04.03.2025 "17 Hippies"-Bandleader im Interview

Christopher Blenkinsop: „Ich finde es toll, wenn Leute Ideen haben“

Von Felix Förster
Christopher Blenkinsop spielt seit den 1990er-Jahren bei den "17 Hippies".
Christopher Blenkinsop spielt seit den 1990er-Jahren bei den "17 Hippies". Fotoquelle: Christopher Blenkinsop privat

Die „17 Hippies“ sind zurück, und auf ihrem neuen Album „Clowns and Angels“ zeigt die Berliner Band wieder ihre ganze musikalische Bandbreite. Da lösen Americana- und Country-Klänge französische Chansons ab, Jazz und brasilianischer Forró folgen auf hessischen Folk. „Alles kann, nichts muss“ scheint da die passende Beschreibung zu sein. Bandleader Christopher Blenkinsop gibt im Interview Einblicke in die Musik der „17 Hippies“.  

Euch gibt es seit mittlerweile fast genau 30 Jahren. Wie hat sich Euer Sound entwickelt im Laufe der Jahre? War das organisch?

Christopher Blenkinsop: Ich komme vom Folk, das ist in meiner Familiengeschichte begründet, und ich habe mich immer gewundert, dass man hier wenig zusammen Musik macht. Vielmehr spielt man das Beatles-Songbook, und dann spielt man Bob Dylan, alles sehr statisch. Ein Gegenpol dazu waren nach dem Mauerfall dann hier in Berlin die vielen Musiker aus Osteuropa, die man plötzlich an jeder Straßenecke sah. Von denen haben wir uns inspirieren lassen. Die haben einfach zusammen Musik gemacht, was mich sehr beeindruckt hat. Hinzu kam dann bei uns, dass wir einfach keinen Bock mehr auf das Geschleppe der Ausrüstung hatten: hier noch ein Amp, da noch das Schlagzeug. Das ging einem echt auf den Sack (lacht). Da kam die Frage auf, können wir das Musikmachen nicht irgendwie einfacher gestalten? Dann hat sich unser Schlagzeuger einen Dudelsack gekauft, ich habe in einer anderen Band Bass gespielt und hab mir eine Ukulele gekauft. „Downsizing“ irgendwie. Wir hatten Spaß daran, zusammen akustische Musik zu machen.

Du hast aber vorher auch in Rockbands gespielt?

Christopher Blenkinsop: Ja, und wir haben auch Konzerte gegeben. Ich habe aber gemerkt, dass die akustische Musik direkter ist, der Kontakt zum Publikum ist enger. Zudem kann der Sound eher variieren, je nachdem zu welchem Anlass man aufspielt: bei der Taufe, beim Geburtstag, bei der Beerdigung. Da kannst du die gleichen Stücke spielen, aber jedes Mal völlig anders. Wenn du das dann so lange machst wie wir, entwickelst du einen eigenen Sound. Wenn man sich das neue Album anhört, und das ist auch für mich das Erstaunliche, das ist alles akustisch aufgenommen.

Das neue Album bietet wieder ein großes Potpourri an Klängen und Einflüssen: Jazz, Chanson, Weltmusik, Country.  Und über allem schwebt dieser cineastische Klang

Christopher Blenkinsop: Auf jeden Fall. Das Filmische spielt für uns eine sehr große Rolle. Unser Co-Produzent macht eigentlich Filmmusik, und mit ihm arbeiten wir schon seit unseren Anfängen zusammen. Wir haben ja zudem auch schon einige Filme gemacht, von daher schwingt das Thema bei uns immer mit.

Eure Band besteht momentan aus zehn Musikern?

Christopher Blenkinsop: Auf der Bühne tummeln wir uns bei Konzerten mit zehn Leuten, im Studio können das aber auch noch mehr Musiker sein. Das variiert je nachdem, wer Zeit hat. Das ist ein total offener Prozess in unserem Studio in der Berliner Kulturbrauerei, und das ist auch der große Vorteil eines eigenen Studios, weil wir dort alles selbst entscheiden können und völlig autark sind. Wenn jemand spontan Lust hat, kommt er ins Studio, hört sich unsere Sachen an, und wenn er eigene Ideen hat, werden die auch gerne mit aufgenommen, wenn sie gut sind (lacht).

Wenn so viele Musiker im Studio zusammen sind, kann das mitunter lähmend sein. Ich höre aber bei Dir heraus, dass es das genaue Gegenteil bei Euch ist.

Christopher Blenkinsop: Ich finde es toll, wenn Leute eine Idee haben. Und meistens kommen Leute im Studio auf Ideen, die dann wirklich anders als meine Ideen sind. Das hat auch etwas mit Respekt zu tun, dass ich mir von den anderen Musikern Input geben lasse. Das ist der eine Teil der Studioarbeit. Trotzdem muss ich hinterher das Recht haben – oder das Vertrauen der Musiker – dass ich aussuche, was letztlich auf dem Album zu hören ist.

Das heißt, einer muss den Hut aufhaben, um die Songs in die richtige Richtung zu bringen?

Christopher Blenkinsop: Es passiert mitunter, dass zwei verschiedene Musiker zwei verschiedene Ideen haben. Beide Ideen sind gut, doch irgendwann muss man sich einfach entscheiden, welchen Weg der Song gehen soll. Und ich kann mich in solchen Situationen eigentlich ziemlich gut entscheiden. Aber das ist manchmal ein unendlicher Entstehungsprozess.

Wie ist denn dieser Songwriting Prozess bei Euch? Geht Ihr schon mit einer Grundidee ins Studio, oder geht Ihr einfach mit einem leeren Blatt dort hinein und fangt dann an mit der Session?

Christopher Blenkinsop: Sessions machen wir auch, aber bei unserem neuen Album sind wir im Prinzip mit Ideen ins Studio gegangen. Ein gutes Beispiel ist das brasilianische Stück namens „Forró Brasil“. Das ist aus einer Idee unseres Akkordeonisten entstanden. Das Instrumental hat er das gesamte vergangene Jahr immer bei den Soundchecks gespielt. Irgendwann merkten wir dann, dass da mehr hinter steckt, er hat uns die Akkorde gezeigt, und wir sind eingestiegen. Wir haben es quasi vorher immer gehört, weil er sich damit warm gemacht hat, und irgendwann dachte man, das gibt ja viel mehr her. Dann haben wir einfach damit angefangen, das Stück anders zu strukturieren und der Rest ist im Studio entstanden. Bei einem anderen Song habe ich mit Kiki Sauer zusammengesessen, und daraus ist dann diese Ballade geworden, die ist quasi live eingespielt, hat diesen Singer-Songwriter-Hintergrund.

Sehr gelungen ist Eure Version von „Das Model“ von Kraftwerk, das Kiki als Chanson interpretiert. Wie kam es dazu?

Christopher Blenkinsop: Das Stück haben wir aufgenommen, weil wir vor ein paar Jahren in Paris in einer Radioshow gespielt haben. Da wurden wir gebeten, ein klassisches deutsches Pop-Stück zu spielen. Da haben wir relativ lange überlegt, und das einzige Stück aus unseren Vorschlägen, was sie kannten, war „Das Model“. Das hat dann so gut funktioniert, dass wir das dann auch noch einmal im Studio aufnehmen wollten. Das war auch das erste Stück, das wir für das Album aufgenommen haben. 

Der Song funktioniert im neuen Gewand wunderbar mit Kikis Stimme. Wobei der Song ja in ganz viele unterschiedliche Genres passt.

Christopher Blenkinsop: Kiki wollte eigentlich erst gar nicht, da sie den Text irgendwie doof fand (lacht). Aber der Song passt perfekt zu ihrer Stimme. Ich mag ihn einfach, er ist so ikonisch. Es geht los, und du weißt sofort Bescheid und erkennst ihn. Irre prägnant, irre gut aufgebaut auf eine ganz komische Art und Weise. Das ist wirklich wahnsinnig, aber Kraftwerk ist ja, was das angeht, sowieso auf einer eigenen Ebene.

Eure Sängerin Kiki Sauer singt auch gerne auf Französisch, wie kam es dazu?

Christopher Blenkinsop: Kiki hat Französisch studiert und lange in Paris gelebt. Wir sollten irgendwann für einen Film ein französisches Stück machen, und die dafür vorgesehene Sängerin konnte plötzlich nicht. Da haben wir gesagt: Kiki, jetzt sing Du doch mal auf Französisch. Und dann hat sie das einfach gesungen, und wir sind dabeigeblieben (lacht). Manchmal ist es so einfach.

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