26.02.2024 "Sing meinen Song"-Star im Interview

„Eigentlich ist Musik für mich Selbst-Therapie“

Von Felix Förster
Ein Mann mit klarer Kante: Daniel Wirtz.
Ein Mann mit klarer Kante: Daniel Wirtz. Fotoquelle: Jan Season

Daniel Wirtz ist vielen noch bekannt durch seine Auftritte in der Sendung „Sing meinen Song“. Das ist mittlerweile schon 10 Jahre her und der Musiker hat mit dem Album „DNA“ eine rockige Scheibe abgelegt, in der er die letzten, für ihn persönlich sehr schwierigen Jahre, reflektiert und einen Neustart wagt. prisma hat mit ihm darüber gesprochen.

Sie hatten durch die Veröffentlichung des neuen Albums und den Tourstart viel Stress, oder?

Daniel Wirtz: Ja, es ist schon etwas Wahnsinn. Alles, wofür so viele Menschen mit mir ein Jahr lang hart gearbeitet haben, erblickte jetzt das Tageslicht. Die neue Platte ist parallel zum Tourstart erschienen, da gab es auch viel von unterwegs zu organisieren. Für die Tour haben wir einen Nightliner genutzt, der für einen Monat mein zu Hause war.

Ist dieses Tour-Leben denn auch wirklich so romantisch, wie man es sich vorstellt?

Daniel Wirtz (lacht): Das ist mehr als romantisch, das ist wie eine Reise im U-Boot: Man lebt eng auf eng, man spielt die Konzerte, teilt die Eindrücke des Abends. Im unteren Bereich gab es einen Barbereich mit Lounge, da wurde auch mal eine Diskokugel aufgehängt, Musik gespielt. Und oben waren die Schlafkojen. Dieser Monat der Tour war eine unfassbar intensive Zeit, nach der man wehmütig auseinandergegangen ist.

Die Tour hat knapp einen Monat gedauert. Das war ein knackiges Programm, das Sie da durchgezogen haben.

Daniel Wirtz: Das hatte am Ende auch finanzielle Gründe, denn jeder Tag auf der Straße muss bezahlt werden und ich stemme das alles selbst. Auch wenn Bus und Crew dann rumstehen. Für mich als Sänger gibt es dann mal einen Tag Pause zwischendurch, an dem ich die Stimme schonen muss. Gitarrensaiten und Drumfelle kann man immer frisch aufziehen, das gilt leider nicht für Stimmbänder. Das neue Album „DNA“ ist sehr rockig, sehr druckvoll. Da kann man sich schon vorstellen, dass es Energie kostet, die Songs auf die Bühne zu bringen. Daniel Wirtz: Das knackige Album wollten wir auch nicht umranden mit unknackigen Songs, von daher war das wie eine Rasierklinge, die zwei Stunden durch die Halle hackt.

Hatte sich diese geballte Energie des Albums während der Zwangspause durch Corona aufgestaut?

Daniel Wirtz: Definitiv, die musste einfach raus.

Textlich ist das Album anspruchsvoll, trotzdem kommen die Botschaften mit einer gewissen Leichtigkeit daher, wirken nicht aufgesetzt. Wie gehen Sie an diese Arbeit heran? Wie finden Sie Ihre Themen?

Daniel Wirtz: Zuerst ist da immer die Emotion. Dann nehme ich mir die Gitarre und je nach Laune wird daraus entweder eine aggressive oder eine ruhige Nummer. Das entscheidet immer mein inneres Gefühl, denn eigentlich mache ich Musik als Selbst-Therapie. Wenn mir etwas auf der Seele brennt, dann wird das verarbeitet, ob es nun ein gebrochenes Herz ist oder der Frust, weil man weggesperrt ist. Dementsprechend kann man den Frust-Grad dann am Grad der Geschwindigkeit und Verzerrung messen. Am Ende weiß ich genau, weshalb dieser Sound entstanden ist. Dieses Gefühl versuche ich dann, mit Worten zu beschreiben.

Im Song „Hallo Erde“ wiederholen Sie immer wieder die Zeile „Weckt mich auf aus diesem Albtraum“. „C’est la vie“ und „Ein klares Nein“ hingegen sind Gegenentwürfe zur ständigen Aufregung, die uns 24/7 umgibt. Sind die Songs eine Aufarbeitung der schwierigen letzten Jahre?

Daniel Wirtz: Ich stand für diese wunderschöne ausverkaufte Unplugged-Tour in den Startlöchern und die wurde dann vier Tage vor Anpfiff abgepfiffen. Danach wurde es dann richtig absurd: Nachdem die Termine verschoben waren, kamen Coronamaßnahmen dazu. Da hieß es dann plötzlich: Spiel trotzdem, dann bleiben eben die ohne Impfpass draußen. Dagegen habe ich mich gewehrt, denn die Leute hatten die Karten ja gekauft, bevor es diese Maßnahmen gab. Da kann ich doch schlecht sagen: du kommst rein, du aber nicht. Das war aber eben die Crux zu der Zeit, doch darauf hatte ich keinen Bock, auch wenn es mich fast die Karriere gekostet hätte. Ich muss immer noch in den Spiegel schauen können. Ich bin ein sehr fairer Mensch, dann lass ich lieber alles vor die Wand fahren und warte ab, bis alles wieder geht.

Klare Kante, die in der Zeit eher selten war.

Daniel Wirtz: Klar war das ein hoher Preis, denn so konnte ich vier Jahre lang kein Geld verdienen. Aber es ist eben nur Geld.

Auf eine richtige Aufarbeitung dieser Zeit wartet man immer noch vergeblich.

Daniel Wirtz: Eine einfache Entschuldigung, ein „Tut mir leid, war vielleicht etwas übertrieben“ würde ja schon reichen. Das erwarten die Leute einfach.

Dieser Spaltpilz hat sich in dieser Zeit entwickelt und es geht ja weiter, wie man aktuell sehen kann. Dabei muss man ja weiter zusammenleben.

Daniel Wirtz: Es ging in die Familien, die engsten Freundeskreise. Es hat mich die Beziehung und Freundschaft zu meinem Partner gekostet, mit dem ich das alles 16 Jahre aufgebaut habe. Es hat mich auch meine Band gekostet. Es war auch im Hause Wirtz der totale Kahlschlag. Ich habe das dann für einem Neuanfang genutzt, schlage ein neues Buch auf mit neuen Leuten. Diese Frische war sehr inspirierend.

„Schweigen mit Dir“ ist ein perfekter Abschluss-Song für das Album. Sie singen dort „Ich kann immer noch schweigen mit Dir“. Was steckt dahinter?

Daniel Wirtz: Ich habe eine fantastische Frau, ein tolles Kind, natürlich auch wichtige Freunde, die, selbst wenn sie anderer Meinung in dieser schweren Zeit waren, trotzdem alles akzeptiert haben. Der Song ist eine Hommage an diese Menschen, die immer da waren, selbst als alles weggeflogen ist. Ich muss sie nur anschauen und ich weiß, sie verstehen es blind und unterstützen mich. Da geht es nicht um Gelaber, nein, da wird auf anderen Wegen kommuniziert.

Glauben Sie, dass so ein Einschnitt, gerade im kulturellen Bereich, noch einmal möglich wäre? Ich habe mich sehr über die fehlende Gegenwehr in der Branche gewundert.

Daniel Wirtz: Die Veranstaltungsbranche hat mit Aktionen wie „Alarmstufe Rot“ und „Ohne uns ist‘s Still“ und „Night Of The Light“ auf sich aufmerksam gemacht, jedoch in der Breite leider nicht das nötige Gehör gefunden. Ich hoffe, dass wir daraus gelernt haben, und wünsche mir, dass es nicht noch einmal so kommt. Ein paar Leute haben sich ja auch gewehrt und die wurden direkt einen Kopf kürzer gemacht. Man musste ja aufpassen, was man sagt. Aber ich habe mich da an ein Zitat von Elvis gehalten: Wenn du über etwas nicht reden darfst, schreib einen Song darüber. Da habe ich gedacht: Ok, halt dich mal an den alten King, habe eine Platte gemacht und das alles in Musik verpackt. Mit der Platte habe ich alles verarbeitet und schaue positiv in die Zukunft.

Sie haben Ihre Karriere Anfang der 2000er-Jahre mit der Band Sub7even sehr erfolgreich begonnen. Ist das Kapitel für immer beendet?

Daniel Wirtz: Das ist durch. Aber natürlich verdanke ich der ganzen Sache sehr viel. Das war ja alles Schule.

Schielen Sie denn auch auf die Radio-Airplay-Charts?

Daniel Wirtz: Das ist schon ein Faktor und hier und da werden meine Songs auch gespielt. Mit meiner Musik ist es jedoch schwer, im Radio stattzufinden. Bei unserer Tour waren die Hardcorefans dabei. Die sind von überall her angereist. Die stehen da, haben meine Texte und das Logo tätowiert und feiern das alles ab. Darum geht es. Ich will da ja kein Klatschvieh bei den Konzerten, sondern lieber 500 Leute, die jeden Song mitschreien als eine Halle mit 5000, die mich nur fragend anschauen.

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