30.12.2024 Caroline Hartig im Interview

Horror-Mystery-Serie „Hameln“: Nur geträumt?

Von Sarah Hegemann
Caroline Hartig in der Horror-Mystery-Serie „Hameln“.
Caroline Hartig in der Horror-Mystery-Serie „Hameln“. Fotoquelle: Jakob Fliedner

Der gehörlose Jannik (Constantin Keller) hat einen Traum, in dem er zusammen mit der blinden Finja (Caroline Hartig) und dem gehbehinderten Ruben (Riccardo Campione) im mittelalterlichen Hameln vor etwas Bösem flieht. Doch handelt es sich wirklich nur um einen Traum oder ist es doch eine düstere Vision? Um diese Frage dreht sich die Horror-Mystery-Serie „Hameln“.

Die Serie „Hameln“ basiert auf „Der Rattenfänger von Hameln“. Was war vor Drehbeginn dein Bezug zum Märchen?

Ich habe in der Schule natürlich schon einmal davon gehört und kannte es. Aber als die Casting-Anfrage kam, habe ich mich noch einmal intensiver mit dem Thema beschäftigt. Dann vor Ort in Hameln zu drehen – mit den ganzen Ratten und Stolpersteinen – und zu sehen, wie eine Stadt quasi um diese Thematik herumgebaut wurde, und einen ganz anderen Bezug zu dem Märchen hat als wir, die nicht aus Hameln kommen, war schon schön.

Was hat dich am Drehbuch begeistert?

Ich fand es spannend, den Stoff als Horror beziehungsweise Thriller anzugehen. Es war ein recht wildes Drehbuch mit Echtzeit, Mittelalter und vielem mehr. Ich habe mich gefragt: Wie wird der Schluss? In Bezug auf meine Rolle als Finja hat mich begeistert, jemanden spielen zu können, der nicht geburtsblind ist – wie meine Rolle damals in „Weingut Wader“ – sondern noch sieben Prozent sieht. Da lag für mich auch die Herausforderung. Als ich eine völlig Blinde gespielt habe, habe ich nur mit der Querstellung der Augen, dem Tastsinn und einer ganz anderen Körperhaltung gearbeitet. Finja ist da und sieht die Leute auch. Ich musste also beim Dreh schauen, wann sie etwas sieht, wann sie mehr fühlt, wann sie ganz in ihrer Welt ist. Außerdem bin ich damals, als ich zwölf Jahre alt war, durch den Hamburg Dungeon zur Schauspielerei gekommen. Deshalb war es toll, dass ganze Horror-Leben in eine Serie einbauen zu können. Die Verbindung „blind und Horror“ hat mich direkt angesprochen.

Du hast schon mal eine blinde Rolle gespielt. Wie bist du überhaupt dazu gekommen, obwohl du doch selbst keine Seheinschränkung hast?

Genau, ich habe das Privileg, sehen zu können. Ich weiß aber auch, dass sehr intensiv nach Blinden gecastet wurde. Es war wirklich das Ziel, die Rolle entsprechend zu besetzen. Es gibt aber nicht viele Schauspielerinnen, die blind sind. Und die ganzen Spezialeffekte und Zeitwechsel haben auch dazu geführt, dass man letztendlich gesagt hat, dass es vielleicht besser wäre, wenn die Besetzung doch sehen kann. Ich hatte beim Dreh aber spezielle Linsen, durch die ich nur 14 bis 20 Prozent sehen konnte. Zwar war das ein Ticken mehr, als Finja sieht, aber im Dunkeln konnte ich beispielsweise gar nichts sehen. Das war manchmal schon lustig, weil die anderen mich so behandelt haben, als könnte ich sehen, während ich gegen Sachen gelaufen bin. Die drei Monate waren eine sehr intensive Erfahrung für mich. Ich habe mich morgens von meinem Augenlicht verabschiedet, und es war jedes Mal ein Wunder, wenn ich die Linsen wieder rausgenommen habe und sehen konnte. Sehen zu dürfen, ist ein echtes Geschenk!

Wie waren die Dreharbeiten – zum Beispiel mit Constantin Keller, dessen Muttersprache die deutsche Gebärdensprache ist?

Gerade der junge Cast der Serie war super, wir haben uns untereinander gut verstanden und privat viel unternommen. Constantin war fester Bestandteil der Gruppe, wir waren im Schwimmbad, haben gekocht, waren in der Bar. Wir haben viel zusammen erlebt. Mit Constantin war es in dem Sinne besonders, da er uns viel beigebracht hat. Ich erinnere mich noch an die Leseprobe, wo ich „ich bin müde“ gebärden wollte, stattdessen aber „ich bin schön“ gesagt habe (lacht). Das sind so Kleinigkeiten, aber da musste er immer lachen. Das Besondere beim Drehen war, dass viel Kommunikation über das Sehen stattfindet, ich aber durch die Linsen kaum sehen konnte. Es war schwer, zu kommunizieren, während ich in der Rolle war. Aber wir haben unseren Weg gefunden. Ich durfte von ihm ganz viele Gebärden lernen. Das ist eine tolle Sprache, und ich fände es wirklich gut, wenn das in den Unterricht miteinfließen und mehr Menschen zugänglich gemacht werden würde. Weil es wichtig ist, dass man die Leute auch integriert.

Es gibt oft Kritik, wenn Menschen mit Behinderungen nicht von eben solchen Schauspielern oder Schauspielerinnen verkörpert werden.

Das ist definitiv ein Thema, mit dem ich mich auch beschäftigt habe. Bei „Weingut Wader“ habe ich schon mal vier Filme lang eine Blinde gespielt und dafür eine sehr schöne Kritik bekommen. „Hameln“ ist anders – vom Spiel. Ich finde es toll, dass Constantin wirklich gebärdend ist und diese Rolle übernimmt. Ich hätte mich auch gefreut, wenn Finja von einer Blinden verkörpert worden wäre. Aber drehtechnisch war das nicht möglich, da wir drei Hauptrollen mit Behinderungen haben. Das wäre zeitlich und finanziell wahrscheinlich schwierig geworden. Mir war es wichtig, noch einmal Blindenstock-Training zu machen. Ich hätte mir auch einen Coach am Set gewünscht, das war aber nicht möglich. Ich hoffe, dass die Community da einfach wohlwollend draufguckt und ich vieles richtig umgesetzt habe. Ich bin aber offen für Kritik und finde, es gibt genug Menschen mit Behinderung und Schauspieltalent.

Wenn man in einer Horror-Serie nicht hören oder sehen kann, ist das natürlich auch spannend, weil Geräusche oder Erscheinungen oft als Schocker genutzt werden. Bist du leicht zu erschrecken?

Ich bin gut zu erschrecken. Ich habe zwar fünf Jahre im Hamburg Dungeon gearbeitet und war damit auf der anderen Seite, aber ich bin schon anfällig. Auch bei Horrorfilmen erschrecke ich mich schnell.

Schaust du gerne Horror?

Eine Zeitlang habe ich wirklich viele Horrorfilme geguckt, das hat sich so ein bisschen geändert, auch durch die Weltlage. Aber es gibt supergute Horrorfilme, die schaue ich mir dann auch mal an.

„Hameln“ ist nicht die klassische Horror-Serie. Was macht für dich den Reiz aus?

Es geht nicht allein darum, die Leute zu gruseln und zu erschrecken. Stattdessen wird die Sage weitergegeben, auf eine ganz eigene Weise. Es ist eine sehr abenteuerlustige Serie mit Horror- und Mystery-Elementen, die für ein breites Publikum geeignet ist.

„Hameln“ erscheint zum Jahresende. Deshalb die Frage: Was steht 2025 für dich an?

Ich kann nicht allzu viel verraten. Aber ich darf mit einem australischen Regisseur etwas drehen, das mehr in die Richtung Liebesgeschichte geht.

Also weg vom Horror.

Genau (lacht). Ich bin echt froh, dass ich als Schauspielerin verschiedene Sachen ausprobieren darf. Ich bin da sehr offen. Den Leserinnen und Leser wünsche ich für 2025 ganz viel Frieden. Ich glaube, je älter man wird, desto mehr begreift man, wie wichtig Sicherheit und Frieden und natürlich auch Gesundheit sind.

„Hameln“

Sechsteilige Horror-Serie am Montag, 30. Dezember, ab 21.45 Uhr bei ZDFneo und in der ZDF-Mediathek

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