09.09.2024 Kein Ende in Sicht

Billy Andrews alias „The Dark Tenor“ im Interview

Von Marcus Italiani
Billy Andrews alias „The Dark Tenor“ im Interview.
Billy Andrews alias „The Dark Tenor“ im Interview.

Billy Andrews alias „The Dark Tenor“ schwimmt mit seiner ganz eigenen Mischung aus Klassik- Rock- und Pop-Stücken aktuell auf einer gigantischen Erfolgswelle. Warum das so ist, und wo es noch hingeht, erörtern wir im prisma-Gespräch.

Billy, Du hast gesagt, du gingst auf die „größte Tournee aller Zeiten“.

Es sind tatsächlich bislang für mich die größten Hallen. Diese Tournee werden insgesamt 50 000 Zuschauer sehen. Die Hallen haben Kapazitäten von 3000 bis 4000 Zuschauern. Und es ist einfach schön zu sehen, dass der Geist der Klassik in der Musik der Moderne immer noch etwas zu suchen hat und die Leute Bock haben, das Thema Klassik mal von einer anderen Seite anzugehen.

Was glaubst Du, weshalb haben die Menschen ein an Dir beziehungsweise Deiner Art der musikalischen Herangehensweise?

Ich kann nur mutmaßen. Ich glaube, dass es vielleicht der Blickwinkel auf eine andere Art der Musik ist, der das Ganze interessant macht, da es sich ja auch außerhalb aller gängigen Schublanden bewegt. Möglicherweise wollen sich die Leute mal eine Show ansehen, in der ganz andere Themen eine Rolle spielen als üblicherweise im Rock oder Pop.

Du verwebst klassische Fragmente mit moderner Rock- und Popmusik. Wie gehst Du dieses Konzept während des Komponierens an?

Es gibt unterschiedliche Wege. Entweder ich habe eine bestimmte Melodie schon im Kopf – sagen wir mal Mozarts 40. oder „Für Elise“ von Beethoven – und dann beginne ich, daraus etwas zu entwickeln. Oder ich habe bereits einen Song geschrieben, zu dem dann ein klassisches Stück passen würde, das ich dann hinzufüge. Etwas komplexer gestalten sich symphonische Werke, weil die Stimmführung eine andere ist und die Arrangements viel komplexer sind als beispielsweise bei einer bekannten Klaviermelodie. Das Ganze dann so zu dekonstruieren, dass wiederum ein neues und hörbares Stück Musik daraus werden kann, dass die Leute da draußen in der Moderne etwas besser verstehen, das ist die Herausforderung. Aber die macht mir wahnsinnigen Spaß.

Du kommst ja auch ursprünglich aus der Klassik

Genau. 18 Jahre Dresdner Kreuzchor, zwei Jahre Opernchor in der Dresdner Semperoper. Parallel dazu hatte ich aber meine eigenen Bands und habe mich immer auch fürs eigene Songwriting interessiert. So ist das alles musikalisch zusammengewachsen.

Viele Rockbands bieten ihre Werke zwischendurch mal mit Orchestern dar. Das ist aber nicht Dein Ansatz. Du möchtest beide Welten nebeneinander existieren lassen.

Für mich als Künstler ist es durchaus reizvoll, mal mit einem Orchester aufzutreten. Aber da ich aus der Klassik komme, bin ich es auch gewohnt, mit dem Klangkörper Orchester zu arbeiten. Ich habe das Glück, dass ich in dem Genre, in dem ich mich bewege, fast alles machen kann, was ich möchte. Eigene Sachen, Coversongs von bekannten Pop-Stücken, klassische Werke. Das ist ein schönes Gefühl und macht einen als Künstler auch irgendwie frei.

Das führt uns zu der interessanten Debatte über Sinn und Unsinn der Einteilung von Musik in E- und U-Musik. Wie stehst Du dazu?

Komplexe Frage. Wenn ich an Abrechnungen denke, dann ist so ein Drei-Minuten-Song schon wesentlich weniger komplex als das Komponieren eines Orchesterstücks, das 15 oder 20 Minuten dauert. Dass man dem Orchesterstück dann eine andere Vergütung zugrunde legt, finde ich mit Blick auf die Verwertung schon richtig, weil es eben mehr Handwerk ist. Allerdings finde ich die kategorisierte Bewertung von Musik schwierig. Zu sagen, das eine sei mehr wert als das andere ist zweifelhaft.

Wie sieht die Zusammensetzung Deines Publikums aus.

Das werden wir sehen. Wir holen alle zwischen acht und 80 ab. Bei der letzten Tour war 90 Prozent des Publikums neu. Das ist ja auch ein Teil meiner Mission: Klassik für alle zugänglich zu machen.

Und nicht in Musiktheorie die höheren Weihen empfangen zu haben.

Die großen, heute gottgleich gemachten Komponisten, hatten oft Geld-, Alkohol- und Drogenprobleme. Ich glaube nicht, dass sie wollten, dass das Publikum versteht, wie der Quintenzirkel funktioniert. Die wollten einfach, dass sich die Leute der Musik hingeben und sie genießen.