16.01.2023 Rockerlegende im Interview

Dieter Birr: "Wir müssen wieder andere Meinungen akzeptieren"

Von Felix Förster
Dieter Birr, den alle nur „Maschine“ nennen.
Dieter Birr, den alle nur „Maschine“ nennen. Fotoquelle: Dana Barthel

    Mit den Puhdys hat er deutsche Rockgeschichte geschrieben: Dieter „Maschine“ Birr ist vor allem in Ostdeutschland eine Legende. Nun hat der Berliner mit „Große Herzen“ sein neues Soloalbum veröffentlicht. 

    Was treibt Sie nach den vielen erfolgreichen Jahren als Musiker noch an?

    Dieter „Maschine“ Birr: Da ist einfach immer noch der Spaß an der Musik, und Musik ist ja nun auch so etwas wie mein Hobby. Bei Hobbys ist es ja nun einmal so, dass es einen inneren Drang gibt, sich damit zu beschäftigen. Manche fotografieren, manche sammeln Briefmarken, bei mir ist es eben die Musik (lacht).

    Ihr neues Album heißt „Große Herzen“. Was macht für Sie ein „großes Herz“ aus?

    Dieter „Maschine“ Birr: Es gibt viele Menschen mit großen Herzen, die bedingungslos anderen Menschen helfen, wenn diese in Gefahr oder in Not sind, oder wenn ihnen auch die Kraft fehlt. Es heißt ja auch im Refrain des Titelsongs: „Große Herzen spenden Kraft, für das, was man allein nicht schafft“. Es gibt auch Kinder mit großen Herzen, die für die Oma einkaufen oder ihnen über die Straße helfen. Das gehört ja alles dazu.

    Ihre vorab erschienenen Singles „Gloria“ und vor allem „Halte durch“ sprühen über vor Optimismus, ein Gefühl, das vielen Ihrer Fans momentan sicherlich schwerfallen wird. Sie bezeichnen sich selbst als „unverbesserlichen Optimisten“, woher nehmen Sie den Optimismus?

    Dieter „Maschine“ Birr: Das entspricht meinem Naturell. Ich ziehe diese Kraft vor allem aus meiner Familie, aus meiner Frau, aus meinen Kindern und vor allem aus meinen Enkelkindern. Und gerade denen muss ich natürlich vorleben, dass das Leben immer weitergeht, und man stets versuchen sollte, das Beste daraus zu machen. Und dazu gehört natürlich der unerschütterliche Glaube. Der Glaube, dass alles gut wird.

    Sie singen im Lied „Gloria“: „Ich bin nicht zum Krieger geboren“. Eine hehre Position angesichts der aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen. Was glauben Sie, kann getan werden, um Kriege wie jetzt den aktuellen in der Ukraine, zu beenden und auch andere zu verhindern?

    Dieter „Maschine“ Birr: Ich habe natürlich auch keine Patentlösung dafür, aber ich sehe, dass es die große Politik bisher nicht geschafft hat, das zu verhindern. Es macht mich einfach nur traurig, dass so viele Menschen sterben müssen.

    „Bessere Tage“ ist ein erstaunlicher Song vom neuen Album, den Sie schon vor über einem Jahr noch mitten in der Lockdown-Phase herausgebracht haben. Obwohl die Corona-Maßnahmen so gut wie vorbei sind, funktioniert der Song auf mehreren Ebenen: Als Zeitdokument, aber auch als Aufruf dazu, sein Leben zu leben, es zu nutzen. Wie sehen Sie den Song heute, mit etwas Abstand zum Corona-Jahr 2021?

    Dieter „Maschine“ Birr: Ich erinnere mich daran zurück, wie wir das Video zum Song in Berlin gedreht haben: Die Stadt war wie ausgestorben, komplett menschenleer, und wir brauchten sogar eine Sondergenehmigung, um drehen zu können. Wenn man das mit heutigen Augen betrachtet, erscheint es einem fast unwirklich, und man kann nur hoffen, dass das nicht mehr passiert.

    Sie setzen sich in Ihren Songs auch für die Wiederkehr zu einer normalen Streitkultur ein, etwas, was sich ja leider häufig fast völlig aus dem öffentlichen und auch privaten Diskurs verabschiedet hat. Wie kann das gelingen bei den breiten Gräben, die sich nicht zuletzt auch im Zuge von Corona aufgetan haben?

    Dieter „Maschine“ Birr: Ich glaube, wir müssen uns wieder daran gewöhnen, eine andere Meinung zu akzeptieren. Selbst wenn diese von der eigenen total abweicht, sollte man sie sich zumindest erst einmal anhören, darüber nachdenken und sich von mir aus auch darüber streiten, aber nicht gleich hassen.

    Die Menschen im Osten werden sehr häufig gerade in „westlichen Medien“ diffamiert und falsch dargestellt. Viele Menschen dort haben durch die Zeit in der DDR einen guten Sensor für gesellschaftliche Entwicklungen. Wie sehen Sie das als „Ostdeutscher“, der mit seinen Fans im engen Kontakt steht?

    Dieter „Maschine“ Birr: Wir im Osten waren ja sozusagen „gelernte DDR-Bürger“ und haben gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen. Ich glaube deshalb, dass viele Menschen hier die Dinge sensibler wahrnehmen und auch – wie Sie schon richtig sagen – einen Sensor für Veränderungen haben und darum vielleicht auch schneller und anders reagieren als Menschen, die nicht diese Geschichte haben.

    Im Mai sagte uns Ihr alter Freund Toni Krahl, dass ihm der Abschied mit City zwar schwerfallen werde, er aber Abschied nehmen möchte, wenn es am Schönsten ist. Sie haben diese Phase mit den Puhdys nun schon hinter sich. Was können Sie Toni zu dieser „Nach-Band-Phase“ sagen?

    Dieter „Maschine“ Birr: Bei mir war es nach dem Ende der Puhdys ja so, dass ich sofort ein neues Soloalbum aufgenommen und mir so die Zeit mit anderen Musikern vertrieben habe. Ich habe eine neue Band gegründet, und wir sind wieder auf Tour gegangen. Ich denke, bei Toni wird es nicht anders sein, denn er ist mit Leib und Seele Musiker, und ich wünsche ihm natürlich alles Gute für die „Nach-City-Zeit“.

    Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit als Solokünstler von der in einem Bandgefüge?

    Dieter „Maschine“ Birr: Wenn man solo unterwegs ist, dann hat man natürlich die alleinige Verantwortung für das Projekt. In meinem Falle ist es ja so, dass ich noch ein Duo mit Uwe Hassbecker von Silly bilde, und Uwe bringt natürlich viele musikalische Ideen in dieses Projekt ein. Er spielt nicht nur Gitarre, sondern auch Geige und Mandoline. Und bei den Puhdys war es so, dass wir alle fünf eine Verantwortung hatten: Vor Konzerten musste besprochen werden, welche Lieder wann gespielt werden sollen, dann musste geprobt werden, das Bandgefüge musste einfach funktionieren. Im Studio war das dann ein bisschen anders, da hatte ich die musikalische Verantwortung fast alleine, denn ich habe die meisten Songs geschrieben. Das war eine sehr schöne Arbeit, an die ich gerne zurückdenke.

    Sie waren schon zu den Hochzeiten der Puhdys solo unterwegs und haben zwei Alben veröffentlicht. War das auch diesem eben erwähnten Drang geschuldet, allein verantwortlich zu sein, oder warum haben Sie sich auf Solopfade begeben?

    Dieter „Maschine“ Birr: Das war zunächst einmal einfach reine Abenteuerlust. Ich wollte neue Dinge ausprobieren, mit anderen Musikern arbeiten. Dahinter war kein tiefgreifender Gedanke, es war der pure Spaß an der Musik.

    Die Puhdys gelten als die Ost-Band Nummer 1, haben deutsche Musikgeschichte geschrieben. Was glauben Sie, hat den Erfolg dieser Band – auch im Westen – ausgemacht?

    Dieter „Maschine“ Birr: Das kann man natürlich selbst schwer sagen. Ich glaube, jede Band will Erfolg haben, aber ob das letzten Endes klappt, entscheiden verschiedene Faktoren: das Publikum, die Art, wie die Leute einen wahrnehmen, die Musik, trifft man den Geschmack, den Nerv der Leute? Das sind alles Sachen, die sind da, wenn man Glück hat, oder sie sind nicht da. Wir hatten bei den Puhdys das Glück, ganz viele Leute zu erreichen, und ich bin immer noch glücklich darüber, dass wir das geschafft haben.

    Die Puhdys bilden mit City, Silly und Karat die vier großen DDR-Bands. Wie erinnern Sie sich an die Zeit damals? Wie war der Kontakt untereinander?

    Dieter „Maschine“ Birr: Gerade mit diesen Bands hatten wir immer wieder Kontakt, denn wir haben ja oft zusammengespielt, wie etwa zu Ostzeiten bei Festivals wie „Rock für den Frieden“ oder später dann auf Tour mit den Rocklegenden oder „Ostrock Klassik“. Ich persönlich habe zu allen Bands starke Kontakte. Mit Fritz Puppel von City verbindet mich eine schon 100jährige Freundschaft (lacht). Mit Uwe Hassbecker von Silly verbindet mich eine musikalische Freundschaft, wir arbeiten ja seit 2014 zusammen. Er hat auf meinen Alben gespielt und wir machen das Liveprogramm „Maschine intim – Lieder für Generationen“ zusammen. Christian Liebig von Karat hat in meiner Band als Bassist gespielt. Wenn ich wieder mit einer Band auftreten sollte, freue mich darauf, wenn Christian seinen Bass zur Hand nimmt und die tiefen Töne beisteuert.

    Wie kann man sich das Leben eines Rockstars damals im Osten vorstellen?

    Dieter „Maschine“ Birr: Es war auf jeden Fall ein sehr schönes Leben, bei uns gab es allerdings nicht diesen Starkult wie man es oft im Westen mitbekommen hat. Ansonsten gab es da keine so großen Unterschiede: Musiker sind ja irgendwie auf der ganzen Welt gleich, sie leben für ihre Musik und sind manchmal auch ein bisschen irre im Kopf, aber das gehört dazu, verrückt zu sein. Bei mir war das natürlich auch nicht anders, auch ich habe eine leichte Macke (lacht). Ich bin im Rückblick zufrieden, wie die Musik mein Leben bestimmt hat. Obwohl es im Osten damals allerdings das Problem der Instrumentenbeschaffung gab. Das war sehr schwierig, man musste sich die Instrumente aus dem Westen mitbringen lassen oder – wenn man irgendwann selbst fahren konnte – dort kaufen. Aber dafür musste man sich das Westgeld eintauschen lassen gegen das Ostgeld, das war dann ein Kurs von zunächst 1 zu 5, später dann 1 zu 10. Das war der größte Unterschied, denn gute Musik kann man ja überhaupt nur mit guten Instrumenten machen.

    Werden Sie mit der neuen Platte „Große Herzen“ auf Tour gehen? Worauf können sich die Fans da freuen?

    Dieter „Maschine“ Birr: Ich bin ja mit Uwe Hassbecker unterwegs mit dem Programm „Maschine intim – Lieder für Generationen“ und natürlich werden wir da auch einige der Songs vom neuen Album spielen. Auf meiner Homepage www.dieter-maschine-birr.de und auch auf Facebook unter Dieter Maschine Birr sind die aktuellen Termine aufgeführt.

    Das könnte Sie auch interessieren