

Dr. Sabine Schonert-Hirz.
Dr. Sabine Schonert-Hirz. Fotoquelle: privat

Dieser Hang zur Perfektion! Er sorgt für reichlich Stress. Leider oft auch bei Kindern.

Neulich beim Kaffee mit Freundinnen: Das Gespräch dreht sich bei Müttern – wie immer – um die Kinder. Alles junge, gesunde, hübsche Mädchen und Frauen, mit guter Schulbildung und einem soliden familiären Hintergrund.

Doch die Sorge ist groß, denn die Tochter ist traurig und ziemlich schlecht drauf. Mal einige Tage oder sogar Wochen – und zwischendurch ist alles wieder gut.

Eigentlich nicht der Rede wert, wenn nicht die sorgenvollen Gesichter der Mütter wären. Dem Kind muss es regelrecht schlecht gehen – wenn es nicht mitmacht bei der gesellschaftlichen Verpflichtung, ein Gute-Laune- Bündel zu sein. Dabei müssen vor allem die jungen Frauen erfrischend aussehen, schlank sein, attraktiv, ständig leistungsfähig. Obendrein darf kein einziger Pickel die engelsgleiche Erscheinung trüben. Alles muss immer toll sein. Der ganze Stolz der Eltern, die das einwandfreie Kind als Belohnung für ihre Erziehungsmühe dringend brauchen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die nachwachsende Generation auch selbst unter ständiger Selbstüberforderung leidet. "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" – hieß es noch früher. Die Zeit des Schulabschlusses, der Berufsausbildung und des Studiums standen ganz selbstverständlich unter einer gewissen Einschränkung. Man hatte ein Recht auf den Missmut, auf Ängste, Unsicherheiten, Traurigkeit oder einfach schlechte Laune. Das war authentisch. Und zugegeben, zu einem ganz normalen Leben gehören Phasen negativer Emotionen einfach dazu.

Das auszuhalten, ist die Aufgabe, der sich die Eltern heute zunehmend weniger stellen möchten. Dabei gilt es einfach nur zuzuhören und nachzufragen – ohne altkluge Ratschläge. Wer sich als Elternteil dann noch ausreichend um den eigenen Lebensplan, seine Beziehung und sein Lebensglück kümmert, ist ein gutes Vorbild und entlässt die Kinder aus der schweren Verantwortung, für das Glück der Eltern zuständig zu sein.

Etwas mehr Gelassenheit – dann klappt es auch mit den Sprösslingen.